"Göttinger Sieben" enthüllt
Göttingen hat ein neues Denkmal. Die von Schriftsteller Günter Grass entworfene Skulptur zeigt eine mit einem G verschlungene Sieben. Sie soll an den Mut der sieben Professoren erinnern, die sich 1837 gegen die Aussetzung der Ständeversammlung gestellt hatten.
Ein Denkmal zu gestalten kann verblüffend einfach sein: Auf einem Steinsockel steht ein großes "G” aus anscheinend rostendem Stahl und direkt dahinter überragt die Zahl "Sieben", ebenfalls aus Stahl, diesen Buchstaben - und schon darf man sich an die "Göttinger Sieben” erinnert fühlen.
An ihre "Protestation des Gewissens” von 1837, die jenen standhaften Professoren - darunter waren die Brüder Grimm - den Verlust ihrer universitären Ämter einbrachte, drei Gelehrten sogar den Landesverweis. Keiner von ihnen wird von Günter Grass figürlich auch nur angedeutet - da stehen eben nur das "G” und die große "Sieben”:
"G7 war für mich die Abkürzung für die Göttinger Sieben. Und wir haben uns, was die Größe betrifft, auf ein menschliches Maß beschränkt. Ich halte nichts von überragenden Denkmälern, die abgehoben sind. Es gehört hier auf den Platz, man kann drum herum sitzen, kann es zur Kenntnis nehmen, man kann sich erinnern und kann es als Anstoß werten."
Niemand wird wohl bei "G 7” arglos an ein Treffen hochrangiger Politiker denken, klärt doch eine Bronzetafel mit einem Auszug aus der "Protestation" von 1837 über den tieferen Sinn dieser Denkmalskunst auf.
Sein poetisches und politisches Mitgefühl für die Göttinger Sieben und vor allem für die Brüder Grimm, die sich dann am Deutschen Wörterbuch abmühten, hat Grass schon in seinem jüngsten Roman ausgedrückt. Auch eine Art Denkmal. Aber dieses dreidimensionale Werk auf dem Campus musste unbedingt noch sein:
"Allein dieses Textzitat aus der Protestation beweist eine Haltung, die heute genauso notwendig ist. Das ist der Sinn dieses Denkmals, dass es nicht nur vergangenheitsbezogen ist, sondern eben auch der heutigen jungen Generation einen Hinweis gibt, wie man sich der eigenen Verfassung, ihrem Bestand und eventuell dem Verfassungsbruch gegenüber zu verhalten hat."
Ein Denkmal sei nur soviel wert, wie es die Kraft habe, in die Gegenwart zu weisen, unterstreicht Grass - und schlägt einen Bogen von jenen couragierten Professoren in die Jetztzeit, vom suspendierten Staatsgrundgesetz zur "geschändeten Verfassung" unserer Tage, zur "beschädigten Demokratie", wie er es formuliert. Dabei lebten die vorbildlichen Professoren doch in ganz anderen Zeiten:
"Damals gab es Zensur, die Polizeiherrschaft war allgegenwärtig. Heute leben wir in einer relativen Freiheit - wir haben Möglichkeiten, davon Gebrauch zu machen. Wir sind gut informiert und wissen, dass mittlerweile die Lobby wie ein Ring ums Parlament sich gelagert hat und Einfluss nimmt bis in die Gesetzestexte hinein, denn sie sitzt in den Ministerien.
Wir können es am Beispiel der Pharmaindustrie in Zusammenhang mit der Gesundheitsreform verfolgen und sehen, welche Macht die Atomlobby hat - wie sie die Regierung erpresst hat und weiterhin diese Versuche unternimmt. Das sind im Grunde alles Dinge, die unsere Verfassung in Frage stellen, zum Beispiel unser frei gewähltes Parlament, das nur nach dem Gewissen zu handeln hat. Darauf muss man aufmerksam machen: Demokratie ist ein fragiles Gebilde."
Von Bürgern, die sich nicht alles gefallen lassen, wird hier auf dem "Platz der Göttinger Sieben" gehandelt. Einen Platz mit diesem Namen gibt es auch in Hannover, unmittelbar am niedersächsischen Landtag, und auch hier zieht ein Denkmal die Blicke an. Auf private Initiative und später mit politischer Unterstützung sind 1998 nach einer Ausschreibung Bronzefiguren des Bildhauers Floriano Bodini aufgestellt worden.
Die unbeugsamen Gelehrten stehen uns überlebensgroß gegenüber: Drei sind gerade durch ein halb geöffnetes Portal gegangen, vier daheim geblieben, in der Unfreiheit. Einige halten Papiere in der Hand, eine Figur hat ein Buch mit den Grundrechten von 1848 aufgeschlagen. Hoch zu Roß sitzt König Ernst-August mit grimmiger Miene, ein Student blickt seitlich zur Straße.
Als "wenig zeitgenössisch" hat eine Gruppe zur Begutachtung der Kunst im öffentlichen Raum vor Jahren diese Formensprache eingestuft und insgesamt den politischen Aussagewert des Werks bezweifelt. Das Denkmal von Günter Grass meidet Monumentalität und bildet in seiner Abstraktion und Lakonie fast schon den Gegenpol zu dieser erzählerischen Großveranstaltung am hannoverschen Landtag, die aus dem 19. Jahrhundert stammen könnte.
Grass: "Ja, das kenne ich. Das hier soll keine Konkurrenz dazu sein. Hier war eine andere Gestaltung vonnöten."
Ein "G" und die Zahl "7", das Werk von Günter Grass wirft nicht nur inhaltliche Fragen auf – die nach dem Erhalt unserer Demokratie, sondern mit seinem lapidaren Charakter auch stilistische: wie könnte eine zeitgemäße Denkmalsgestaltung wirklich aussehen?
Aber solche Überlegungen traten bei der Enthüllung zurück. "Doch mal ein schönes Ereignis", kommentierte eine Frau im Vorübergehen die Versammlung auf dem Campus - und das Publikum war spürbar angetan, als Grass die Schleife löste und das Tuch von seinem spartanischen Opus zog.
An ihre "Protestation des Gewissens” von 1837, die jenen standhaften Professoren - darunter waren die Brüder Grimm - den Verlust ihrer universitären Ämter einbrachte, drei Gelehrten sogar den Landesverweis. Keiner von ihnen wird von Günter Grass figürlich auch nur angedeutet - da stehen eben nur das "G” und die große "Sieben”:
"G7 war für mich die Abkürzung für die Göttinger Sieben. Und wir haben uns, was die Größe betrifft, auf ein menschliches Maß beschränkt. Ich halte nichts von überragenden Denkmälern, die abgehoben sind. Es gehört hier auf den Platz, man kann drum herum sitzen, kann es zur Kenntnis nehmen, man kann sich erinnern und kann es als Anstoß werten."
Niemand wird wohl bei "G 7” arglos an ein Treffen hochrangiger Politiker denken, klärt doch eine Bronzetafel mit einem Auszug aus der "Protestation" von 1837 über den tieferen Sinn dieser Denkmalskunst auf.
Sein poetisches und politisches Mitgefühl für die Göttinger Sieben und vor allem für die Brüder Grimm, die sich dann am Deutschen Wörterbuch abmühten, hat Grass schon in seinem jüngsten Roman ausgedrückt. Auch eine Art Denkmal. Aber dieses dreidimensionale Werk auf dem Campus musste unbedingt noch sein:
"Allein dieses Textzitat aus der Protestation beweist eine Haltung, die heute genauso notwendig ist. Das ist der Sinn dieses Denkmals, dass es nicht nur vergangenheitsbezogen ist, sondern eben auch der heutigen jungen Generation einen Hinweis gibt, wie man sich der eigenen Verfassung, ihrem Bestand und eventuell dem Verfassungsbruch gegenüber zu verhalten hat."
Ein Denkmal sei nur soviel wert, wie es die Kraft habe, in die Gegenwart zu weisen, unterstreicht Grass - und schlägt einen Bogen von jenen couragierten Professoren in die Jetztzeit, vom suspendierten Staatsgrundgesetz zur "geschändeten Verfassung" unserer Tage, zur "beschädigten Demokratie", wie er es formuliert. Dabei lebten die vorbildlichen Professoren doch in ganz anderen Zeiten:
"Damals gab es Zensur, die Polizeiherrschaft war allgegenwärtig. Heute leben wir in einer relativen Freiheit - wir haben Möglichkeiten, davon Gebrauch zu machen. Wir sind gut informiert und wissen, dass mittlerweile die Lobby wie ein Ring ums Parlament sich gelagert hat und Einfluss nimmt bis in die Gesetzestexte hinein, denn sie sitzt in den Ministerien.
Wir können es am Beispiel der Pharmaindustrie in Zusammenhang mit der Gesundheitsreform verfolgen und sehen, welche Macht die Atomlobby hat - wie sie die Regierung erpresst hat und weiterhin diese Versuche unternimmt. Das sind im Grunde alles Dinge, die unsere Verfassung in Frage stellen, zum Beispiel unser frei gewähltes Parlament, das nur nach dem Gewissen zu handeln hat. Darauf muss man aufmerksam machen: Demokratie ist ein fragiles Gebilde."
Von Bürgern, die sich nicht alles gefallen lassen, wird hier auf dem "Platz der Göttinger Sieben" gehandelt. Einen Platz mit diesem Namen gibt es auch in Hannover, unmittelbar am niedersächsischen Landtag, und auch hier zieht ein Denkmal die Blicke an. Auf private Initiative und später mit politischer Unterstützung sind 1998 nach einer Ausschreibung Bronzefiguren des Bildhauers Floriano Bodini aufgestellt worden.
Die unbeugsamen Gelehrten stehen uns überlebensgroß gegenüber: Drei sind gerade durch ein halb geöffnetes Portal gegangen, vier daheim geblieben, in der Unfreiheit. Einige halten Papiere in der Hand, eine Figur hat ein Buch mit den Grundrechten von 1848 aufgeschlagen. Hoch zu Roß sitzt König Ernst-August mit grimmiger Miene, ein Student blickt seitlich zur Straße.
Als "wenig zeitgenössisch" hat eine Gruppe zur Begutachtung der Kunst im öffentlichen Raum vor Jahren diese Formensprache eingestuft und insgesamt den politischen Aussagewert des Werks bezweifelt. Das Denkmal von Günter Grass meidet Monumentalität und bildet in seiner Abstraktion und Lakonie fast schon den Gegenpol zu dieser erzählerischen Großveranstaltung am hannoverschen Landtag, die aus dem 19. Jahrhundert stammen könnte.
Grass: "Ja, das kenne ich. Das hier soll keine Konkurrenz dazu sein. Hier war eine andere Gestaltung vonnöten."
Ein "G" und die Zahl "7", das Werk von Günter Grass wirft nicht nur inhaltliche Fragen auf – die nach dem Erhalt unserer Demokratie, sondern mit seinem lapidaren Charakter auch stilistische: wie könnte eine zeitgemäße Denkmalsgestaltung wirklich aussehen?
Aber solche Überlegungen traten bei der Enthüllung zurück. "Doch mal ein schönes Ereignis", kommentierte eine Frau im Vorübergehen die Versammlung auf dem Campus - und das Publikum war spürbar angetan, als Grass die Schleife löste und das Tuch von seinem spartanischen Opus zog.