Museum im Humboldt Forum räumt Versäumnisse ein
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Der Direktor des Ethnologischen Museums in Berlin widerspricht den Vorwürfen des Historikers Götz Aly nicht, beim Luf-Boot handele es sich um Raubkunst. Es sei nicht klar, ob es ursprünglich unrechtmäßig erworben wurde, so Lars-Christian Koch.
Bei der Wiedereröffnung des Ethnologischen Museums im Berliner Humboldt Forum soll es zentrales Ausstellungsstück sein und im Eingangsbereich präsentiert werden: das 16 Meter lange Luf-Boot. Doch die Provenienz des Bootes ist umstritten.
Der Historiker Götz Aly hält es jedenfalls für koloniale Raubkunst. "Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man dann irgendwann erfunden, es sei rechtmäßig erworben und an das Museum verkauft worden. Das ist alles nicht wahr, das kann man ganz leicht herausfinden", betont Aly, der die Geschichte des Ausstellungsstücks in seinem neuem Buch "Das Prachtboot" nachgezeichnet hat.
"Die Quellenstudien sind ganz einfach", sagt der Historiker. "Es hat sich keiner die Mühe gemacht, und es war bequem für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das einfach zu behaupten und zu glauben."
Lars-Christian Koch, Direktor des ethnologischen Museums, tritt den Vorwürfen Alys nicht entgegen, sondern räumt stattdessen Versäumnisse ein. Das Luf-Boot stammt aus einem früheren Teil der Kolonie Deutsch-Neu-Guinea in der Südsee und gelangte 1904 unter fragwürdigen Umständen nach Berlin. Es sei nicht klar, ob es unrechtmäßig erworben wurde, so Koch.
Neue Perspektiven und Herangehensweisen
Das Museum habe die Provenienz des Bootes und die Kolonialgeschichte bisher nicht "in den Fokus gesetzt – und das hätten wir tun müssen. Da hat Götz Aly vollkommen recht."
Gleichzeitig hat Koch zugesagt, die entsprechenden Gesamtzusammenhänge in der Ausstellung zu präsentieren. Generell werde die Kolonialgeschichte immer präsenter. "Und darauf werden wir auch reagieren", so Koch. "Wir müssen neue Perspektiven und Herangehensweisen einnehmen."
Inés de Castro: Den Herkunftsländern Gehör verschaffen
Die argentinisch-deutsche Ethnologin Inés de Castro ist Direktorin des Stuttgarter Linden-Museums. Sie finde positiv, dass diese koloniale Diskussion jetzt auch außerhalb Afrikas geführt wird,
sagte de Castro im Deutschlandfunk Kultur [AUDIO]
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Im Hinblick auf die Umstände, wie das Luf-Boot in das Berliner Ethnologische Museum gekommen ist, meint de Castro: "Für uns wäre auch wichtig, zu erfahren, was die sogenannten Herkunftsgesellschaften dazu sagen." Die Entscheidung zur Restitution dürfe nicht allein in Deutschland fallen.
Außerdem mahnt sie eine differenziertere Debatte darüber an, wie diese Objekte in der Kolonialzeit nach Deutschland gekommen sind. "Im Fall der Südsee ist es wirklich nicht so, dass zumindest aus der Sammlung des Linden-Museums alle Objekte aus dem Raub stammen." Viele seien auch für den Verkauf hergestellt worden.
Koloniale Verantwortung für gesellschaftliche Relevanz
In der Südsee habe es zwar auch "Strafexpeditionen" gegeben, so de Castro, "aber wir haben auch ein anderes Handeln, wie mit den berühmten Malangganen, die man eigentlich nach den Zeremonien zum Verrotten in den Wald gelegt hat, bis man erkannt hat, dass die Museen daran Interesse haben".
De Castro hält es für wichtig, dass sich die Museen ihrer kolonialen Verantwortung stellen, um gesellschaftliche Relevanz zu behalten. Im Falle der Benin-Objekte in der Stuttgarter Afrika-Dauerausstellung hat das Linden-Museum die Ausstellungsstücke vom Königshaus Benin kommentieren lassen, um dieser Stimme Gehör zu verleihen.
(lkn/mfied)