Gold, Silber und Edelsteine
Als eine der reichsten Schatzkammern Europas genießt das Grüne Gewölbe Weltruf. Mit der Wiedereröffnung des Historischen Grünen Gewölbes im September 2006 kehrt auch der zweite Teil der berühmten Sammlung der wettinischen Fürsten in das Dresdner Residenzschloss zurück.
Damit beherbergt das Museum Grünes Gewölbe zwei Dauerausstellungsbereiche ganz unterschiedlichen Charakters. Im "Neuen Grünen Gewölbe" und im "Historischen Grünen Gewölbe" wird die Pracht der Kunstwerke aus Gold, Silber, Edelsteinen und Email, aus Elfenbein, Bronze und Bernstein in ganz eigener Weise erlebbar sein.
"Das ist eine Sicherheitstür und jetzt kommt das Sicherheitspersonal, um uns zu öffnen .... Guten Tag ..."
Die letzten Tage vor der großen Eröffnung sind angebrochen. Die Mitarbeiter der Presse- und Öffentlichkeitsabteilung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sind im Dauereinsatz. Hunderte von Presseanfragen sind zu bearbeiten, Fernseh- und Rundfunkstationen aus aller Welt wollen vorab schon einen Blick in das wiedererstandene kostbare Kleinod werfen, dessen Türen derzeit für die Öffentlichkeit noch fest verschlossen sind.
Nur wenige dürften bislang hinein, manche mussten in den vergangenen Monaten täglich hinein, so wie Oberkonservatorin, Jutta Kappel.
"Wir gehen jetzt durch die Schleuse. Das ist jetzt die so genannte Klima- und Reinigungs- und Sicherheitsschleuse. Jetzt sind wir also drin, jetzt schließt sich die hintere Tür, wir schauen ins Bernsteinkabinett, jetzt geht die Tür wieder auf, und der erste Raum ist also jetzt das Bernsteinkabinett."
Seit 18 Jahren arbeitet Jutta Kappel im Grünen Gewölbe in Dresden. Fast die Hälfte dieser Zeit hat sie mit den Vorbereitungen für die Wiedereinrichtung der ursprünglichen königlichen Schatzkammer Augusts des Starken an historischer Stelle im Dresdner Residenzschloss verbracht.
Sie weiß, dass der Wiederaufbau der Wettiner Schlossruine über Jahrzehnte immer wieder am seidenen Faden hing. Mitte der 80er Jahre begann schon zu DDR-Zeiten die konsequente Sicherung und teilweise der Wiederaufbau des Stadtschlosses, doch erst nach der Wende, als die Staatsregierung beschloss, das Projekt eines Museumsschlosses mit der nötigen finanziellen Ausstattung in die Tat umzusetzen, wurde die Vision Wirklichkeit. Rund 45 Millionen Euro hat sich der Freistaat die Wiederherstellung des Neuen und des Historischen Grünen Gewölbes kosten lassen. Die gesamte Rekonstruktion des Schlosses wird 330 Millionen Euro verschlingen.
Für Sachsens Regierungschef Georg Milbradt – gut angelegtes Geld – denn:
"Heute ist das Historische Grüne Gewölbe vollständig wieder hergestellt, 61 Jahre nachdem das Residenzschloss den Bomben zum Opfer gefallen ist. Damit wird ein Traum wahr, den mittlerweile drei Generationen von Dresdnern geträumt haben und den auch ich als damaliger Finanzminister und für den bau hier zunächst Zuständiger geträumt habe. Der Traum nämlich, das barocke Ensemble von Dresden vollständig wieder herzustellen."
Jutta Kappel ist angesichts des Erreichten überglücklich, für sie grenzt der Wiederaufbau und die Rückkehr des Gewölbes an den historischen Ort an ein Wunder:
"Also es ist in Worte eigentlich schwer zu fassen, es ist – ich bin ja gebürtige Dresdnerin – für mich ist es schon , wenn man das so sagen will, schon die Erfüllung eines Traums. Nicht nur beruflich sondern auch als Mensch ist das ungeheuer schön, dass man das Werden dieser Wiedereinrichtung über all die Jahre begleiten konnte – bin ja jetzt 18 Jahre in der Schatzkammer und das ist schon etwas ganz Besonderes und Schönes."
Das sagt auch Prof. Martin Roth, der Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Mit Stolz schaut er auf die Renaissance dieser Schatzkammer, die künftig in zwei Ausstellungen im Dresdner Schloss zu sehen sein wird.
"Es gibt keine Schatzkammer auf der ganzen Welt, die diesen Zustand erreicht hat, also sozusagen, eine Zeit um 1730 herübergerettet wurde in ihrer Authentizität, das heißt der Zusammenhang zwischen Sammlung und Aufstellung, der Erhalt der Objekte, das gibt es an keinem anderen Ort mehr, also hier ist Dresden vollkommen einzigartig in der ganzen Welt."
Nach der glanzvollen Eröffnung des so genannten Neuen Grünen Gewölbes, im September 2004 folgt nun die Krönung des Projekts mit der Fertigstellung der historischen Sammlung in den angestammten – im Krieg teilweise zerstörten und nun rekonstruierten zehn Sälen des königlichen Tresors – so, wie August der Starke ihn schon angelegt hatte. Der Kurfürst und spätere polnische König hatte mit Bedacht eine öffentliche Schau seiner Pretiosen arrangiert. Dirk Syndram, Direktor des Grünen Gewölbes, bezeichnet die Sammlung daher auch als Wahlkampfveranstaltung:
"Anfangs hat er wahrscheinlich nur einfach zeigen wollen, was er hatte, und das war ihm dann zu eng. Immer in sein kleines Kabinett die Leute hineinzulassen, das wurde dann etwas vergrößert, aber das Grüne Gewölbe, das Sie hier sehen, das so theatralisch Reichtum und Macht und Alter und Kunstreichtum und so etwas zeigt, das ist gemacht worden, damit August III. später wirklich August III. werden konnte. Also Friedrich August II. vom Churfürst von Sachsen sich um die Krone Polens bewerben konnte."
Auch für Dirk Syndram erfüllt sich nunmehr ein Traum. Am vergangenen Mittwoch hat er persönlich das letzte noch fehlende Stück in der Ausstellung – den Mohr mit der Smaragdstufe - in das Juwelenzimmer getragen und platziert:
"Oh, also es ist schon das Ende eines langen Weges, kann man schon sagen, also schon mein Vorgänger hat ja schon angefangen 1958 davon zu träumen, dass das Grüne Gewölbe wieder ins Schloss kommt, er hat wunderbare Vorarbeit geleistet, damit wir dann also auch in Spur gehen können, und nun eben nach diesen 48 Jahren sind wir soweit, und das ist ein wunderbares Gefühl."
In den vergangenen fünf Monaten dürften die restaurierten und rekonstruierten acht Säle wieder eingerichtet werden. Jeder hat seine eigene Charakteristik, sein individuelles Licht und sein eigenes Thema. Somit geriet jeder einzelne Saal zu einer besonderen Herausforderung für die Restauratoren, die Ausstellungsarchitektin, die Oberkonservatorin und den Direktor. Manches, was man sich vorher auf dem Papier ausgedacht hatte, wirkte an Ort und Stelle doch nicht so wie gedacht oder noch viel schöner.
Es sieht hier drinnen aus, wie bei Ali Baba zuhause, sagt Direktor Dirk Syndram und schmunzelt. Der Effekt hängt sicherlich auch mit der Art und Weise der Präsentation der Pretiosen zusammen. Die ist spektakulär und wohl auch einzigartig für eine Schatzkammer. Denn anders als in anderen Museen stehen viele der kunstvoll gearbeiteten Exponate frei auf Tischen und Wandkonsolen. Der Betrachter kann sich die kostbaren Kunstwerke quasi barrierefrei aus der Nähe ansehen, ohne störende Glaswände. Und dort, wo das Glas doch erforderlich ist, bemerkt man es kaum - so oft wurde es entspiegelt.
"Die Glaswände sind rausgefallen, nun haben wir nur noch diese Abspannung und damit natürlich auch die Möglichkeit hier im Grünen Gewölbe wie in einer Zeitreise etwas zu erleben, was August der Starke hier haben wollte.
Aber das heißt auch: maximal 100 Leute zeitgleich hier drin, also durch die Schleusen da draußen gehen, und die Schleusen nehmen wir sehr ernst, da geht es nicht nur um Sicherheit, sondern auch um Staub, Feuchtigkeit und vieles andere mehr. Das heißt, die Besucher müssen sich vorher anmelden, aber dafür haben sie dann auch die Zeit, sich in aller Ruhe darauf einzulassen, nur nichts einzustecken, das ist die Hauptsache."
An einem warmen und sonnigen Vormittag im Juni steht das Einrichten im prachtvollen Pretiosensaal mit seiner beeindruckenden Stuckdecke und unzähligen Spiegeln an den Wänden auf dem Tagesplan. Für den Direktor des Grünen Gewölbes ein besonders wichtiger Tag, an dem er unbedingt persönlich mit dabei sein möchte, wenn kleine und große Kunstwerke, die zum Teil über Jahrzehnte im Depot gelagert wurden, ihren neuen Platz in der Ausstellung erhalten:
"Genau das möchte ich haben, so ist es, also richtig so ein, so eine, ... so eine Pracht!"
"Gefällt es Ihnen?"
"Ja, hm, …"
Mit leuchtenden Augen steht Professor Dirk Syndram im Pretiosensaal des Dresdner Residenzschlosses. Die ersten Schmuckkonsolen vor den großen Spiegelwänden werden bestückt.
"Was wir hier einrichten – das Grüne Gewölbe – ist nicht das Grüne Gewölbe, das 1942 verlagert wurde, beziehungsweise 1938 also in seiner alten Funktion geschlossen wurde, sondern das ist das Grüne Gewölbe weitestgehend von 1733, also aus dem Todesjahr Augusts des Starken."
Eingerichtet werden die acht wieder hergerichteten, historischen Säle nun nach Inventarlisten aus genau dieser Zeit. Dennoch passt manches nicht auf Anhieb so zusammen, wie gewünscht. Reingard Albert, langjährige Ausstellungsarchitektin im Grünen Gewölbe hat ihre handgezeichneten Pläne mitgebracht, wonach nun die kostbaren Kleinode, Vasen, Pokale, Gemmen, Schalen und Schmuckkästchen auf geschnitzten und vergoldeten Konsolen an den Wänden platziert werden:
"Professor Syndram hat für die einzelnen Bögen die Stücke ausgesucht und auch schon eine Vorgabe gemacht, ich habe dann durch genaue Zeichnungen 1:10 ermittelt, ob es ein gutes Bild ergibt oder ob ein Stück bedrängt wird, durch die Üppigkeit der Konsolen und bin jetzt bei Einrichten dabei, um zu sehen, ob es auch wirklich so stimmt."
Jedes Stück trägt eine Nummer und wird samt neuem Standplatz akribisch registriert, damit man später auch noch weiß, wo es hingekommen ist. Mit weißen Handschuhen und äußerster Vorsicht gehen die Restauratoren zu Werke, beim Bestücken der Konsolen. Chefkonservatorin Jutta Kappel legt selbst Hand an und navigiert zwei Kollegen, die äußerst behutsam eine Leiter vor der Konsolwand platzieren:
"Es ist spannend, aufregend, es verzaubert einen auf sonderbare Weise, also wir haben ja eine ganz besondere Beziehung zu den Stücken, im Grünen Gewölbe bekommen sie einen ganz neuen Klang in den Räumen, auf den Wänden, also das ist das, was uns bei der vielen Arbeit unglaublich bewegt und mit Freude erfüllt, also, wie sie in den Räumen leben."
Jetzt, in der Phase der Komposition liegt die besondere Herausforderung in der perfekten Anordnung der Exponate. Manch eine Schale muss auf Geheiß des Direktors noch etwas gedreht oder gar umgesetzt werden, das Gesamtbild soll harmonisch sein. Für die, die die wertvollen Stücke umsetzen müssen, ist diese Phase besonders kritisch. Restauratorin Eva Begov arbeitet auf der Leiter. Für das kurze Interview sucht sie sich lieber festen Boden unter den Füßen. Ihre ständige Sorge:
"Na, das einem mal was aus der Hand rutscht, beim Übergeben, wenn man da auf der Leiter steht, das ist doch ziemlich hoch, und wenn man da,.... vier mal wird so ein Stück übergeben, und bei 3000 Stücken, das man da mal daneben langt, die Angst ist einfach immer da!"
Die Exponate müssen einen sicheren Stand haben, dürfen nicht rutschen und werden mit speziellen, extra gefertigten Fixierungen an den Konsolen befestigt. Eine kniffelige Angelegenheit:
"Also im Pretiosensaal da haben wir schon gezittert. Hier sind ja die Konsolen ganz oben gar nicht belegt, aber im Pretiosensaal, Sie sehen es ja, geht es ganz hoch, und da ganz oben zu bohren, ... man muss sich ja recken, weil in die Ecken nicht reinkommt, man kommt auch mit der Leiter nicht rein und anlehnen kann man ja nichts, man muss sich also ziemlich weit rüberbeugen, und da war es schon ziemlich heikel, aber hier geht’s, ... und man gewöhnt sich dran."
Doch bis alles endgültig befestigt werden konnte, wurden die Wände erst einmal fertig bestückt, katalogisiert, dann fotografiert, wieder abgeräumt und erst danach ging in die Endphase des Einrichtens.
Das 1723 bis 1729 eingerichtete Grüne Gewölbe gilt als eine der reichsten Schatzkammern Europas. Ihren Namen verdankt die Sammlung den malachitgrünen Abfärbungen einzelner Bauteile im Pretiosensaal des Dresdner Schlosses, die heute hinter verspiegelten Säulen verborgen sind. Neben dem Juwelenzimmer galt der prachtvolle Pretiosensaal schon zu Zeiten Augusts des Starken als wichtiges Werbemittel im Ringen um den polnischen Thron. Dirk Syndram:
"Hier konnte jeder sehen, wie das Konto des Kurfürsten ausgestattet war."
Die Nachfahren des Kurfürsten begleiten den Wiederaufbau ihres alten Schlosses und die kunstvolle Neugestaltung des Grünen Gewölbes positiv. Einer von Ihnen ist Alexander Prinz von Sachsen. Er freut sich über das Wiedererstehen der alten Wettiner-Residenz:
"Man freut sich und man ist sogar dankbar dafür, dass es so herausragend gemacht wurde, und man kann das vergleichen mit dem Aufbau damals zu Zeiten Augusts des Starken."
Der Prinz hat schon jetzt ein Lieblingsstück in der neuen Ausstellung:
"Es ist eigentlich ein eher unbedeutendes Stück, es ist die Kinderrassel von meinem Urgroßvater, von Friedrich-August III."
Besonders gehütet werden die Juwelen August des Starken. Sie haben einen unschätzbaren Wert und befinden sich daher weiterhin sicher hinter Glas, im Juwelenzimmer. Dirk Syndram:
"Die Juwelen waren unmittelbarer Ausdruck der Macht, es gibt also einen Herrn Julius von Rohr, der auch beschrieben hat, wie ein hoher Fürst sich eigentlich geben sollte, und der schreibt, man kann es nicht besser dem Volke präsentieren als mit golddurchwirkten oder samtenen Gewand, das vollständig mit Diamantknöpfen und Juwelengarnituren bedeckt sind, die Millionen Taler kosten."
Vorbild für August den Starken war gerade in dieser Frage der französische Hof in Versailles. Dort soll – so wird kolportiert - Ludwig XIV im Alter von Juwelen gebeugt durch sein Schloss gewandelt sein. So weit kam es in Sachsen nie. Dort ging man auch nicht mit der Mode, wenn es darum ging, aus Juwelen Geld zu machen:
"Das war so die beste Möglichkeit eine Staatsanleihe aufzunehmen, also in Amsterdam und Hamburg usw. also wenn sie diese Brilliantgarnitur haben, die kriegt man also auch noch mit zwei Pferden nach Amsterdam geschafft. 200.000 Taler, die sie hier gesehen haben, für den sächsischen Weißen, das waren damals zwei Tonnen Gold."
Auf diese Art und Weise gingen europaweit zahllose kostbare Juwelengarnituren verloren, nur in Sachsen sind heute gleich mehrere noch komplett erhalten und zu bestaunen.
"Sie sehen, woran er sich berauscht hat, was er schön fand."
Ab dem 15. September wird das Historische Grüne Gewölbe für die Öffentlichkeit zu sehen sein. Der Zugang erfolgt über so genannte Zeitkarten, die größtenteils im Internet gebucht werden können.
Wer die Schleuse am Eingang zur historischen Schatzkammer betritt, begibt sich auf eine Reise durch die Blütezeit Sachsens. Weitgehend authentisch, und wie Oberkonservatorin Ruth Kappel meint:
"Wenn August der Starke hier durchgehen würde, ich glaube, er wäre auch zufrieden."
"Das ist eine Sicherheitstür und jetzt kommt das Sicherheitspersonal, um uns zu öffnen .... Guten Tag ..."
Die letzten Tage vor der großen Eröffnung sind angebrochen. Die Mitarbeiter der Presse- und Öffentlichkeitsabteilung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sind im Dauereinsatz. Hunderte von Presseanfragen sind zu bearbeiten, Fernseh- und Rundfunkstationen aus aller Welt wollen vorab schon einen Blick in das wiedererstandene kostbare Kleinod werfen, dessen Türen derzeit für die Öffentlichkeit noch fest verschlossen sind.
Nur wenige dürften bislang hinein, manche mussten in den vergangenen Monaten täglich hinein, so wie Oberkonservatorin, Jutta Kappel.
"Wir gehen jetzt durch die Schleuse. Das ist jetzt die so genannte Klima- und Reinigungs- und Sicherheitsschleuse. Jetzt sind wir also drin, jetzt schließt sich die hintere Tür, wir schauen ins Bernsteinkabinett, jetzt geht die Tür wieder auf, und der erste Raum ist also jetzt das Bernsteinkabinett."
Seit 18 Jahren arbeitet Jutta Kappel im Grünen Gewölbe in Dresden. Fast die Hälfte dieser Zeit hat sie mit den Vorbereitungen für die Wiedereinrichtung der ursprünglichen königlichen Schatzkammer Augusts des Starken an historischer Stelle im Dresdner Residenzschloss verbracht.
Sie weiß, dass der Wiederaufbau der Wettiner Schlossruine über Jahrzehnte immer wieder am seidenen Faden hing. Mitte der 80er Jahre begann schon zu DDR-Zeiten die konsequente Sicherung und teilweise der Wiederaufbau des Stadtschlosses, doch erst nach der Wende, als die Staatsregierung beschloss, das Projekt eines Museumsschlosses mit der nötigen finanziellen Ausstattung in die Tat umzusetzen, wurde die Vision Wirklichkeit. Rund 45 Millionen Euro hat sich der Freistaat die Wiederherstellung des Neuen und des Historischen Grünen Gewölbes kosten lassen. Die gesamte Rekonstruktion des Schlosses wird 330 Millionen Euro verschlingen.
Für Sachsens Regierungschef Georg Milbradt – gut angelegtes Geld – denn:
"Heute ist das Historische Grüne Gewölbe vollständig wieder hergestellt, 61 Jahre nachdem das Residenzschloss den Bomben zum Opfer gefallen ist. Damit wird ein Traum wahr, den mittlerweile drei Generationen von Dresdnern geträumt haben und den auch ich als damaliger Finanzminister und für den bau hier zunächst Zuständiger geträumt habe. Der Traum nämlich, das barocke Ensemble von Dresden vollständig wieder herzustellen."
Jutta Kappel ist angesichts des Erreichten überglücklich, für sie grenzt der Wiederaufbau und die Rückkehr des Gewölbes an den historischen Ort an ein Wunder:
"Also es ist in Worte eigentlich schwer zu fassen, es ist – ich bin ja gebürtige Dresdnerin – für mich ist es schon , wenn man das so sagen will, schon die Erfüllung eines Traums. Nicht nur beruflich sondern auch als Mensch ist das ungeheuer schön, dass man das Werden dieser Wiedereinrichtung über all die Jahre begleiten konnte – bin ja jetzt 18 Jahre in der Schatzkammer und das ist schon etwas ganz Besonderes und Schönes."
Das sagt auch Prof. Martin Roth, der Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Mit Stolz schaut er auf die Renaissance dieser Schatzkammer, die künftig in zwei Ausstellungen im Dresdner Schloss zu sehen sein wird.
"Es gibt keine Schatzkammer auf der ganzen Welt, die diesen Zustand erreicht hat, also sozusagen, eine Zeit um 1730 herübergerettet wurde in ihrer Authentizität, das heißt der Zusammenhang zwischen Sammlung und Aufstellung, der Erhalt der Objekte, das gibt es an keinem anderen Ort mehr, also hier ist Dresden vollkommen einzigartig in der ganzen Welt."
Nach der glanzvollen Eröffnung des so genannten Neuen Grünen Gewölbes, im September 2004 folgt nun die Krönung des Projekts mit der Fertigstellung der historischen Sammlung in den angestammten – im Krieg teilweise zerstörten und nun rekonstruierten zehn Sälen des königlichen Tresors – so, wie August der Starke ihn schon angelegt hatte. Der Kurfürst und spätere polnische König hatte mit Bedacht eine öffentliche Schau seiner Pretiosen arrangiert. Dirk Syndram, Direktor des Grünen Gewölbes, bezeichnet die Sammlung daher auch als Wahlkampfveranstaltung:
"Anfangs hat er wahrscheinlich nur einfach zeigen wollen, was er hatte, und das war ihm dann zu eng. Immer in sein kleines Kabinett die Leute hineinzulassen, das wurde dann etwas vergrößert, aber das Grüne Gewölbe, das Sie hier sehen, das so theatralisch Reichtum und Macht und Alter und Kunstreichtum und so etwas zeigt, das ist gemacht worden, damit August III. später wirklich August III. werden konnte. Also Friedrich August II. vom Churfürst von Sachsen sich um die Krone Polens bewerben konnte."
Auch für Dirk Syndram erfüllt sich nunmehr ein Traum. Am vergangenen Mittwoch hat er persönlich das letzte noch fehlende Stück in der Ausstellung – den Mohr mit der Smaragdstufe - in das Juwelenzimmer getragen und platziert:
"Oh, also es ist schon das Ende eines langen Weges, kann man schon sagen, also schon mein Vorgänger hat ja schon angefangen 1958 davon zu träumen, dass das Grüne Gewölbe wieder ins Schloss kommt, er hat wunderbare Vorarbeit geleistet, damit wir dann also auch in Spur gehen können, und nun eben nach diesen 48 Jahren sind wir soweit, und das ist ein wunderbares Gefühl."
In den vergangenen fünf Monaten dürften die restaurierten und rekonstruierten acht Säle wieder eingerichtet werden. Jeder hat seine eigene Charakteristik, sein individuelles Licht und sein eigenes Thema. Somit geriet jeder einzelne Saal zu einer besonderen Herausforderung für die Restauratoren, die Ausstellungsarchitektin, die Oberkonservatorin und den Direktor. Manches, was man sich vorher auf dem Papier ausgedacht hatte, wirkte an Ort und Stelle doch nicht so wie gedacht oder noch viel schöner.
Es sieht hier drinnen aus, wie bei Ali Baba zuhause, sagt Direktor Dirk Syndram und schmunzelt. Der Effekt hängt sicherlich auch mit der Art und Weise der Präsentation der Pretiosen zusammen. Die ist spektakulär und wohl auch einzigartig für eine Schatzkammer. Denn anders als in anderen Museen stehen viele der kunstvoll gearbeiteten Exponate frei auf Tischen und Wandkonsolen. Der Betrachter kann sich die kostbaren Kunstwerke quasi barrierefrei aus der Nähe ansehen, ohne störende Glaswände. Und dort, wo das Glas doch erforderlich ist, bemerkt man es kaum - so oft wurde es entspiegelt.
"Die Glaswände sind rausgefallen, nun haben wir nur noch diese Abspannung und damit natürlich auch die Möglichkeit hier im Grünen Gewölbe wie in einer Zeitreise etwas zu erleben, was August der Starke hier haben wollte.
Aber das heißt auch: maximal 100 Leute zeitgleich hier drin, also durch die Schleusen da draußen gehen, und die Schleusen nehmen wir sehr ernst, da geht es nicht nur um Sicherheit, sondern auch um Staub, Feuchtigkeit und vieles andere mehr. Das heißt, die Besucher müssen sich vorher anmelden, aber dafür haben sie dann auch die Zeit, sich in aller Ruhe darauf einzulassen, nur nichts einzustecken, das ist die Hauptsache."
An einem warmen und sonnigen Vormittag im Juni steht das Einrichten im prachtvollen Pretiosensaal mit seiner beeindruckenden Stuckdecke und unzähligen Spiegeln an den Wänden auf dem Tagesplan. Für den Direktor des Grünen Gewölbes ein besonders wichtiger Tag, an dem er unbedingt persönlich mit dabei sein möchte, wenn kleine und große Kunstwerke, die zum Teil über Jahrzehnte im Depot gelagert wurden, ihren neuen Platz in der Ausstellung erhalten:
"Genau das möchte ich haben, so ist es, also richtig so ein, so eine, ... so eine Pracht!"
"Gefällt es Ihnen?"
"Ja, hm, …"
Mit leuchtenden Augen steht Professor Dirk Syndram im Pretiosensaal des Dresdner Residenzschlosses. Die ersten Schmuckkonsolen vor den großen Spiegelwänden werden bestückt.
"Was wir hier einrichten – das Grüne Gewölbe – ist nicht das Grüne Gewölbe, das 1942 verlagert wurde, beziehungsweise 1938 also in seiner alten Funktion geschlossen wurde, sondern das ist das Grüne Gewölbe weitestgehend von 1733, also aus dem Todesjahr Augusts des Starken."
Eingerichtet werden die acht wieder hergerichteten, historischen Säle nun nach Inventarlisten aus genau dieser Zeit. Dennoch passt manches nicht auf Anhieb so zusammen, wie gewünscht. Reingard Albert, langjährige Ausstellungsarchitektin im Grünen Gewölbe hat ihre handgezeichneten Pläne mitgebracht, wonach nun die kostbaren Kleinode, Vasen, Pokale, Gemmen, Schalen und Schmuckkästchen auf geschnitzten und vergoldeten Konsolen an den Wänden platziert werden:
"Professor Syndram hat für die einzelnen Bögen die Stücke ausgesucht und auch schon eine Vorgabe gemacht, ich habe dann durch genaue Zeichnungen 1:10 ermittelt, ob es ein gutes Bild ergibt oder ob ein Stück bedrängt wird, durch die Üppigkeit der Konsolen und bin jetzt bei Einrichten dabei, um zu sehen, ob es auch wirklich so stimmt."
Jedes Stück trägt eine Nummer und wird samt neuem Standplatz akribisch registriert, damit man später auch noch weiß, wo es hingekommen ist. Mit weißen Handschuhen und äußerster Vorsicht gehen die Restauratoren zu Werke, beim Bestücken der Konsolen. Chefkonservatorin Jutta Kappel legt selbst Hand an und navigiert zwei Kollegen, die äußerst behutsam eine Leiter vor der Konsolwand platzieren:
"Es ist spannend, aufregend, es verzaubert einen auf sonderbare Weise, also wir haben ja eine ganz besondere Beziehung zu den Stücken, im Grünen Gewölbe bekommen sie einen ganz neuen Klang in den Räumen, auf den Wänden, also das ist das, was uns bei der vielen Arbeit unglaublich bewegt und mit Freude erfüllt, also, wie sie in den Räumen leben."
Jetzt, in der Phase der Komposition liegt die besondere Herausforderung in der perfekten Anordnung der Exponate. Manch eine Schale muss auf Geheiß des Direktors noch etwas gedreht oder gar umgesetzt werden, das Gesamtbild soll harmonisch sein. Für die, die die wertvollen Stücke umsetzen müssen, ist diese Phase besonders kritisch. Restauratorin Eva Begov arbeitet auf der Leiter. Für das kurze Interview sucht sie sich lieber festen Boden unter den Füßen. Ihre ständige Sorge:
"Na, das einem mal was aus der Hand rutscht, beim Übergeben, wenn man da auf der Leiter steht, das ist doch ziemlich hoch, und wenn man da,.... vier mal wird so ein Stück übergeben, und bei 3000 Stücken, das man da mal daneben langt, die Angst ist einfach immer da!"
Die Exponate müssen einen sicheren Stand haben, dürfen nicht rutschen und werden mit speziellen, extra gefertigten Fixierungen an den Konsolen befestigt. Eine kniffelige Angelegenheit:
"Also im Pretiosensaal da haben wir schon gezittert. Hier sind ja die Konsolen ganz oben gar nicht belegt, aber im Pretiosensaal, Sie sehen es ja, geht es ganz hoch, und da ganz oben zu bohren, ... man muss sich ja recken, weil in die Ecken nicht reinkommt, man kommt auch mit der Leiter nicht rein und anlehnen kann man ja nichts, man muss sich also ziemlich weit rüberbeugen, und da war es schon ziemlich heikel, aber hier geht’s, ... und man gewöhnt sich dran."
Doch bis alles endgültig befestigt werden konnte, wurden die Wände erst einmal fertig bestückt, katalogisiert, dann fotografiert, wieder abgeräumt und erst danach ging in die Endphase des Einrichtens.
Das 1723 bis 1729 eingerichtete Grüne Gewölbe gilt als eine der reichsten Schatzkammern Europas. Ihren Namen verdankt die Sammlung den malachitgrünen Abfärbungen einzelner Bauteile im Pretiosensaal des Dresdner Schlosses, die heute hinter verspiegelten Säulen verborgen sind. Neben dem Juwelenzimmer galt der prachtvolle Pretiosensaal schon zu Zeiten Augusts des Starken als wichtiges Werbemittel im Ringen um den polnischen Thron. Dirk Syndram:
"Hier konnte jeder sehen, wie das Konto des Kurfürsten ausgestattet war."
Die Nachfahren des Kurfürsten begleiten den Wiederaufbau ihres alten Schlosses und die kunstvolle Neugestaltung des Grünen Gewölbes positiv. Einer von Ihnen ist Alexander Prinz von Sachsen. Er freut sich über das Wiedererstehen der alten Wettiner-Residenz:
"Man freut sich und man ist sogar dankbar dafür, dass es so herausragend gemacht wurde, und man kann das vergleichen mit dem Aufbau damals zu Zeiten Augusts des Starken."
Der Prinz hat schon jetzt ein Lieblingsstück in der neuen Ausstellung:
"Es ist eigentlich ein eher unbedeutendes Stück, es ist die Kinderrassel von meinem Urgroßvater, von Friedrich-August III."
Besonders gehütet werden die Juwelen August des Starken. Sie haben einen unschätzbaren Wert und befinden sich daher weiterhin sicher hinter Glas, im Juwelenzimmer. Dirk Syndram:
"Die Juwelen waren unmittelbarer Ausdruck der Macht, es gibt also einen Herrn Julius von Rohr, der auch beschrieben hat, wie ein hoher Fürst sich eigentlich geben sollte, und der schreibt, man kann es nicht besser dem Volke präsentieren als mit golddurchwirkten oder samtenen Gewand, das vollständig mit Diamantknöpfen und Juwelengarnituren bedeckt sind, die Millionen Taler kosten."
Vorbild für August den Starken war gerade in dieser Frage der französische Hof in Versailles. Dort soll – so wird kolportiert - Ludwig XIV im Alter von Juwelen gebeugt durch sein Schloss gewandelt sein. So weit kam es in Sachsen nie. Dort ging man auch nicht mit der Mode, wenn es darum ging, aus Juwelen Geld zu machen:
"Das war so die beste Möglichkeit eine Staatsanleihe aufzunehmen, also in Amsterdam und Hamburg usw. also wenn sie diese Brilliantgarnitur haben, die kriegt man also auch noch mit zwei Pferden nach Amsterdam geschafft. 200.000 Taler, die sie hier gesehen haben, für den sächsischen Weißen, das waren damals zwei Tonnen Gold."
Auf diese Art und Weise gingen europaweit zahllose kostbare Juwelengarnituren verloren, nur in Sachsen sind heute gleich mehrere noch komplett erhalten und zu bestaunen.
"Sie sehen, woran er sich berauscht hat, was er schön fand."
Ab dem 15. September wird das Historische Grüne Gewölbe für die Öffentlichkeit zu sehen sein. Der Zugang erfolgt über so genannte Zeitkarten, die größtenteils im Internet gebucht werden können.
Wer die Schleuse am Eingang zur historischen Schatzkammer betritt, begibt sich auf eine Reise durch die Blütezeit Sachsens. Weitgehend authentisch, und wie Oberkonservatorin Ruth Kappel meint:
"Wenn August der Starke hier durchgehen würde, ich glaube, er wäre auch zufrieden."