"Boyhood" räumt ab
Das Drama "Boyhood" ist der große Gewinner bei den diesjährigen Golden Globes. Was das für die Oscar-Verleihung bedeutet, erklärt unser Filmkritiker Patrick Wellinski. Und auch daneben hielt der Abend einige Überraschungen bereit.
"Boyhood" wurde über zwölf Jahre gedreht und erzählt die Geschichte einer Kindheit und Jugend. Der Film gewann in Los Angeles nicht nur den Globe als bestes Filmdrama, auch sein Regisseur Richard Linklater durfte eine Trophäe mit nach Hause nehmen.
Die von rund 90 in Hollywood lebenden ausländischen Filmjournalisten vergebenen Globe-Trophäen gelten als eines von mehreren Barometern für den wichtigsten Filmpreis der Welt, den Oscar. Deren Nominierungen werden an diesem Donnerstag bekanntgegeben.
Unser Filmkritiker Patrick Wellinski relativiert den Ruf der Globes allerdings. Die Preise seien längst nicht mehr so hoch angesehen wie sie es früher einmal waren, meint er. Und auch ihre Bedeutung als Oskar-Orakel schwindet damit: Hier hätten die Film-Preise, die von den Gewerkschaften vergeben werden, deutlich mehr Bedeutung, so Wellinski.
Leiden tun die Globes seiner Ansicht nach unter der Zusammensetzung der Jury: Hier seien 90 "seltsame Gestalten" am Werk. Längst nicht alle Mitglieder der "Hollywood Foreign Press Association" seien auch tatsächlich Journalisten, manche offenbar nur mit Schauspielern bekannt, wie sie mit Bildern auf ihren Webseiten zeigten. Das seien "Fanboys and -girls", die es irgendwie geschafft hätten, sich ein Renommee aufzubauen. Wellinski ist das "suspekt".
"Boyhood": Ein wagemutiges Projekt mit viel Risiko
"Boyhood" auszuzeichnen ist für ihn dennoch die richtige Entscheidung – der Film sei ein wagemutiges Projekt mit viel Risiko, das man heute in Hollywood weitgehend scheue. Wenn der Streifen jetzt auch noch den Oskar gewinnen wolle, müsse er kräftig die Werbetrommel rühren, so Wellinski. Der Film "Birdman" werde wohl der stärkste Konkurrent werden.
Als beste Komödie gewann Wes Andersons "The Grand Budapest Hotel" einen Globe. Bei den Schauspielern wurden in der Drama-Kategorie Eddie Redmayne für seine Rolle als Physiker Stephen Hawking in "Die Theorie der Unendlichkeit" und Julianne Moore als Alzheimer-Kranke in "Still Alice" ausgezeichnet.
Die beiden Darsteller-Preise im Bereich Komödie/Musical gingen an Michael Keaton als alternder Hollywood-Star in "Birdman" und Amy Adams in Tim Burtons Kunstfälscher-Werk "Big Eyes". Der für diesen Film ebenfalls nominierte Christoph Waltz ging – ausnahmsweise – einmal leer aus.
Amazon holt den ersten eigenen Globe seiner Firmengeschichte
Bester ausländischer Film wurde überraschend nicht das polnische Nonnendrama "Ida", sondern der russische Beitrag "Leviathan", der vom Leben in einem einsamen Dorf erzählt. Den Globe für den besten Nebendarsteller räumte J.K. Simmons als aggressiver Musiklehrer in "Whiplash" ab. Als bester Animationsfilm wurde "Drachenzähmen leicht gemacht 2" geehrt.
Die Globes werden nicht nur für die besten Filme, sondern auch in der Kategorie Fernsehen vergeben. Dort gewann die Ehe-Geschichte "The Affair" den Preis als beste Dramaserie. Beste Comedyserie wurde die von Amazon produzierte Transsexuellen-Geschichte "Transparent".
Deren Hauptdarsteller Jeffrey Tambor gewann einen Globe als bester Schauspieler in einer Comedyserie. Den Preis für die beste Hauptdarstellerin in dieser Kategorie ging an Gina Rodriguez ("Jane the Virgin"). Beste Hauptdarsteller in Dramaserien wurden Kevin Spacey ("House of Cards") und Ruth Wilson ("The Affair").