Das kann man leicht erklären: Fußball ist immer ein Großstadtphänomen gewesen, während der Handball weitgehend von den Turnvereinen getragen wurde – und die waren immer sehr stark auf dem Land: TV Großwallstadt, VfL Gummersbach, eigentlich ein Turnverein, 1861 gegründet, selbst der THW Kiel ist ja ein Turnverein. So ist es zu erklären, dass der Handball heute immer noch auf dem Land sehr breit verwurzelt ist.
Neues Handball-Buch
In dem Buch geht es auch um die Rolle der Handballnationalmannschschaft (hier der Spieler Timo Kastening im Länderspiel gegen Ägypten). © Imago / Noah Wedel
Sternstunden und Skandale
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"Das Goldene Buch des deutschen Handballs“ zeigt die Geschichte des zweitpopulärsten deutschen Mannschaftssports. Autor Erik Eggers porträtiert dabei auch die wichtigsten Klubs, Spieler und Turniere. Ebenso geht er auf den Handball in der DDR ein.
"Auf dem Cover ist Joachim Deckarm, der die führende Figur bei dem großen WM-Sieg 1978 in Kopenhagen gegen die Sowjetunion war, wahrscheinlich der beste Handballer der Welt damals – und heute immer noch eine der populärsten Figuren im deutschen Handball", sagt Erik Eggers, 55 Jahre alt, der „Das goldene Buch des deutschen Handballs“ verfasst hat.
Joachim Deckarm ist auf dem Cover auf goldenem Grund in grau zu sehen - den Ball in der rechten Hand, ein als Zeitlupe stilisierter Sprungwurf.
Deckarm verunglückte bei einem Handballspiel
Am 30. März 1979 verunglückte Deckarm, demnächst 70 Jahre alt, in der 23. Spielminute des Halbfinalrückspiels seines VfL Gummersbach in Tatabánya, Ungarn, schwer. Er stieß bei einem Tempogegenstoß mit seinem Gegenspieler unglücklich zusammen und fiel zu Boden.
Schädelbasisbruch, Gehirnquetschungen – ein Arzt war nicht zugegen. Der behandelnde Arzt in Budapest gab Deckarms Überlebenschancen mit "50:50" an.
Mitspieler dachten über Karriereende nach
131 Tage Koma, dann, bis heute, im Rollstuhl. Ein paar seiner Gummersbacher Mitspieler erwägten damals daraufhin, mit dem Handball aufzuhören. Wer also gehörte beim "Goldenen Buch des Handballs" auf den Titel, wenn nicht er.
Erik Eggers sagt: "Auf die Idee kommt man natürlich, wenn man seit 20 oder 25 Jahren in dem Job arbeitet. Ich habe in dieser Zeit immer auch Historien geschrieben, also mich mit der Geschichte des Sports auseinandergesetzt. Das war in diesem Fall vor allen Dingen die Geschichte des DDR-Handballs und auch die Geschichte des Frauenhandballs, der ja in der öffentlichen Aufmerksamkeit in Deutschland immer ein bisschen zu kurz kommt."
Handball wurde als Frauenspiel erfunden
Eggers, der Historiker, erzählt, wie der Handball, der 1917 als Frauenspiel erfunden worden war, innerhalb weniger Jahre populär wurde und sich dann zum "deutschen Spiel" emporschwang.
Die große Feldhandball-Ära in den 1950er-Jahren, der Aufstieg des Hallenhandballs, die Gründung der Bundesliga 1966, die folgende Professionalisierung, politische Zäsuren, Skandale und Entwicklungen bei Schiedsrichtern.
Höhere Aufmerksamkeit durch neuen TV-Vertrag
Dass Handball zurzeit solch eine abenteuerliche Aufmerksamkeit erlebt, liegt auch am neuen Fernsehvertrag, sagt Erik Eggers: "Dieser TV-Partner der deutschen Handball-Bundesliga ist im Prinzip der Axel-Springer-Verlag, Axel-Springer S.E., – und dadurch haben wir einen größeren Fokus in den Boulevardmedien. Das macht sich natürlich in der Berichterstattung bemerkbar."
Handball als Sportart kleinerer Gemeinden
Handball als Sportart kleinerer Gemeinden und sonst dahin schlafender Dörfer. Gummersbach werden Sie kennen, vom Hörensagen, und von den Duellen mit dem SC Magdeburg, damals noch zu DDR-Zeiten. Auf politisch aufgeladenem Parkett.
Magdeburg ist wieder oben, Champions-League-Sieger 2023, Seelenbalsam für die Handballstadt im Osten. Andere im Westen haben sich aus der ersten oder zweiten Reihe verabschiedet: Leutershausen, Großwallstadt, Dankersen, Wellinghofen – handballverrückte Provinz.
Eggers war selbst Handballspieler
Eggers hat selbst Handball gespielt, als Amateur, beim SV Hollingstedt: "Ich bin in einen Handballverein bei mir im Dorf in der Woche nach dem großen WM-Triumph 1978 eingetreten, weil mich diese Schwarz-Weiß-Bilder damals aus Kopenhagen, Heiner Brand, Kurt Klühspies, Joachim Deckarm und natürlich der berühmte Torwart Manfred Hofmann so fasziniert haben."
Apropos Bilder: "Das Goldene Buch des deutschen Handballs" quillt davon über. "Ich hatte das Glück, dass ich einen Fotonachlass von einem sehr renommierten Fotografen erwerben konnte, der in den 50er- und 60er-Jahren sehr viel fotografiert hat. Und das andere Material sind dann Sachen, die man aus Fotoalben erwerben kann – oder aus alten Tagebüchern", erzählt Eggers.
Und zudem war da, Eggers kommt aus Norddeutschland, das Stadtarchiv Kiel mit seinem, wie er sagt, fantastischen Material: "Da sind auch einige Fotos abgebildet – vom THW Kiel, aber auch von Nationalmannschaften."
Eine ganze Menge Welt im Handball
Ein großartiges Goldenes Buch über den Handball und über mehr. Über die Gesellschaft diesseits und jenseits der Mauer des geteilten und vereinigten Deutschlands oder, wie Ror Wolf, Schriftsteller und Literaturredakteur des Hessischen Rundfunks sagte:
"Die Welt ist zwar kein Handball, aber im Handball findet sich eine ganze Menge Welt."
Erik Eggers: „Das Goldene Buch des deutschen Handballs“
Verlag Eriks Buchregal
376 Seiten, 44,90 Euro