Frankfurter Museum Angewandte Kunst

Raub und Restitution der Sammlung Goldschmidt-Rothschild

11:10 Minuten
Kuratorin Katharina Weiler steht in der Ausstellung "Die Sammlung Maximilian von Goldschmidt-Rothschilds" neben einem Foto, das Maximilian von Goldschmidt-Rothschild zeigt.
Nach umfangreichen Recherchen der Provenienzforscherin Katharina Weiler widmet sich das Museum Angewandte Kunst dem Sammler Maximilian von Goldschmidt-Rothschild. © picture alliance / dpa / Jörg Halisch
Matthias Wagner K im Gespräch mit Britta Bürger  · 29.01.2023
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Der jüdische Bankier Maximilian von Goldschmidt-Rothschild war ein wichtiger Kunstsammler. 1938 wurde er zum Verkauf gezwungen. Was danach geschah, zeigt das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main nun in einer Ausstellung.
Der jüdische Bankier Maximilian von Goldschmidt-Rothschild (1843-1940) galt zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs als viertreichster Mann des Landes. Er hatte seine mehr als 1.500 Objekte umfassende Kunstsammlung gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgebaut. In seinem Frankfurter Palais lebte der leidenschaftliche Sammler inmitten seiner kostbaren Werke, darunter Teppiche, Möbel, Porzellan, Bilder und Skulpturen.
Aus der Rothschild-Sammlung: Hippocamp als Trinkgefäß, Silber vergoldet um 1590–1600
Maximilian von Goldschmidt-Rothschild sammelte unter anderem Trinkgefäße in Tierform, aber auch kostbare Bilder, Möbel, Teppiche und Skulpturen. © Los Angeles County Museum of Art
Die Nationalsozialisten zwangen den damals über 90-Jährigen in der Reichspogromnacht 1938, sein Haus und seine Sammlung vollkommen unter Wert zu verkaufen. Der damalige nationalsozialistische Oberbürgermeister Friedrich Krebs habe Goldschmidt-Rothschild ein Angebot gemacht, schildert der Kurator Matthias Wagner K. die damalige Enteignung des Bankiers. "Der Kaufvertrag wurde aufgesetzt und dann fängt die Geschichte eigentlich erst an."
Goldschmidt-Rothschilds Palais wurde zum Museum für Kunsthandwerk II erklärt und die Sammlung zwischen Frankfurter Museen aufgeteilt. "Die kunsthandwerklichen Objekte aus der Sammlung wurden dem Museum für Kunsthandwerk zugesprochen, das waren etwa 1350, die Malereien gingen an das Städel und die Skulpturen an das Liebighaus", so der Kurator.

Rückgabe von Teilen der Sammlung 1945

Der ehemalige Privatsekretär des Bankiers, Hans Bräutigam, habe sich bereits 1945 im Auftrag der Erben an die Stadt gewandt und um Rückgabe der Sammlung gebeten, so Wagner K. "Die Stadt, auch die Museumsdirektoren, haben sich anfänglich dagegen verwehrt." Sie hätten das in Umkehrung der Tatsachen so begründet, dass die Sammlung angeblich zu deren "Schutz" gekauft worden sei. Sie sei auf diese Weise gerettet worden, wurde behauptet.
Erst 1949 sei es dann zu einer Einigung mit den Erben gekommen. So sei der Großteil der Sammlung zurückgegeben worden, bis auf die Objekte, die als verschollen galten. In den USA seien die Objekte dann bei Kunstauktionen versteigert und in zahlreichen Museen und Privatsammlungen weltweit verteilt worden, sagt der Kurator. Seither habe die Sammlung als solche nicht mehr existiert.

Umfangreiche Provenienzforschung

Nun widmet sich das Museum Angewandte Kunst als erstes Museum in der Ausstellung "Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild" dieser Geschichte des jüdischen Privatsammlers und Mäzen sowie dessen einstiger Kunstsammlung. Seit 2016 seien die Bestände des Hauses durchforstet worden, sagt Wagner K, der die Ausstellung zusammen mit der Provenienzforscherin Katharina Weiler kuratiert hat.
Eine Hand hält einen Auszug aus der Inventarliste der Sammlung Goldschmidt-Rothschild.
Mit der Hilfe von Inventarlisten und anderen Informationen wurde es möglich, auch verschollene Kunstobjekte wieder zu identifizieren. © picture alliance / dpa / Jörg Halisch
"Wir stießen dabei permanent auf den Namen Maximilian von Goldschmidt-Rothschild, weil er mit diesem Haus sehr verbunden war." Er sei Mitglied im Mitteldeutschen Kunstgewerbeverein gewesen, der das Museum 1879 gegründet hatte und habe das Haus unterstützt. Rothschild habe dem Museum damals auch einige Sammlungsstücke geschenkt.
Etwa 18 Werke aus der Sammlung, vor allem Teppiche seien rechtmäßig an das Haus gelangt, so Wagner K. 1949 habe die Stadt die Möglichkeit gehabt, einige der zu restituierenden Werke aus der Sammlung anzukaufen. Andererseits habe es damals einen Eintrag gegeben, dass 53 der Objekte als verschollen galten. Sie seien nun identifiziert worden.

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Es habe sich um eine sehr vielschichtige Sammlung gehandelt, mit der Goldschmidt-Rothschild gelebt habe, würdigt Wagner K die Kollektion. "Sie beginnt im 12. und 13. Jahrhundert, als er sehr bedeutende Kirchenschätze gesammelt hat." Der Bankier habe aber auch französische, flämische und niederländische Malerei besessen, ausgesuchte Möbel des Barock und Rokoko sowie wertvolles Porzellan.

Bedeutung der Sammlung und ihrer "Leerstellen"

Es sei zwar nicht die erste Ausstellung, die sich im Museum Angewandte Kunst mit NS-Raubkunst beschäftige, sagt der Kurator. "Aber es ist die spektakulärste und auch der größte Fall." Deshalb stelle sich die Frage nach der Haltung, aber auch, was eine Sammlung bedeute.
"Was wir auch gelernt haben, ist, dass sich die Haltung gegenüber den Objekten einer Sammlung entschieden verändern muss", so Wagner K. "Dass es eben nicht nur um das einzelne Objekt geht, sondern auch um die Bedeutung dahinter, um die Geschichte, um die Biografie derer, die einst gesammelt haben."
Heutzutage sei auch wichtig, dass die Leerstellen, die durch die Restituierung entstünden, ebenfalls sammlungswürdig seien. Sie könnten mit den Geschichten angefüllt werden und von dem Verlust erzählen.
Im April 2023 erscheint ein Katalog zur Ausstellung, in dem alle Objekte der Sammlung gezeigt werden. "Aber wir können nicht von allen sagen, wo sie sich tatsächlich befinden", so Wagner K.
(gem)

Die Ausstellung "Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild" wird bis zum 4. Juni 2023 im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main gezeigt.

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