Google-Ausstellung "Musik, Macher und Maschinen"

Lehrreiche Mammut-Schau über elektronische Musik

07:17 Minuten
Menschen, die im Club tanzen und ihre Hände in die Höhe werfen; die Szene ist in blaues Laserlicht getaucht.
Die Techno-Clubs sind zu. Unterdessen zeigt eine Ausstellung im Internet, wie die elektronische Musik entstanden ist und welche kulturelle und politische Bedeutung sie hat. © picture alliance / Photoshot
Laura Aha im Gespräch mit Vivian Perkovic |
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In Bild- und Tondokumenten geht es durch die Geschichte der elektronischen Musik: Die Google-Schau "Musik, Macher und Maschinen" zeigt, dass das Netz mit "echten" Museen konkurrieren kann. Und dass Clubkultur ein Kulturgut ist, das es zu bewahren gilt.
Vivian Perkovic: Clubkultur ist den letzten Monaten pandemiebedingt weitestgehend unsichtbar geworden – zumindest in der echten Welt. Wir haben uns daran gewöhnt, dass DJs ihre Sets aus leeren Clubs oder ihren Wohnzimmern streamen.
Nun hat das erste digitale Museum eröffnet, das sich ganz der elektronischen Musik widmet. Und zwar auf der digitalen Kunstplattform "Google Arts & Culture". Klären wir zunächst mal: Was "Google Arts & Culture"?

Mit virtuellen Museumsrundgängen fing es an

Laura Aha: "Google Arts & Culture" ist eine digitale Plattform, die der Konzern Google vor zehn Jahren gestartet hat. Das fing damit an, dass er virtuelle Rundgänge durch Museen erstellt hat, wie man das vielleicht von Google Streetview kennt. Dazu wurden hochauflösende Fotos von Kunstwerken erstellt und diese dann digital verfügbar gemacht.
Wenn sich Google damit als "Kulturplattform" positioniert, muss man das natürlich immer ein bisschen kritisch sehen, weil es dabei sicherlich auch um Imagepflege für den Konzern geht.
Perkovic: Unter dem Motto "Musik, Macher und Maschinen" kann man über 200 verschiedene Ausstellungen besuchen. Wie muss man sich das genau vorstellen?
Aha: Auf den ersten Blick ist das Angebot vor allem erst mal ziemlich überfordernd, weil es eine unfassbare große Menge an Dingen gibt, die man sich anschauen kann.
Google Arts & Culture hat mit mehr als 50 Partnerorganisationen aus 15 Ländern zusammengearbeitet. Da sind Archive wie die Black Cultural Archives aus London dabei, Museen wie das Chicago History Museum, aber auch Festivals wie das Amsterdam Dance Event oder Kultureinrichtungen aus Südkorea oder Musiklabels von Paris bis Jogyakarta.
Es ist eine bunte Mischung aus Perspektiven und Themen, durch die man sich durchklicken kann.

Historisches Bild- und Tonmaterial

Perkovic: Das klingt definitiv sehr umfassend. Zugleich birgt die Fülle eventuell die Gefahr der Beliebigkeit. Wie entgeht die Ausstellung dem?
Aha: Der Untertitel der Ausstellungen lautet "Eine kurze Geschichte der elektronischen Musik", also der Fokus liegt klar auf einer Geschichtsschreibung der elektronischen Musik. Die beginnt hier Ende des 19. Jahrhunderts mit der Erfindung des Telharmoniums, dem ersten Synthesizer der Welt, der damals noch 200 Tonnen wog.
Wie im "richtigen Museum" zeichnet die Ausstellung die Entwicklung der elektronischen Instrumente vom Theremin über den Drumcomputer bis zum Sampler ganz klassisch mit historischem Bild- und Tonmaterial nach.
Sie ist aber auch interaktiv: Man kann 360-Grad-Studiotouren machen oder über eine Augmented-Reality-App die Instrumente selbst spielen und ausprobieren. Außerdem kann man durch die direkte Videoeinbindung viele der Tracks anhören, die die jeweiligen Synthesizer so ikonisch gemacht haben.
Perkovic: Also die Geschichte der elektronischen Musik als Technikgeschichte, wenn ich das richtig verstehe. Ist denn die Ausstellung auch für diejenigen interessant, die keine Technik-Nerds sind?
Aha: Ja, absolut. Das Schöne an der digitalen Ausstellung ist, dass es im Gegensatz zum physischen Museum keine vorgeschriebene Laufrichtung gibt. Deshalb wird man auf der Startseite auch direkt gefragt, welche Art Musik-Fan man ist, ist man Technik-Nerd oder Clubgänger oder Clubgängerin? Will man einfach nur neue Musik entdecken, oder ist man ganz neu im Thema? Je nach Kenntnisstand und Interesse bekommt man dann die passenden Inhalte ausgespielt.

Ausstellung über Musik in Computerspielen

Perkovic: Haben Sie denn mal ein Highlight für uns, das man sich unbedingt ansehen sollte?
Aha: Es gibt ein 3D-Modell der Club-Tür des Tresors, eine ziemlich cool Idee. Die Ausstellung über Musik in Computerspielen ist auch sehr interessant, weil man das als musikalischen Einfluss ja oft gar nicht auf dem Schirm hat.
Was mir außerdem gefallen hat: Dass es neben der Musik sehr viel um die politischen Hintergründe elektronischer Tanzmusik geht. Zum Beispiel wird Techno als Geschichte der Schwarzen Arbeiter- und Arbeiterinnenklasse im Kontext der Black-Lives-Matter-Bewegung erzählt.
Es geht um queere Communities von Tiflis bis Tel Aviv, aber auch um den Ausverkauf der Underground-Kultur als Massenphänomen.
Außerdem wird der Versuch unternommen, einige weibliche Pionierinnen aus den verschiedensten Genres in den Blick zu nehmen.
Perkovic: Was ist Ihr Fazit?
Aha: In der aktuellen Situation fühlen sich die Fotos von verschwitzten Menschenmengen in Clubs, die man auch sehen kann, fast wie Kulturphänomen aus einer längst vergessenen Zeit an. So gesehen kommt die Ausstellung zur richtigen Zeit. Um nämlich daran zu erinnern, wie wichtig Clubkultur als gesamtgesellschaftliches Phänomen ist und dass es dieses auch über die Pandemie hinweg zu bewahren gilt. Dafür ist die Ausstellung ein perfektes Zeitdokument.

Die Ausstellung ist ab sofort digital auf der Plattform "Google Arts & Culture" kostenlos zugänglich.