Googles Helfer
Ein Berliner Internet-Berater hat vor Kurzem im Netz eine bemerkenswerte Kampagne gestartet: Wenn in Deutschland Googles virtuelle Straßenpanorama-Ansicht "Street View" online geht, sollen die Internetnutzer auf die Straße gehen.
Im Moment hat Google wegen des Streits um die versehentliche Erfassung von Funknetzdaten bei dem Projekt zwar die Aufnahme-Fahrten gestoppt. Aber da ja ohnehin bereits fast alle deutschen Städte vollständig abfotografiert worden sind, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Aufnahmen aus Deutschland ins Netz gestellt werden.
Die Kampagne zielt aber nicht darauf ab, dass Internetnutzer gegen die Fotosammlung des Suchmaschinenriesen protestieren. Sie sollen auf die Straße gehen, weil das Panorama nicht komplett ist. Sie sind aufgerufen, alle die Häuser zu knipsen, die in Street View nicht zu sehen sein werden, weil ihre Besitzer gegen die Erfassung Einspruch erhoben haben.
Wenn man nach dem Sinn der Aktion fragt, bemerkt man, dass hier Idealisten am Werk sind. Es geht ihnen nicht um Google, sondern um grundsätzliche Rechte. Sie befürchten, dass im Zuge der Diskussionen um das Projekt Street View und um eine lex google, wie sie nun in der Politik diskutiert wird, etwas Grundlegendes in Gefahr ist: Das Recht, von jedem öffentlichen Ort aus zu fotografieren, was man möchte – egal, was jemand anderes davon hält.
Ganz unbegründet ist ihre Sorge nicht. Die Diskussionen rund um Street View sind oft von billigem Populismus geprägt. Auf diese und andere Google-Projekte einzudreschen, ist auch ohne tiefere Kenntnis der Materie möglich, kostet nichts und bringt Applaus. Vor allem Politiker, etwa die Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, erliegen häufiger dieser Versuchung. Und bei den Gesetzesvorhaben, die in den letzten Jahren vorgelegt wurden, paarte sich oft technische Unkenntnis mit Überwachungsgelüsten. Ein gewisses Misstrauen der Netzgemeinde ist also durchaus angebracht, wenn die Politik bei Netzthemen aktiv wird.
Möglichen Zensoren von Street View und anderen Fotosammlungen mit eigenen Aufnahmen von vorneherein den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist da ein Projekt so recht nach dem Geschmack von vielen Internetnutzern. Die Aktion ist nicht nur ein Kampf für die Freiheit des Bildes, sondern auch ein lauter Protestschrei gegenüber einer Politik, die reflexartig und maßlos auf die Herausforderungen der Digitalisierung und Vernetzung reagiert, wo eine differenzierte Diskussion notwendig wäre. Die Fotorebellen wollen die Provokation, weil sie sich durch die ignorante Haltung der Politik provoziert fühlen.
Gefährlich wird es allerdings immer dann, wenn Menschen, die absolut von einer Sache überzeugt sind, bei ihrem Wunsch, für das Richtige zu streiten, aus einem Gefühl der Ohnmacht heraus das Falsche tun. Was die Fotorebellen vorhaben, ist eine Zumutung. Zum einen tun sie so, als dürften nur sie definieren, welche Haltung zu Internet und Digitalisierung die richtige ist. Sie ignorieren die Wünsche jener Menschen, die klar und deutlich gemacht haben, dass sie in Ruhe gelassen und mit ihren Häuserfronten nicht Teil einer gigantischen, digitalen Weltansicht werden wollen.
Schlimmer noch ist, dass die Fotorebellen zum anderen mit ihrer Drohung, alle in Street View fehlenden Häuser abzulichten, Dritte instrumentalisieren. An die ignoranten Politiker kommen sie nicht heran. Also geraten die Hausbesitzer, die nicht mitspielen wollen, ins Visier. Die Fotorebellen riskieren, dass sich das Netz durch ihre Bildersammlung in einen digitalen Pranger verwandelt. Leicht könnten die Fassadenansichten um Informationen ergänzt werden, etwa: "Hier wohnt ein Internet-Hasser. Name und Anschrift anbei." Das Ziel der Fotoaktion ist das nicht, aber als Kollateralschaden wird es in Kauf genommen.
Das ist nicht hinzunehmen, selbst wenn es um die Freiheit der Bilder geht. Wenn die Fotorebellen an einer konstruktiven Diskussion über die Chancen und Risiken der Digitalisierung ernsthaft Interesse haben, wäre es das Beste, die Aktion abzusagen – und zu hoffen, dass die Dialogpartner auf der anderen Seite ebenfalls dazu lernen. Denn der ignorante Populismus der Politik ist in der Diskussion um Privatsphäre und die digitale Vernetzung ebenso unangebracht.
Lars Reppesgaard, Jahrgang 1969, ist freier Wirtschaftsjournalist und Autor des 2008 erschienen Buches "Das Google-Imperium". Nach dem Studium arbeitete er vier Jahre lang als Reporter und Moderator beim Hörfunk von Radio Bremen. Seit dem Jahr 2000 lebt er in Hamburg und schreibt für Wirtschaftsmedien wie das "Handelsblatt", die "Financial Times Deutschland" oder die "Wirtschaftswoche".
Die Kampagne zielt aber nicht darauf ab, dass Internetnutzer gegen die Fotosammlung des Suchmaschinenriesen protestieren. Sie sollen auf die Straße gehen, weil das Panorama nicht komplett ist. Sie sind aufgerufen, alle die Häuser zu knipsen, die in Street View nicht zu sehen sein werden, weil ihre Besitzer gegen die Erfassung Einspruch erhoben haben.
Wenn man nach dem Sinn der Aktion fragt, bemerkt man, dass hier Idealisten am Werk sind. Es geht ihnen nicht um Google, sondern um grundsätzliche Rechte. Sie befürchten, dass im Zuge der Diskussionen um das Projekt Street View und um eine lex google, wie sie nun in der Politik diskutiert wird, etwas Grundlegendes in Gefahr ist: Das Recht, von jedem öffentlichen Ort aus zu fotografieren, was man möchte – egal, was jemand anderes davon hält.
Ganz unbegründet ist ihre Sorge nicht. Die Diskussionen rund um Street View sind oft von billigem Populismus geprägt. Auf diese und andere Google-Projekte einzudreschen, ist auch ohne tiefere Kenntnis der Materie möglich, kostet nichts und bringt Applaus. Vor allem Politiker, etwa die Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, erliegen häufiger dieser Versuchung. Und bei den Gesetzesvorhaben, die in den letzten Jahren vorgelegt wurden, paarte sich oft technische Unkenntnis mit Überwachungsgelüsten. Ein gewisses Misstrauen der Netzgemeinde ist also durchaus angebracht, wenn die Politik bei Netzthemen aktiv wird.
Möglichen Zensoren von Street View und anderen Fotosammlungen mit eigenen Aufnahmen von vorneherein den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist da ein Projekt so recht nach dem Geschmack von vielen Internetnutzern. Die Aktion ist nicht nur ein Kampf für die Freiheit des Bildes, sondern auch ein lauter Protestschrei gegenüber einer Politik, die reflexartig und maßlos auf die Herausforderungen der Digitalisierung und Vernetzung reagiert, wo eine differenzierte Diskussion notwendig wäre. Die Fotorebellen wollen die Provokation, weil sie sich durch die ignorante Haltung der Politik provoziert fühlen.
Gefährlich wird es allerdings immer dann, wenn Menschen, die absolut von einer Sache überzeugt sind, bei ihrem Wunsch, für das Richtige zu streiten, aus einem Gefühl der Ohnmacht heraus das Falsche tun. Was die Fotorebellen vorhaben, ist eine Zumutung. Zum einen tun sie so, als dürften nur sie definieren, welche Haltung zu Internet und Digitalisierung die richtige ist. Sie ignorieren die Wünsche jener Menschen, die klar und deutlich gemacht haben, dass sie in Ruhe gelassen und mit ihren Häuserfronten nicht Teil einer gigantischen, digitalen Weltansicht werden wollen.
Schlimmer noch ist, dass die Fotorebellen zum anderen mit ihrer Drohung, alle in Street View fehlenden Häuser abzulichten, Dritte instrumentalisieren. An die ignoranten Politiker kommen sie nicht heran. Also geraten die Hausbesitzer, die nicht mitspielen wollen, ins Visier. Die Fotorebellen riskieren, dass sich das Netz durch ihre Bildersammlung in einen digitalen Pranger verwandelt. Leicht könnten die Fassadenansichten um Informationen ergänzt werden, etwa: "Hier wohnt ein Internet-Hasser. Name und Anschrift anbei." Das Ziel der Fotoaktion ist das nicht, aber als Kollateralschaden wird es in Kauf genommen.
Das ist nicht hinzunehmen, selbst wenn es um die Freiheit der Bilder geht. Wenn die Fotorebellen an einer konstruktiven Diskussion über die Chancen und Risiken der Digitalisierung ernsthaft Interesse haben, wäre es das Beste, die Aktion abzusagen – und zu hoffen, dass die Dialogpartner auf der anderen Seite ebenfalls dazu lernen. Denn der ignorante Populismus der Politik ist in der Diskussion um Privatsphäre und die digitale Vernetzung ebenso unangebracht.
Lars Reppesgaard, Jahrgang 1969, ist freier Wirtschaftsjournalist und Autor des 2008 erschienen Buches "Das Google-Imperium". Nach dem Studium arbeitete er vier Jahre lang als Reporter und Moderator beim Hörfunk von Radio Bremen. Seit dem Jahr 2000 lebt er in Hamburg und schreibt für Wirtschaftsmedien wie das "Handelsblatt", die "Financial Times Deutschland" oder die "Wirtschaftswoche".