Googles Internet-Bibliothek im Fokus
Verleger, Wissenschaftler, Bibliothekarinnen, Gewerkschaftsfunktionäre und digitale Boheme nahmen das Thema "Enteignung oder Infotopia? Google Books oder die Zukunft des Wissens" kritisch unter die Lupe.
Eine ungewöhnlich gemischte Gruppe saß einen ganzen Freitag lang im Berliner Haus der Heinrich-Böll-Stiftung zusammen: Der Konzernverleger vom Branchenriesen Random House/Bertelsmann begegnete Vertretern der digitalen Boheme, der Wissenschaftler dem Blogger, der eBook-Anbieter der Bibliotheksleiterin, der Google-Angestellte dem Gewerkschaftssekretär. Das Google Book Settlement hatte sie zusammengeführt – oder vielmehr die Hoffnung darauf, dass es nach der negativen Stellungnahme des US-Justizministeriums doch noch zu einem Vergleich kommt, der die Rechte von Autoren und Verlegern stärker respektiert und, ohne ein Monopol zu schaffen, der Öffentlichkeit Informationen digital zugänglich macht. Auch Jörg Pfuhl, der Leiter der deutschen Random House/Bertelsmann-Buchverlage, sprach sich für den Vergleich aus:
"Google akzeptiert mit diesem Settlement zwei Dinge ( ... ): Erstens, sie akzeptieren, dass das Scannen bislang nicht rechtmäßig war, denn sie zahlen Schadensersatz für die Bücher, die eingescannt sind, und sie unterlassen das für alle Titel, die zukünftig erscheinen werden. ( ... ) Es ist natürlich ein Vergleich, es ist kein Wunschkonzert ... ."
"Enteignung oder Infotopia?" hieß die Tagung, aber die Enteignung der Autoren und Verleger, die der von vielen Prominenten unterzeichnete Heidelberger Appell im Sommer heraufbeschworen hatte, fürchtete niemand. Die Verheißung einer Infotopia witterte allerdings auch kaum jemand. Zuallererst war die hochrangig besetzte Tagung eine Informationsveranstaltung über den schwierigen Google-Vergleich und ein Gespräch über Berufs- und andere Grenzen hinweg. Der Versuchung, der Komplexität des Themas auszuweichen ins Räsonnement übers Allgemeine und Technische, erlag man nur selten.
Stattdessen lobten fast alle, dass sich überhaupt jemand an die Herkulesarbeit der Digitalisierung mache – das staatlich unterfinanzierte Projekt der Bibliotheca Europeana werde damit erst in etwa 300 Jahren fertig sein. Ungeschoren kam Google dennoch nicht davon. Ein Monopol schreckte manche, und nicht nur verdi-Gewerkschaftssekretär Wolfgang Schimmel hatte Bedenken wegen Googles Intransparenz:
"Ein Unternehmen, das seine Such- und Auswahlalgorhythmen strikt geheim hält ( ... ) kann eigentlich nicht der zuverlässige Informationsvermittler sein. Wenn ich nicht weiß, was mir Google zeigt und was mir Google nicht zeigt, dann habe ich da meine Bedenken. Dieses Unternehmen als Ersatz für die öffentliche Infrastruktur – in Bibliotheken zum Beispiel, da sehe ich, wenn ein Buch fehlt, bei Google merke ich nicht, dass mir da etwas nicht angezeigt wird."
Auch der Schriftsteller und Blogger Peter Glaser monierte:
"Die Google-Scans sind ziemlich schlampig. Das ist Massenware, die schnell gemacht wird. (...) Das ist Husch-Husch. Da geht's um Quantität, nicht um Qualität."
Kritik musste auch die Verwertungsgesellschaft Wort einstecken. Sie hatte im Verein mit den Verlagen im Börsenverein und den Autoren im VS in Windeseile den Wahrnehmungsvertrag geändert, um auf das Settlement reagieren zu können, und manche Mitglieder fühlten sich von der VG Wort genauso überfahren wie von dem Suchmaschinenbetreiber.
Immer wieder hieß es, das Problem der verwaisten Werke müsse gelöst werden – jener nicht mehr käuflichen, aber noch durch das Urheberrecht geschützten Bücher, deren Rechteinhaber, Autoren und Verleger, nicht aufzufinden sind. Und dann schien am Ende gar eine Utopie auf: Entweder digitalisiert Google oder jemand anders - oder, fragte der Journalist Ilja Braun, der die ganze Tagung in einem Blog auf der Seite des Mitveranstalters iRights.info beinahe in Echtzeit mitgetippt hatte, die Gesellschaft ändert, wie schon so oft, das Urheberrecht. Gemeint war: Sie lockert es. Da meldet sich eine neue Generation von Autoren zu Wort, die von der Veröffentlichung nicht mehr leben will oder muss und auch von Verlagen nicht viel hält.
"Google akzeptiert mit diesem Settlement zwei Dinge ( ... ): Erstens, sie akzeptieren, dass das Scannen bislang nicht rechtmäßig war, denn sie zahlen Schadensersatz für die Bücher, die eingescannt sind, und sie unterlassen das für alle Titel, die zukünftig erscheinen werden. ( ... ) Es ist natürlich ein Vergleich, es ist kein Wunschkonzert ... ."
"Enteignung oder Infotopia?" hieß die Tagung, aber die Enteignung der Autoren und Verleger, die der von vielen Prominenten unterzeichnete Heidelberger Appell im Sommer heraufbeschworen hatte, fürchtete niemand. Die Verheißung einer Infotopia witterte allerdings auch kaum jemand. Zuallererst war die hochrangig besetzte Tagung eine Informationsveranstaltung über den schwierigen Google-Vergleich und ein Gespräch über Berufs- und andere Grenzen hinweg. Der Versuchung, der Komplexität des Themas auszuweichen ins Räsonnement übers Allgemeine und Technische, erlag man nur selten.
Stattdessen lobten fast alle, dass sich überhaupt jemand an die Herkulesarbeit der Digitalisierung mache – das staatlich unterfinanzierte Projekt der Bibliotheca Europeana werde damit erst in etwa 300 Jahren fertig sein. Ungeschoren kam Google dennoch nicht davon. Ein Monopol schreckte manche, und nicht nur verdi-Gewerkschaftssekretär Wolfgang Schimmel hatte Bedenken wegen Googles Intransparenz:
"Ein Unternehmen, das seine Such- und Auswahlalgorhythmen strikt geheim hält ( ... ) kann eigentlich nicht der zuverlässige Informationsvermittler sein. Wenn ich nicht weiß, was mir Google zeigt und was mir Google nicht zeigt, dann habe ich da meine Bedenken. Dieses Unternehmen als Ersatz für die öffentliche Infrastruktur – in Bibliotheken zum Beispiel, da sehe ich, wenn ein Buch fehlt, bei Google merke ich nicht, dass mir da etwas nicht angezeigt wird."
Auch der Schriftsteller und Blogger Peter Glaser monierte:
"Die Google-Scans sind ziemlich schlampig. Das ist Massenware, die schnell gemacht wird. (...) Das ist Husch-Husch. Da geht's um Quantität, nicht um Qualität."
Kritik musste auch die Verwertungsgesellschaft Wort einstecken. Sie hatte im Verein mit den Verlagen im Börsenverein und den Autoren im VS in Windeseile den Wahrnehmungsvertrag geändert, um auf das Settlement reagieren zu können, und manche Mitglieder fühlten sich von der VG Wort genauso überfahren wie von dem Suchmaschinenbetreiber.
Immer wieder hieß es, das Problem der verwaisten Werke müsse gelöst werden – jener nicht mehr käuflichen, aber noch durch das Urheberrecht geschützten Bücher, deren Rechteinhaber, Autoren und Verleger, nicht aufzufinden sind. Und dann schien am Ende gar eine Utopie auf: Entweder digitalisiert Google oder jemand anders - oder, fragte der Journalist Ilja Braun, der die ganze Tagung in einem Blog auf der Seite des Mitveranstalters iRights.info beinahe in Echtzeit mitgetippt hatte, die Gesellschaft ändert, wie schon so oft, das Urheberrecht. Gemeint war: Sie lockert es. Da meldet sich eine neue Generation von Autoren zu Wort, die von der Veröffentlichung nicht mehr leben will oder muss und auch von Verlagen nicht viel hält.