Skandalschiff soll wieder segeln
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Korruption, ignorierte richterliche Anordnungen und eine massive Kostenexplosion plagen das Schulschiff Gorch Fock. Doch im Spätsommer soll es wieder segeln – nach fünf Jahren Sanierungsdauer.
"Ich habe wahrgenommen, dass die Gorch Fock nicht einfach ein Segelschulschiff ist, sondern sie ist das Segelschulschiff. Mit ihr wird viel verbunden: Kameradschaft, das enge beieinander sein, auch schwierige Situationen durchstehen, das ist jetzt sicher auch eine schwierige Situation für alle um die Gorch Fock. Und: ganz viel positive Tradition."
So beschreibt die Wehrbeauftragte des Bundes, Eva Högl das Segelschulschiff der Marine, die Gorch Fock.
Als das Schiff Anfang 2016 für eine Grundinstandsetzung aus dem Wasser geholt wird, ist niemandem klar, dass sie fünf Jahre später immer noch nicht wieder seetauglich sein wird. Reparaturen in Höhe von zehn Millionen Euro sind veranschlagt, den Auftrag bekommt die Elsflether Werft, die das Schiff in ein Dock der in Bremerhaven ansässigen Bredo-Werft bringen lässt.
Aus 10 Millionen Euro wurden 135 Millionen
Als die Arbeiter das Schiff öffnen, zeigen sich erhebliche Mängel. Da wird klar: Die Instandsetzung wird länger dauern und mehr kosten. Das Verteidigungsministerium lässt die Sanierung nach einem kurzen Baustopp fortsetzen. Heute werden die Kosten auf 135 Millionen Euro geschätzt.
Dann jagt ein Zwischenfall den nächsten: Erst zeigt sich ein Mitarbeiter des Marinearsenals in Wilhelmshaven selber an: Korruption. Er soll Geld von der Werft und anderen an der Sanierung beteiligten Firmen bekommen haben. Ungefähr zur gleichen Zeit gerät die Elsflether Werft in finanzielle Schwierigkeiten und muss Anfang 2019 Insolvenz anmelden. Das Verteidigungsministerium verhängt einen Zahlungsstopp. Die Bredo-Werft, die zwischen beiden Parteien steht, beklagt das ausbleibende Geld und behält das Schiff als Pfand im Trockendock.
Der Bundesrechnungshof rügt das Verteidigungsministerium Anfang 2019 in einem internen Bericht. Die gesamte Instandsetzung sei nicht korrekt geplant worden, man habe die Gorch Fock um jeden Preis retten wollen. Ein Neubau des Seglers hätte ernsthaft in Betracht gezogen werden müssen. Die damalige Bundesministerin Ursula von der Leyen gesteht nach Gesprächen mit allen Parteien Fehler ein.
Viele Fehler wurden gemacht
Schließlich übernimmt die Bremer Lürssen-Werft die insolvente Elsflether Werft und setzt den Bau fort. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt wegen Korruption und Pflichtverletzung; die Verfahren laufen noch.
Lehren müssen aber auch außerhalb der Gerichtssäle gezogen werden, meint Wehrbeauftragte Eva Högl:
"Untreue, Betrug und Korruption müssen nicht nur sorgfältig aufgearbeitet werden, sondern auch verhindert werden. Das heißt, man braucht auch an dieser Stelle ein gutes Monitoring, viel Transparenz und viel Verantwortungsbewusstsein."
Ihr Vorgänger Hans-Peter Bartels war wesentlich härter mit der Bundeswehr ins Gericht gegangen: Die Gorch Fock stehe "für ein System der Verantwortungsdiffusion, in dem niemand für das Ganze verantwortlich ist".
Eva Högl sagt, solche Vergleiche gingen zu weit. Aber natürlich müsse man den Fall Gorch Fock genauer analysieren: "Mein Appell ist immer: Klare Verantwortung, Transparenz, offen und sich vor allem an die vorgegebenen Regeln halten."
Sogar Gerichte werden ignoriert
Und genau da sieht der Umweltverband WWF ein Problem. Als 2020 die Zeit der Skandale endlich zu Ende zu sein schien, erklärte der Verband: Das Teakholz, das auf Deck verbaut werde, stamme aus nicht nachhaltigem Anbau aus Myanmar. Außerdem sei es in Ursprungsland nicht versteuert und somit illegal eingeführt worden.
Das sei deshalb problematisch, weil es eine EU-Holzhandelsverordnung gibt. Die besagt, dass in die EU importiertes Holz legal und nachhaltig sein muss. Der WWF hat das zuständige Verteidigungsministerium darauf hingewiesen, sagt dessen Vertreter Johannes Zahnen, doch passiert sei fast nichts.
Die zuständige Kontrollbehörde, die das Holz prüfen müsste, habe nicht reagiert. Deshalb zog der WWF im vergangenen Jahr vor Gericht, um zumindest die Legalität des Holzes offiziell prüfen zu lassen. Das Gericht habe angeordnet, den Einbau des Teakholzes zu stoppen und es zu kontrollieren. (*) Und erneut sei nichts passiert, sagt Zahnen:
"Wir haben die absurde Situation, dass das Ministerium gegen die Beschaffungsrichtlinie verstoßen hat. Sie haben alle Hinweise, dass das Holz illegal sein könnte, ignoriert und dann möglichst schnell verbaut, obwohl das Gericht gebeten hat, das nicht zu tun. Und die Prüfbehörde weigert sich, die Legalität zu prüfen, sodass wir jetzt eigentlich Versagen auf ganzer Linie haben." (**)
Die Zukunft bleibt ungewiss
Nach Angaben des WWF ist das Holz auf der Gorch Fock längst verbaut. Ein fatales Zeichen für das europäische Umweltrecht, findet Johannes Zahnen:
"Davor haben wir die größte Sorge: Dass die Bundeswehr mit ihrem schönen Schiff davonsegelt und Umweltrecht in Deutschland dann nicht mehr ernstgenommen wird."
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärt hingegen, die zuständige Prüfbehörde habe das Teakholz durchaus kontrolliert. Im Ergebnis habe die Behörde darauf hingewiesen, dass das Holz verwendet werden dürfe. Weitere Angaben zur Sache machte er nicht.
Insgesamt sei die Gorch Fock aber für die Planungsprozesse von ähnlichen Projekten eine Lehre, sagte der Sprecher: Künftig soll es einen Vorabbefund vor dem Umbaubeginn geben, um Schäden besser abzuschätzen. Auch sollen die Kosten künftig gedeckelt werden.
Für die Gorch Fock spielt das keine Rolle mehr. Weitere Kostenexplosionen erwartet das Ministerium nicht, die jetzige Verzögerung gehe auf Kosten der Werft. Die Besatzung und die gesamte Marine können nun nur warten und hoffen. Lösungen für den neuen Ausbildungsjahrgang gibt es bisher nicht. Und: Wann überhaupt wieder ein Kadett mit der Gorch Fock zur See fahren wird, ist aktuell noch ungewiss.
*Redaktioneller Hinweis: Wir haben eine inhaltliche Korrektur vorgenommen.
**Anmerkung: Die Prüfbehörde, die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, widerspricht Zahnens Vorwürfen. Es habe keine gerichtlichen Anordnungen für einen Baustopp gegeben, sagt eine Sprecherin, die zuständigen Gerichte hätten zwei Eilanträge des WWF abgelehnt.