Ein Leben als Performance
Sängerin, Model und Ikone - Grace Jones wird im Mai 70 Jahre alt. Doch wer steckt hinter dieser begnadete Performerin? Für ihren Dokumentarfilm "Bloodlight And Bami" hat die Regisseurin Sophie Fiennes die Künstlerin zehn Jahre lang begleitet.
Der Performer da draußen trägt das Risiko, sagt Grace Jones. In den vergangenen fünf Jahrzehnten war Grace Jones Sängerin, Musikerin, Model, Schauspielerin, Autorin – alles in allem: eine begnadete Performerin. Hier performt sie in einem Pariser Luxushotel beim Champagnerfrühstück. Sie spricht ein bisschen langsam, als hätte sie schon den einen oder anderen Champagner vor dem Frühstück gehabt.
Dann kann sie immer noch performen und das Publikum fesseln, denn sie ist:
"Ladies and Gentlemen, Miss Grace Jones!"
Beim Champagnerfrühstück trägt Miss Grace Jones einen Pelzmantel, dazu eine Pudelmütze. Sonst nichts. An passender Stelle lässt sie den Pelz verrutschen und gibt den Blick frei auf ihren nackten Körper. Der Körper einer Frau von bald 70.
Ihr werdet mich niemals befriedigen!
Sie wird nicht klein beigeben und sie wird sich nicht schuldig fühlen, singt Grace Jones, schwarzes Korsett, die meterlangen Beine in schwarzen High Heels. From the nipple to the bottle never satisfied, singt sie und es geht nicht um das Baby, das nicht von der Brust satt wird und nicht von der Flasche. Grace Jones wendet sich frontal an ihr Publikum: Ihr werdet mich niemals befriedigen!
"Bloodlight And Bami" steht im Jamaikanischen für Bühnenlicht und Brot. Grace Jones braucht Bühnenlicht wie andere Brot. Zehn Jahre hat die Regisseurin Sophie Fiennes an dem Film gearbeitet und Grace Jones hat ihr Zugang gewährt: Zugang zu Garderoben und Badezimmer, zu Büros und Studios. Und Grace Jones hat Sophie Fiennes mit nach Hause genommen. Im ländlichen Jamaika ist die Kamera dabei, wenn ihre alte Mutter in der Kirche ihren Auftritt hat, als Gospel-Sängerin.
Der Film zeigt Grace Jones im überirdisch grünen Jamaika, im Kreise ihrer Freunde und Verwandten, mit dem Enkel im Arm. Selbst bei einem Gespräch mit Jean Paul Goude, dem Vater ihres Sohnes, ist die Kamera dabei. Wikipedia sagt über Jean Paul Goude:
"… ein französischer Grafik-Designer, Illustrator, Fotograf und Werbefilmregisseur. Er schuf bekannte Werbung für Marken wie Perrier, Citroën und Chanel."
Andere sagen über Jean Paul Goude:
"Er schuf Grace Jones."
Immer alles unter Kontrolle
Der weiße Franzose Goude war maßgeblich beteiligt an der Schöpfung von Grace Jones in den frühen Achtzigern, er hat sich die umstrittenen Bilder ausgedacht, so sagt es die Legende: die schwarze Grace als Raubtier nackt im Käfig, die Werbung für Citroën 1984. Das Fahrzeug fährt in den offenen Mund von Grace Jones.
Die Kamera ist hautnah dabei, als Grace Jones ihrem Exmann Jean Paul Goude ein Geständnis macht.
Er sei der einzige Mann, der ihr jemals weiche Knie gemacht habe. Es gibt etliche Passagen dieser Art in "Bloodlight And Bami". Szenen, in denen Grace Jones ganz andere Seiten von Grace Jones zeigt. Grace Jones ungeschminkt, Grace Jones derangiert, Grace Jones besoffen, Grace Jones im Kreise der Familie, sie erinnert sich an den brutalen Stiefvater ihrer Kindheit. Also endlich mal der schonungslose, enthüllende Blick hinter die Fassade einer makellosen Diva? Nein, das Gegenteil ist der Fall. "Bloodlight And Bami" zeigt eine Grace Jones, die alles unter Kontrolle hat, auch den Kontrollverlust. Sei es beim Champagnerfrühstück, sei es bei diesem Song.
Und natürlich hatte sie auch die Kontrolle bei den Image-Fotos mit Jean Paul Goude. Die Regisseurin Sophie Fiennes hat alles andere im Sinn als eine Entzauberung oder gar eine Demontage. Sie hat ihren Andy Warhol begriffen: Ein Star ist jemand, dem man gerne zuschaut, auch wenn er belanglose Dinge tut. Also zeigt sie Grace Jones, die belanglose Dinge tut. Ich könnte mir das stundenlang anschauen.
"Sie ist eine Art Chamäleon"
"Die Schönheit solcher Dokumentarfilme ist, dass man live Anteil an einem Leben nimmt", sagte die Regisseurin Sophie Fiennes im Deutschlandfunk Kultur: