Friedhöfe

Über die Gräber prominenter Persönlichkeiten

Das Bild zeigt mehrere Gräber und Gruften auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise, die teilweise stark mit Moos bewachsen sind.
Père-Lachaise ist der größte Friedhof von Paris. Dort gibt unzählige Gräber bekannter Persönlichkeiten. © picture alliance / Hans Lucas / Myriam Tirler
Ob der Père-Lachaise in Paris oder der Zentralfriedhof in Wien: Gräber verstorbener Prominenter wie Jim Morrison, Udo Jürgens oder Falco ziehen zahlreiche Besucher an. Doch worin liegt der Reiz daran?
„Wir sind in Paris! Warum willst du ausgerechnet auf den Friedhof?!?“ - Damals, im Juli 2002, hat sich meine Freundin vielleicht gefragt, ob der Typ, mit dem sie zu diesem Zeitpunkt seit circa sechs Monaten liiert war, womöglich doch einen an der sprichwörtlichen Klatsche hat.
Fest steht: Man muss keineswegs „Gruftie“ sein oder anderweitig morbide veranlagt, um Friedhöfe zu mögen. Der Verfasser dieses Textes mag sie jedenfalls. Wenn es dort auch noch Gräber bekannter Persönlichkeiten zu sehen gibt: umso interessanter!
Aber: Wo liegt der Reiz daran, die letzte Ruhestätte Prominenter aufzusuchen?

Welche Friedhöfe mit Gräbern von Prominenten gelten als Anziehungspunkte?

Weltweit existieren zahlreiche Friedhöfe, auf denen gleich mehrere bekannte Persönlichkeiten begraben sind. So ist es auch in Deutschland. Zu nennen wäre – beispielhaft – der Friedhof Bogenhausen in München. Dort können Besucher unter anderem die Gräber von Regisseur Rainer Werner Fassbinder, von Filmproduzent Bernd Eichinger und von Schriftsteller Erich Kästner besuchen.
Auf dem Melaten-Friedhof in Köln fanden unter anderem der Komiker Dirk Bach, der frühere Außenminister Guido Westerwelle, die Schauspielerin Hildegard Krekel oder Sänger und Schauspieler Willy Millowitsch ihre letzte Ruhestätte. Auch auf Friedhöfen in Frankfurt, Leipzig, Hamburg und nicht zuletzt Berlin gibt es zahlreiche Promientengräber. 

Von Jim Morrison bis Udo Jürgens

Alter St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg
Bertram von Boxberg ist für die Öffentlichkeitsarbeit der Berliner Zwölf-Apostel-Gemeinde zuständig und weiß auf Anhieb, welche berühmten Gräber auf dem Alten St-Matthäus-Kirchhof am häufigsten aufgesucht werden: „Nummer eins: Rio Reiser, Nummer zwei: Brüder Grimm!“
Der „Ton Steine Scherben“-Frontmann und spätere Solokünstler Rio Reiser („König von Deutschland“, „Junimond“) mochte wohl keinen ausladenden Pomp. Die Grabplatte zeigt ein kleines Herz mit Krone, darauf die Aufschrift: „RIO“.
Blick auf das Grab von Sänger Rio Reiser auf dem Alten St. Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg. Teil des Grabsteins ist ein großes Herz mit der Aufschrift „RIO“. Neben dem Grabstein ist ein Foto des Musikers zu sehen.
Das Grab von Sänger Rio Reiser auf dem Alten St. Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg. © picture alliance / imageBROKER / Schoening
Die Ruhestätten der Brüder Grimm lassen ebenfalls auf Bescheidenheit schließen: Mit dunklen, nicht einmal personenhohen Granitblöcken wird den Germanisten und Sprachforschern Jacob und Wilhelm Grimm gedacht. Neben der bekannten Märchensammlung galt das deutsche Wörterbuch als eines ihrer Lebensprojekte – das sie jedoch nicht selbst fertigstellen konnten. Überliefert ist, dass Jacob Grimm 1863 starb, als er gerade dabei war, den Eintrag für das Wort „Frucht“ zu verfassen.
Dorotheenstädtischer Friedhof (Berlin Mitte):
Auf den Grabmalen des Dorotheenstädtischen Friedhofs in Berlin Mitte finden sich besonders viele geschichtsträchtige Namen – von Hegel und Fichte über Heinrich Mann und Anna Seghers bis zu Alt-Bundespräsident Johannes Rau. 
Der Friedhof liegt gleich neben dem ehemaligen Wohnhaus von Bertolt Brecht und seiner Frau Helene Weigel. Der Dramatiker und die Schauspielerin wurden hier ebenfalls begraben. 
Blick auf die Gräber von Bertolt Brecht und seiner Frau Helene Weigel. Die Gräber sind schlichte Felsbrocken, die nur die jeweilige Namensinschrift tragen. Im Vordergrund: Blumen. Im Hintergrund: Eine rote Backsteinmauer.
Die Gräber von Bertolt Brecht und seiner Frau Helene Weigel auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin. © picture alliance / Bildagentur-online / McPhoto-Schulz
Friedhof Père-Lachaise (Paris)
Zurück nach Paris. Reiseführer-Texte über den „Cimetière du Père-Lachaise“ lesen sich wie das Who's who der verstorbenen Kunstschaffenden und Philosophen. Hier finden sich die Gräber von Piaf, Moliere und Balzac, um nur einen winzigen Bruchteil zu nennen. Wer den größten Pariser Friedhof betritt, ist vielleicht erst einmal überwältigt: von pompösen Gruften, die sich aneinanderreihen auf endlosen Straßen mit eigenen Namen. Hier kann man problemlos Stunden verbringen – vielleicht sogar Tage.
Die meisten der berühmten Persönlichkeiten, die auf dem Père-Lachaise bestattet sind, waren französische Staatsbürger. Zwei der am häufigsten aufgesuchten Gräber sind jedoch die Ruhestätten eines Amerikaners und eines Iren: Jim Morrison und Oscar Wilde.
Morrison, Sänger der Band „The Doors”, starb 1971 mit nur 27 Jahren in Paris. Die genauen Umstände seines Todes sind bis heute lückenhaft. Auch mehr als 50 Jahre später zieht das Grab des Musikers immer noch unzählige Besucher an – vor allem an seinem Todestag am 3. Juli.
Blick auf das Grab des US-amerikanischen Musikers Jim Morrison. Auf dem Grabstein steht u.a. eine Engelsfigur, ein kleines Foto des Sängers, weiße Blumen und eine Windmühle, die in einem Kaktustopf steckt.
Das Grab des US-amerikanischen Musikers Jim Morrison auf dem Friedhof Père-Lachaise in Paris. © picture alliance / dpa / Sabine Glaubitz
Ein kleines Blumenfeld vor einem Steinquader, darauf die Inschrift „KATA TON DAIMONA EAYTOY“, was aus dem Griechischen ungefähr mit „gemäß seinem eigenen Geist“ übersetzt werden könnte. Optisch ist das Grab eher unspektakulär. Die direkte Umgebung dagegen nicht. Zahlreiche Fans haben ihre Würdigungen für den toten Sänger mit Filsstift auch auf den umliegenden Ruhestätten verewigt. Vermutlich auch deshalb existieren seit dem Jahr 2004 Absperrungen, die verhindern sollen, dass Besucher Jim Morrisons Grab allzu nahekommen.
Eine Zeitlang zierte den Grabstein zusätzlich die Büste des Musikers. Seit 1988 gilt der Morrison-Steinkopf allerdings als gestohlen.
Blick auf das Grab des US-amerikanischen Musikers Jim Morrison, aufgenommen im Jahr 1987. Auf dem Grabstein ist eine steinerne Büste des Oberkörpers des Sängers montiert.
Das Grab des US-amerikanischen Musikers Jim Morrison, aufgenommen im Jahr 1987. Der Kopf auf dem Grabstein ist inzwischen gestohlen worden. © imago / Peter Homann / Peter Homann
Stark beeindruckt war ich damals, 2002, vor allem von einem anderen Grab – das von Oscar Wilde. Klar, die tonnenschwere Felsskulptur, die an Wildes Gedicht „Die Sphinx“ erinnern soll, wirkt für sich bereits imposant. Eingeprägt hat sich bei mir aber ein anderes Detail: Die große Steinplatte, die den Namen des 1900 verstorbenen irischen Dichters trägt, war übersät von Kussmündern durch Lippenstiftabdrücke.
Der Grabstein von Oscar Wilde mit der Namensinschrift des Dichters ist übersät von unzähligen Kussmündern in Form von Lippenstiftabdrücken.
Küsse für Oscar Wilde. Bis zum Jahr 2011 war das Grab des irischen Schriftstellers in Paris mit Lippenstiftabdrücken überzogen. Danach wurde eine Schutzvorrichtung aufgestellt. (Aufnahme aus dem Jahr 2004). © Picture-Alliance / Photoshot
Seit einigen Jahren sollen meterhohe Glasscheiben das Küssen verhindern – zu sehr hatte offenbar das Fett in den Lippenstiften die Steinsubstanz angegriffen. Ob den Poeten selbst diese Maßnahme gefreut hätte? Zweifel bleiben – schließlich galt der Autor von „Das Bildnis des Dorian Gray“ als exzentrischer Dandy und Lebemann.
Vor dem Grabstein von Oscar Wilde steht eine circa zwei Meter hohe Glasscheibe.
Mittlerweile wird der Grabstein von Oscar Wilde in Paris mit einer Glasscheibe vor kusswütigen Besucherinnen und Besuchern geschützt. © imago / PanoramiC / imago stock&people
Zentralfriedhof Wien
Nur wenige kennen den Wiener Zentralfriedhof wohl besser als die Fahrer der zweispännigen Kutschen, der Fiaker. „Udo Jürgens, das ist jetzt die erste Anlaufstätte. Früher war Falco. Jetzt kommen's alle: Udo. Wir wollen den Udo sehen!“, sagt einer von ihnen.
Blick auf das Grab von Udo Jürgens auf dem Zentralfriedhof Wien. Zu sehen ist ein weißer Marmorstein, der einen mit Tuch abgedeckten Flügel (das Musikinstrument) darstellen soll. Darauf liegt eine Rose.
Das Grab von Udo Jürgens auf dem Zentralfriedhof Wien. © picture alliance / Zoonar / HGVorndran
Seit dem Tod des Sängers und Komponisten Ende 2014 zählt Udo Jürgens Grabstein zu den am meisten aufgesuchten Ruhestätten auf dem Zentralfriedhof. Die Urne befindet sich in einem sechs Tonnen schweren weißen Marmorblock in Form eines Flügels, der mit einem Tuch abgedeckt ist. Kunst oder Kitsch? Darüber gehen die Meinungen weit auseinander.
Trotz der Magnetwirkung dieses Grabes kommen weiterhin noch immer viele, um Falco zu „besuchen“. Das Grab von Johann Hölzel, wie der Musiker mit bürgerlichem Namen hieß, ist nicht zu übersehen. Ein drei Meter hoher Obelisk überragt alle anderen Ruhestätten. 1998 verunglückte der österreichische Rock-me-Amadeus-Barde tödlich. Bis heute pilgern Fans und Neugierige an seine letzte Ruhestätte, bringen Blumen und persönliche Grußbotschaften. Eine bogenförmige Panzerglasscheibe mit der lebensgroßen Figur des Musikers überspannt das Grab in voller Länge.
Blick auf das Grab des Sängers „Falco“ auf dem Wiener Zentralfriedhof. Auf einer Glasplatte ist der Musiker in einem schwarzen Umhang dargestellt. Darüber sind Titel seiner Songs aufgeführt, z.B. „Out oft the dark“, „Rock me Amadeus“ und „Jeanny“
Das Grab des Sängers „Falco“ auf dem Wiener Zentralfriedhof© picture alliance / Peter Schickert / Peter Schickert

Was motiviert Menschen, Promi-Gräber zu besuchen?

Warum wollen Menschen Gräber bekannter Personen sehen, die sie meist nie persönlich kennengelernt haben? Kann man sagen: Menschen pilgern zu Prominenten-Gräbern wie andere zu Wallfahrtsorten? Und inwiefern sind die verstorbenen Idole dann so etwas wie Ersatz-Heilige?
Für den Poptheoretiker Michael Rappe ist die Beziehung zwischen Fans und Stars eine ganz besondere. Auf der einen Seite sei der Star oftmals unerreichbar, auf der anderen Seite aber ein Mensch, den Fans zu kennen glaubten. Nach Ansicht des Wissenschaftlers beginnt richtige Legendenbildung manchmal erst nach dem Tod – „vielleicht, weil auch der Star dann dem Leben entzogen ist und damit auch dem Zugriff“.
Womöglich mögen es manche genau andersherum sehen: Eine feste Grabstätte könnte den „Zugriff“ und damit (vermeintliche) Nähe zu bekannten Persönlichkeiten erst ermöglichen. Immerhin können Tote nicht weglaufen.
Für mich selbst liegt der Reiz mehr in den Friedhöfen als Ganzes: in ihren Unterschiedlichkeiten und Eigenheiten, ihren kleinen Gassen und großen Alleen. Ein Stückweit sind Friedhöfe für mich sogar die besseren Parks. Warum ich dennoch die Gräber von Oscar Wilde, Jim Morrison und übrigens auch Heinrich Heine besucht habe? Am ehesten war es für mich wohl ein kleiner Handschlag mit der Geschichte.
jma, mit Recherchen von Julia Illmer
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