Der Mythos der koketten Verführerin
Anna Constantia von Cosel hat als Mätresse August des Starken die Geschicke am Dresdner Hof mitbestimmt. Keine habe der liebeshungrige Kurfürst von Sachsen so geliebt wie sie, heißt es. Und keine ist so tief gefallen. Nach acht schillernden Jahren am Hof wird sie auf die Burg Stolpen verbannt, wo sie vor 250 Jahren, am 31. März 1765, starb - nach 49 Jahren in Festungshaft.
Dramatisch ist schon die Geschichte ihres Kennenlernens: Im Dezember 1704 bricht in der Dresdner Innenstadt ein Brand aus. Auch die Residenz des Finanzministers Adolph Magnus von Hoym steht in Flammen. Seine Frau, Anna Constantia, koordiniert die Löscharbeiten, als die Kutsche des Kurfürsten vorbeifährt. Fasziniert beobachtet August der Starke das beherzte Zupacken der schönen Adeligen - und war angeblich sofort leidenschaftlich verliebt. Legende und Wahrheit sind schwer zu trennen in der Lebensgeschichte der Anna Constantia von Cosel.
"Warum sie heute zu einem Mythos geworden ist, hat, glaube ich, auch noch etwas mit dieser Vorstellung von einer starken Frau zu tun, die irgendwie gescheitert ist. Sie eignet sich also wunderbar als Projektionsfläche einer erst geliebten und dann verlassenen Frau. Und dann natürlich ihre Schönheit regt die Fantasien bis heute an."
... sagt die Historikerin Claudia Jarzebowski. Nicht nur ihre Schönheit ist legendär, auch ihre Klugheit. Mal wird sie als scharfsinnige Politikerin dargestellt, mal als herrschsüchtige Intrigantin. Amazonengleich soll sie im Herrensitz geritten sein und den Umgang mit Pistolen nicht gescheut haben. Sie ist die kokette Verführerin, genauso wie die tugendhafte Ehefrau, die sich noch nicht einmal vom sächsischen Kurfürsten so einfach erobern lässt. August den Starken lässt sie zappeln, bevor sie 1705 seine offizielle Mätresse wird.
Die freudlose Ehe mit dem Finanzminister Hoym wird geschieden - und Anna Constantia in den Stand der Reichsgräfin erhoben. Sie handelt sich als Mätresse eine Jahresrente aus, die höher ist als die der Minister. August der Starke schenkt ihr das Schloss Pillnitz und lässt ihr in Dresden das Taschenbergpalais bauen. Und: Sie ringt ihm ein Eheversprechen ab. In einem Geheimvertrag verpflichtet er sich, sie zu heiraten, für den Fall, dass seine Ehefrau, die Kurfürstin, stirbt. Die Reichsgräfin wird eine der mächtigsten Frauen am glanzvollen sächsischen Hof.
"Das Mätressentum ist ja eine Einrichtung, die mit gewissen Handlungsspielräumen, auch politischer Art verbunden war. Die nutzt sie voll aus und hat dort sehr wohl politisch agiert, in dem Sinne, als dass sie die Zugangsrechte zum König gesteuert hat und hat auch eigene Audienzen und eigene - heute würden wir sagen - Sprechstunden abgehalten."
Eine erstaunliche Karriere für die 25-Jährige, die 1680 im entlegenen Holstein zur Welt kommt, als Tochter eines Ritters von Brockdorff und einer Bürgerlichen. Nach einer umfassenden Ausbildung wird sie als Hofdame auf das Schloss Gottorf bei Schleswig geschickt. Mit 16 bringt sie ein uneheliches Kind zur Welt. Nach dieser "Schande" willigt sie ein, als der nicht sonderlich charmante und sehr viel ältere Adolph Magnus von Hoym um ihre Hand anhält.
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"Diese Ehe wird nach zwei Jahren geschieden, das ist recht außergewöhnlich, gerade für eine Adelige. Dieser Mann und sie gehen dann aber quasi gemeinsam an den Dresdner Hof, sie als die Mätresse des Königs und er als sein Minister. Das ist eine spannende Konstellation, und das ist deswegen spannend, weil sie darin relativ souverän operiert und ihre eigenen Beziehungen stiftet, auslebt, gestaltet... und dass sie dann so abrupt vom Hofverbanntwird, das ist eine Reaktion, die ich mir dann so erkläre, dass es davor sehr viel Spannung gab, und das wird dann eben so abgelassen."
Acht Jahre dauert ihre glanzvolle Zeit am Dresdner Hof, drei Kinder schenkt sie August dem Starken. Dann wird "die Cosel" vielen, wie auch dem einflussreichen Minister von Flemming, zu mächtig. 1714 verliebt sich August in Maria Magdalena von Dönhoff, eine Liebe, die auch politisch günstig scheint. Mit der jungen Polin an seiner Seite kann der sächsische Kurfürst und König von Polen Verbundenheit zu seinem Königreich demonstrieren. Anna Constantia wird auf ihren Witwensitz, das Schloss Pillnitz, abgeschoben, der geheime Ehevertrag zurückgefordert. Den hat die gestürzte Mätresse allerdings bei einem Cousin in Berlin verwahrt. Als sie sich aufmacht, um das Dokument zu holen, wird ihr das als Flucht zum Konkurrenten Preußen ausgelegt. Die Gräfin wird festgenommen und mit 36 Jahren auf die Burg Stolpen verschleppt. Anna Constantia von Cosel ahnt nicht, dass sie diese Festung nie wieder verlassen wird. Als sie am 31. März 1765, mit 84 Jahren stirbt, hat sie fast ein halbes Jahrhundert in der Verbannung verbracht.