Grafitti auf dem Bauernhof
Claudia Walde heißt in der Szene einfach nur MadC. Mitte der 90er hat sie zum ersten Mal ein Graffiti auf eine Wand gesprüht. Heute ist MadC eine Institution in der Sprüher-Welt. Sie arbeitet auch als Designerin, gibt an Kunsthochschulen Kurse in Sachen Street Art. Und vor allem bereist sie die Welt. Für ihr bisher größtes Kunstwerk hat sie1.500 Sprühdosen gebraucht.
"Das ist jetzt der Vorhof zu meinem Atelier. Sehr ungewöhnlich."
Ungewöhnlich, weil auf einem Bauernhof. Oder genauer: auf einer ehemaligen LPG, heute Agrarproduktionsgemeinschaft. Graffiti auf dem Land.
"Und durch ganz verrückte Zusammenhänge bin ich dann hierher gekommen ... Und hier sieht's auch nicht ordentlich aus."
Hier - das ist irgendwo bei Halle. Den Namen des kleinen Ortes möchte Claudia Walde lieber für sich behalten. MadC gilt als die Beste der Szene. Claudia Walde ist weltweit die wohl bekannteste aktive Sprüherin. In ihrem Atelier lagern die Sprühdosen - ganz ironiefrei - in einer DDR-Schrankwand.
"Es ist zum Beispiel auch so, dass ich hierher ganz selten andere Künstler mit hinnehme. Das ist so mein Bereich, wo ich auch meine Ruhe möchte. Das ist wirklich so mein Ruhepol, der mir auch sehr wichtig ist."
Wir blicken über Felder und die ICE-Trasse Leipzig-Berlin. Claudia Walde ist 31 Jahre alt. Sie trägt schwarze Jeans, Sneakers und ein rotes Kapuzenshirt. Ihr dunkelbraunes Haar hat sie zum Zopf gebunden. Sie ist klein. Schlank. Drahtig. Ein Energiebündel.
"Hier sind alles Leinwände. Und dann habe ich natürlich endlos viele Dosen, so. Ich versuche, die eigentlich nach Farben zu sortieren. Aber im Moment komme ich nicht hinterher, weil ich habe gerade meine neue Lieferung da stehen. Die steht so rum einfach mitten im Raum. Aber ich bin einfach noch nicht dazu gekommen, die einzusortieren."
Wenn sie sprüht, schottet sie sich ab, trägt Kopfhörer, hört aber nicht Musik, sondern Hörbücher.
"Man nehme eine Sprühdose und schüttele sie!"
Claudia Walde ist in Sachsen groß geworden - und im sozialistischen Bruderland Äthiopien, weil ihr Vater dort fünf Jahre lang als Landwirtschaftsingenieur arbeitete. Sie fühlte sich immer als Außenseiterin. Ein Weg raus aus dieser Rolle: Den eigenen Namen bekannt machen, ihn an Wände sprühen, MadC.
"Ich mach mal meinen ganzen Namen. Das war mein Name, das war MadC. Die Buchstaben, wie sie ein Graffiti-Sprüher malt, sind extrem persönlich. Man kann in jedem Buchstaben und der Form, der Art, wie er gemalt ist, mit welchen Farben, kann man wirklich erkennen, was die Persönlichkeit dieses Sprühers ist."
Claudia Walde hat die Buchstaben von 150 Graffiti-Künstlern zusammen getragen - aus über 30 Ländern. Und hat daraus ihr Buch "Street Fonts" gemacht.
"Die große Bühne habe ich ständig. Und die großen Städte. Und alles, was schnell ist. Und irgendwann muss man sich auch mal entschleunigen. Und wenn ich zum Beispiel Urlaub habe, dann lieber hier als irgendwo in die weite Welt fliegen. Weil hier kann ich dann wirklich mal abschalten."
Sie ist verwurzelt: in Sachsen und Sachsen-Anhalt und denkt zugleich global. Ihre Facebook-Seite - ausschließlich englisch. Die Besucher ihres Blogs: Platz eins USA, gefolgt von Großbritannien. Platz drei: Deutschland.
"Ich war schon immer ein Workaholic, bin schon immer sehr aktiv gewesen. Und wo ich angefangen habe zu sprühen, ... da war ich immer wie losgelassen. Wie so den Hund, den man aus dem Käfig lässt. Und da war ich dann halt immer die kleine Verrückte. Und dadurch habe ich dann irgendwann gesagt: MadC, weil ich hab ganz viel verschiedene andere Namen durchprobiert, war damit nie so richtig glücklich, aber am Ende war es mir dann auch egal. Und hab mich dann einfach MadC - also das C für Claudia."
Vor 15 Jahren macht sie es das erste Mal. Nachmittags um drei zieht sie los mit Sprühdose - in ihrem Heimatort bei Bautzen. Ihr erstes Bild hat bis heute überlebt. Es gibt auch ein Foto davon. Sie findet es schrecklich - und hat es immer unter Verschluss gehalten. Bisher.
"Ich habe jetzt tatsächlich auch eine Vortrag gehalten in Stockholm über meinen Werdegang und habe das Foto das erste Mal öffentlich gezeigt und habe es mir das erste Mal wieder angeguckt. Und musste so lachen. Also, es war schlecht, natürlich war es schlecht. Aber auf der anderen Seite muss ich sagen: Ich habe sogar gerade Linien hinbekommen. Und das als erstes Bild. Das ist vielleicht doch nicht so schlecht."
MadC ist eine Nomadin. Und nur selten in Halle.
"Im Moment? Vielleicht so fünf Tage alle zwei Monate im Schnitt. Also, im Moment ist es wirklich extrem. Also, ich bin zwischen meinen Reisen maximal ein bis zwei Tage zu Hause."
Zuletzt ist sie in zwei Monaten 17.000 Meilen geflogen: in acht Länder - von Russland bis Mexiko.
"Ich lebe seit acht Jahren in einer festen Beziehung - und mich fragen immer alle, wie das machbar ist. Und das ist nur machbar, weil mein Freund ebenso ein Workaholic ist und mein Freund auch jemand ist, der ständig unterwegs ist und jemand, der mir nie vorschreiben würde, wann ich wo zu sein habe - und anderswo genau das Gleiche. Und dadurch funktioniert das. Problemlos, würde ich sagen."
Schon als Design-Studentin hat sie die Welt bereist. Direkt im Anschluss ans Studium bekam sie in London eine Stelle angeboten, als Art Director. Genau das, worauf sie hingearbeitet hatte. Doch als sie mit ihren künftigen Chefs redete, kamen die Zweifel. Jeden Tag in ein schickes Büro gehen? Angestellte sein, nicht Künstlerin?
"Diese eine Woche musste ich mich entscheiden, ob ich diesen Mut habe, diesen Mut zu sagen. Von einem Art-Director-Gehalt auf Null zurück nach Deutschland zu gehen, als Künstler zu probieren, ohne zu wissen, was die Zukunft mir bringt. Dann habe ich gesagt, ich mache das, ganz einfach, wenn ich das jetzt nicht mache, wird mir das nie gelingen, das zu versuchen."
Sie hat den Job abgelehnt, sich bei Verwandten verschuldet, nie Geld vom Staat genommen. Doch von Graffiti-Kunst kann niemand leben. Und deswegen geht Claudia Walde einen Kompromiss ein: Sie besprüht nicht nur Wände, sondern auch Leinwände und verkauft sie in Galerien.
"Es gibt gerade in dieser Szene, es gibt immer Leute, die meckern. Man kann es nie jedem recht machen. Und besonders, wenn es um Geld geht, gibt es immer ganz viele, die neidisch sind, meckern, oder irgendwie Angst haben, dass ihnen was weggenommen wird, was eigentlich ihnen gehört. Und da gebe ich einfach nichts drauf. Die Leute, die am meisten schreien, würden Aufträge, die ich bekomme, definitiv auch nicht ablehnen.
Ich bin definitiv in erster Linie Graffiti-Sprüherin. Ich kann es mir nicht vorstellen, jemals die Wand aufzugeben. Also, für mich ist das essenziell, Wände zu bemalen, aus dem ganzen Körper zu arbeiten und meinen Namen zu sprühen. Das ist auch die Essenz eines Graffiti-Sprühers. Und das werde ich immer bleiben. Und ohne das hätte ich auch keine Glaubwürdigkeit in einer Galerie. Das ist mein Grundstein."
Wir ziehen über die Felder in der Nähe ihres Ateliers. Zu ihrer bisher größten Arbeit: Eine Wand ungefähr 700 Quadratmeter groß, also etwa wie ein Handballfeld. Daran hat sie vier Monate gearbeitet. Unentgeltlich.
"Ich kann das nicht erklären. Das ist wie ein Feuer in mir, das mich immer wieder vorantreibt. Wo das direkt herkommt, keine Ahnung."
Ungewöhnlich, weil auf einem Bauernhof. Oder genauer: auf einer ehemaligen LPG, heute Agrarproduktionsgemeinschaft. Graffiti auf dem Land.
"Und durch ganz verrückte Zusammenhänge bin ich dann hierher gekommen ... Und hier sieht's auch nicht ordentlich aus."
Hier - das ist irgendwo bei Halle. Den Namen des kleinen Ortes möchte Claudia Walde lieber für sich behalten. MadC gilt als die Beste der Szene. Claudia Walde ist weltweit die wohl bekannteste aktive Sprüherin. In ihrem Atelier lagern die Sprühdosen - ganz ironiefrei - in einer DDR-Schrankwand.
"Es ist zum Beispiel auch so, dass ich hierher ganz selten andere Künstler mit hinnehme. Das ist so mein Bereich, wo ich auch meine Ruhe möchte. Das ist wirklich so mein Ruhepol, der mir auch sehr wichtig ist."
Wir blicken über Felder und die ICE-Trasse Leipzig-Berlin. Claudia Walde ist 31 Jahre alt. Sie trägt schwarze Jeans, Sneakers und ein rotes Kapuzenshirt. Ihr dunkelbraunes Haar hat sie zum Zopf gebunden. Sie ist klein. Schlank. Drahtig. Ein Energiebündel.
"Hier sind alles Leinwände. Und dann habe ich natürlich endlos viele Dosen, so. Ich versuche, die eigentlich nach Farben zu sortieren. Aber im Moment komme ich nicht hinterher, weil ich habe gerade meine neue Lieferung da stehen. Die steht so rum einfach mitten im Raum. Aber ich bin einfach noch nicht dazu gekommen, die einzusortieren."
Wenn sie sprüht, schottet sie sich ab, trägt Kopfhörer, hört aber nicht Musik, sondern Hörbücher.
"Man nehme eine Sprühdose und schüttele sie!"
Claudia Walde ist in Sachsen groß geworden - und im sozialistischen Bruderland Äthiopien, weil ihr Vater dort fünf Jahre lang als Landwirtschaftsingenieur arbeitete. Sie fühlte sich immer als Außenseiterin. Ein Weg raus aus dieser Rolle: Den eigenen Namen bekannt machen, ihn an Wände sprühen, MadC.
"Ich mach mal meinen ganzen Namen. Das war mein Name, das war MadC. Die Buchstaben, wie sie ein Graffiti-Sprüher malt, sind extrem persönlich. Man kann in jedem Buchstaben und der Form, der Art, wie er gemalt ist, mit welchen Farben, kann man wirklich erkennen, was die Persönlichkeit dieses Sprühers ist."
Claudia Walde hat die Buchstaben von 150 Graffiti-Künstlern zusammen getragen - aus über 30 Ländern. Und hat daraus ihr Buch "Street Fonts" gemacht.
"Die große Bühne habe ich ständig. Und die großen Städte. Und alles, was schnell ist. Und irgendwann muss man sich auch mal entschleunigen. Und wenn ich zum Beispiel Urlaub habe, dann lieber hier als irgendwo in die weite Welt fliegen. Weil hier kann ich dann wirklich mal abschalten."
Sie ist verwurzelt: in Sachsen und Sachsen-Anhalt und denkt zugleich global. Ihre Facebook-Seite - ausschließlich englisch. Die Besucher ihres Blogs: Platz eins USA, gefolgt von Großbritannien. Platz drei: Deutschland.
"Ich war schon immer ein Workaholic, bin schon immer sehr aktiv gewesen. Und wo ich angefangen habe zu sprühen, ... da war ich immer wie losgelassen. Wie so den Hund, den man aus dem Käfig lässt. Und da war ich dann halt immer die kleine Verrückte. Und dadurch habe ich dann irgendwann gesagt: MadC, weil ich hab ganz viel verschiedene andere Namen durchprobiert, war damit nie so richtig glücklich, aber am Ende war es mir dann auch egal. Und hab mich dann einfach MadC - also das C für Claudia."
Vor 15 Jahren macht sie es das erste Mal. Nachmittags um drei zieht sie los mit Sprühdose - in ihrem Heimatort bei Bautzen. Ihr erstes Bild hat bis heute überlebt. Es gibt auch ein Foto davon. Sie findet es schrecklich - und hat es immer unter Verschluss gehalten. Bisher.
"Ich habe jetzt tatsächlich auch eine Vortrag gehalten in Stockholm über meinen Werdegang und habe das Foto das erste Mal öffentlich gezeigt und habe es mir das erste Mal wieder angeguckt. Und musste so lachen. Also, es war schlecht, natürlich war es schlecht. Aber auf der anderen Seite muss ich sagen: Ich habe sogar gerade Linien hinbekommen. Und das als erstes Bild. Das ist vielleicht doch nicht so schlecht."
MadC ist eine Nomadin. Und nur selten in Halle.
"Im Moment? Vielleicht so fünf Tage alle zwei Monate im Schnitt. Also, im Moment ist es wirklich extrem. Also, ich bin zwischen meinen Reisen maximal ein bis zwei Tage zu Hause."
Zuletzt ist sie in zwei Monaten 17.000 Meilen geflogen: in acht Länder - von Russland bis Mexiko.
"Ich lebe seit acht Jahren in einer festen Beziehung - und mich fragen immer alle, wie das machbar ist. Und das ist nur machbar, weil mein Freund ebenso ein Workaholic ist und mein Freund auch jemand ist, der ständig unterwegs ist und jemand, der mir nie vorschreiben würde, wann ich wo zu sein habe - und anderswo genau das Gleiche. Und dadurch funktioniert das. Problemlos, würde ich sagen."
Schon als Design-Studentin hat sie die Welt bereist. Direkt im Anschluss ans Studium bekam sie in London eine Stelle angeboten, als Art Director. Genau das, worauf sie hingearbeitet hatte. Doch als sie mit ihren künftigen Chefs redete, kamen die Zweifel. Jeden Tag in ein schickes Büro gehen? Angestellte sein, nicht Künstlerin?
"Diese eine Woche musste ich mich entscheiden, ob ich diesen Mut habe, diesen Mut zu sagen. Von einem Art-Director-Gehalt auf Null zurück nach Deutschland zu gehen, als Künstler zu probieren, ohne zu wissen, was die Zukunft mir bringt. Dann habe ich gesagt, ich mache das, ganz einfach, wenn ich das jetzt nicht mache, wird mir das nie gelingen, das zu versuchen."
Sie hat den Job abgelehnt, sich bei Verwandten verschuldet, nie Geld vom Staat genommen. Doch von Graffiti-Kunst kann niemand leben. Und deswegen geht Claudia Walde einen Kompromiss ein: Sie besprüht nicht nur Wände, sondern auch Leinwände und verkauft sie in Galerien.
"Es gibt gerade in dieser Szene, es gibt immer Leute, die meckern. Man kann es nie jedem recht machen. Und besonders, wenn es um Geld geht, gibt es immer ganz viele, die neidisch sind, meckern, oder irgendwie Angst haben, dass ihnen was weggenommen wird, was eigentlich ihnen gehört. Und da gebe ich einfach nichts drauf. Die Leute, die am meisten schreien, würden Aufträge, die ich bekomme, definitiv auch nicht ablehnen.
Ich bin definitiv in erster Linie Graffiti-Sprüherin. Ich kann es mir nicht vorstellen, jemals die Wand aufzugeben. Also, für mich ist das essenziell, Wände zu bemalen, aus dem ganzen Körper zu arbeiten und meinen Namen zu sprühen. Das ist auch die Essenz eines Graffiti-Sprühers. Und das werde ich immer bleiben. Und ohne das hätte ich auch keine Glaubwürdigkeit in einer Galerie. Das ist mein Grundstein."
Wir ziehen über die Felder in der Nähe ihres Ateliers. Zu ihrer bisher größten Arbeit: Eine Wand ungefähr 700 Quadratmeter groß, also etwa wie ein Handballfeld. Daran hat sie vier Monate gearbeitet. Unentgeltlich.
"Ich kann das nicht erklären. Das ist wie ein Feuer in mir, das mich immer wieder vorantreibt. Wo das direkt herkommt, keine Ahnung."