Nina Bunjevac: "Bezimena"
Avant-Verlag, Berlin 2020
224 Seiten, 30 Euro
Ein verstörendes Buch über sexualisierte Gewalt
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Traumhaft und mit schönen Bildern erzählt die Graphic Novel "Bezimena" von Vergewaltigung und Mord. Die Autorin Nina Bunjevac verarbeitet darin auch eigene Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt - und lässt ihr Publikum ratlos zurück.
Märchenhaft, mit Traumsequenzen und vielen Anspielungen auf die griechische Mythologie schildert die Graphic Novel "Bezimena" ein Thema, das so gar nicht zu den wunderschönen, ganzseitigen Schwarz-Weiß-Bildern passt: sexualisierte Gewalt.
Dass die serbisch-kanadische Autorin Nina Bunjevac mit dem Buch ihre eigenen Erfahrungen verarbeitet, erfährt der Leser erst am Ende, im Nachwort. Die Geschichte selbst scheine mit dem Erleben der Autorin auf den ersten Blick jedenfalls nicht viel gemein zu haben, meint unsere Literaturkritikerin Ramona Westhof. Schließlich werde sexualisierte Gewalt hier aus der Perspektive des Täters geschildert: eines jungen Mannes, der gerne Frauen beobachtet und dabei masturbiert.
Bereits als kleiner Junge beobachtet er im Unterricht seine Mitschülerin – mit der Hand in der Hose. Er ist also alles andere als normal. Trotzdem folgt die Leserin oder der Leser mehr und mehr der Wahrnehmung des Protagonisten. Als säße man direkt in seinem Kopf, kommt man seinem Empfinden und Begehren sehr nahe.
Abgleiten in eine Traumwelt
Als Erwachsener trifft der Mann die Mitschülerin wieder – denkt er. Und glaubt, sie lockt ihn mit obskuren Zeichnungen in ein Haus im Wald, wo dann Frauen auf ihn warten, mit denen er schlafen soll. Sehr detailreiche, erotische Zeichnungen schildern vermeintlich einvernehmlichen Bondage-Sex.
Gleichzeitig gleitet das Buch mehr und mehr ins Traumhafte, Surreale ab: In einem Albtraum wachsen dem Mann Hörner, ein Mädchen mit Eulenmaske beobachtet ihn. Und auch das, was er für die Realität hält, wird immer verrückter.
Irgendwann klopft die Polizei an die Tür und zeigt dem jungen Mann Fotos von drei Kindern, die vergewaltigt und ermordet wurden – von ihm.
Der Leser im moralischen Dilemma
Verherrlicht oder verharmlost "Bezimena" also Vergewaltigung und Mord, indem es das Geschehen als sexy darstellt? Ja, sagt Westhof: "Wenn es nicht eine weibliche Autorin wäre und eine Autorin, die hier eigene Erfahrungen verarbeitet, hätte ich klar gesagt, da ist eine Linie überschritten, das kann man so nicht machen."
Leichte Kost sei das Buch jedenfalls nicht. Vielmehr verstöre es und führe den Leser in ein moralisches Dilemma. "Man hat gerade noch diese schönen, erotischen Märchenbilder gesehen und ein paar Seiten weiter wird man dann mit der Realität konfrontiert."
(lkn)