Graphic Novel "Die Spinne von Mashhad“

Drogen und Prostitution in der heiligsten Stadt Irans

Teil des Covers des Graphic Novel "Die Spinne von Mashhad" von Mana Neyestani.
Teil des Covers des Graphic Novel "Die Spinne von Mashhad“ von Mana Neyestani. © Mana Neyestani/Edition Moderne Zürich
Mana Neyestani im Gespräch mit Shanli Anwar |
Vor 18 Jahren ging ein Prostituiertenmörder in der heiligsten Stadt des Irans, Mashhad, um. Die Geschichte hat der iranische Zeichner Mana Neyestani als Vorlage für seine Graphic Novel genommen. Er lebt nun in Paris und blickt von dort auf seine Heimat.
Was für Christen Rom ist, ist für die Schiiten im Iran die Pilgerstadt Maschhad, die zweitgrößte Stadt des Landes, die extrem religiös ist. Millionen Iraner reisen jedes Jahr zum Schrein des Imam Reza. Maschhad ist ein Touristenmagnet. Hinter der frommen Fassade gibt es eine ausgeprägte Prostituiertenszene - auch wenn Prostitution in der Islamischen Republik verboten ist.
Vor 18 Jahren fühlte sich ein religiöser Fanatiker, Said Hanai, zur Selbstjustiz berufen und tötete 16 Prostituierte in Maschhad. In den Medien war er bekannt als der "Spinnenmörder". Diese wahre Geschichte hat der bekannte iranische Comiczeichner Mana Neyestani als Vorlage für seine Graphic Novel genommen. Neyestani lebt in Paris und ist von dort aus zugeschaltet.
Zeichnung der Stadt Mashhad - aus der Graphic Novel "Die Spinne von Mashhad" von Mana Neyestani
Zeichnung der Stadt Mashhad - aus der Graphic Novel "Die Spinne von Mashhad“ von Mana Neyestani © Mana Neyestani/Edition Moderne Zürich

"Der Iran ist ein paradoxes Land"

Für Außenstehende sei das schwierig zu erklären, sagt Mana Neyestani. "Der Iran ist ein paradoxes Land, es ist auf der einen Seite sehr religiös, dann gibt es moderne Strömungen und diese Unterschiede prallen aufeinander in diesem Land." Man müsse berücksichtigen, dass die Armut im Iran und die Ungerechtigkeit in der Gesellschaft groß seien. Aus dieser Armut resultierten Drogenkonsum und Prostitution. Drogen würden auch als Mittel benutzt, um die eigene Lebenslage zu vergessen.

Die Inspiration für den Comic "Die Spinne von Mashhad" war die iranische Dokumentation "And Along Came A Spider" von Maziar Bahari.
Inzwischen, glaubt Neyestani, tue sich etwas: "Mittlerweile kann man die Beziehungen zwischen Männern und Frauen nicht mehr so stark kontrollieren im Iran." Eine Sache müsse berücksichtigt werden: "Mit diesem religiösen Blick im Iran ist es so, dass Sex abseits der Ehe natürlich verboten ist, dass man sich damit schuldig macht - vor allem die Frauen, die sich prostituieren, die tragen am Ende die große Last, die Hauptschuld und werden als Abschaum der Gesellschaft betrachtet." Auf die Freier geht Neyestani in "Die Spinne von Mashhad" nicht ein. Die männliche Sicht habe er durch die Ehemänner der Prostituierten hergestellt.
Als der Mörder Said Hanai vor 18 Jahren in der Stadt umging, haben viele Iraner, seinen Kampf gegen den "moralischen Abschaum" bejubelt.

Viele Iraner haben den Mörder damals bejubelt

Es sei schwierig, aus der Ferne zu beurteilen, ob es heute anders wäre. Zwölf Jahre lebt Neyestani nicht mehr im Iran. "Es gibt keine Studien, es gibt keine Statistik – das ist nicht erlaubt." Er könne über die Lage im Iran nur spekulieren, aber er gehe davon aus, dass es immer noch die Probleme gibt - auch wenn sie andere Formen angenommen hätten als vor 18 Jahren. "Der Iran ist ein Land, wo sich Tradition und Moderne absolut im Kampf befinden", sagt Neyestani. Sollte es wieder Morde an Prostituierten geben, würden das einige Menschen im Land befürworten - wenn auch nicht so laut wie vor 18 Jahren. Doch Säure-Attacken gegenüber Frauen, die ihr Kopftuch, das verpflichtend ist, vielleicht zu weit nach hinten tragen und damit zu viele Haare zeigen, gebe es immer noch. "Diese Säure-Anschläge zeigen schon, dass in der iranischen Gesellschaft vieles noch gleich geblieben ist", sagt der Zeichner.
Szene aus der Graphic Novel "Die Spinne von Mashhad" von Mana Neyestani
Szene aus der Graphic Novel "Die Spinne von Mashhad“ von Mana Neyestani © Mana Neyestani/Edition Moderne Zürich

Gefahr der Selbstzensur

Neyestani ist über Malaysia nach Frankreich geflohen. Sein Leben im Exil in Frankreich ist anders als im Iran: "Der größte Unterschied: Es gibt keine Zensur", sagt er. Neben Graphic Novel Comics zeichne er vor allem Politisches: Seine Hauptarbeit liege darin, politische Karikaturen zu zeichnen. Und das sei fernab der Kontrolle leichter, im Iran habe er mit Metaphern gearbeitet, um seine Aussagen machen zu können. Jetzt könne er politischer und direkter zeichnen. Seine Arbeiten beziehe er immer auf den Iran. Die Zensur falle zwar weg – aber eine der größten Gefahren, die er sieht, sei eine Form von Selbstzensur.
(orm)
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