Riad Sattouf: Der Araber von morgen. Eine Kindheit im Nahen Osten (1978-1984)
Aus dem Französischen von Andreas Platthaus
Knaus Verlag, München 2015
160 Seiten, 19,99 Euro
Tragischer Comic über die arabische Welt
Eine Kindheit in Libyen und Syrien: Riad Sattoufs autobiografische Graphic Novel stürmte Frankreichs Bestsellerlisten. In "Der Araber von morgen" schildert er Gewalt und Mangelwirtschaft, aus der staunenden Perspektive eines Jungen.
Der französische Comicautor und Filmregisseur Riad Sattouf hat mit seinem jüngsten Buch einen Bestseller gelandet. Seine Graphic Novel "Der Araber von morgen" wurde in Frankreich über 150.000 Mal verkauft und beim wichtigsten französischen Comic-Festival in Angoulême als Album des Jahres ausgezeichnet. Riad Sattouf ist in Frankreich auch bekannt als Zeichner für das Satiremagazin "Charlie Hebdo" und als Filmregisseur. Seine Satire auf ein feministisches Kalifat, "Jacky im Königreich der Frauen", läuft gerade auch in unseren Kinos.
Riad Sattouf wurde 1978 in Paris geboren, seine Kindheit hat er in Libyen und Syrien verbracht. Vom Aufwachsen in diesen Ländern erzählt sein autobiografisches Buch "Der Araber von morgen". Der Vater des Erzählers kommt aus einem Dorf in Syrien, um dem Militärdienst zu entgehen, geht er nach Frankreich. Er studiert Geschichte und promoviert an der Pariser Sorbonne, danach hat er ein Angebot von der Universität Oxford. Er entscheidet sich aber, an eine Universität nach Libyen zu gehen, um seiner panarabischen Mission zu folgen: Er will Bildung in arabische Länder bringen, weil er meint, nur mit Bildung könnten die Araber ihre Diktaturen und ihren religiösen Aberglauben hinter sich lassen. Allerdings träumt dieser syrische Intellektuelle auch davon, selbst ein Alleinherrscher zu werden, die Todesstrafe und andere brutale Herrschaftsmittel sind für ihn selbstverständlich.
Mit den staunenden Augen eines Kindes
Die Hauptfigur, der kleine Riad, erlebt alles mit den staunenden Augen eines Kindes, die Mangelwirtschaft im Libyen der frühen 80er Jahre genauso wie den Größenwahn des allgegenwärtigen Diktators Gaddafi. Riads Mutter arbeitet als Sprecherin bei einem französischsprachigen Programm des libyschen Radios. Als sie Gaddafis Großmachtfantasien von einem Rachefeldzug gegen die USA vortragen soll, erleidet sie einen live übertragenen Lachanfall. Das verbessert die Lage der Familie Sattouf nicht gerade, nach zwei Jahren verlassen sie Libyen wieder. Aber auch im nächsten arabischen Land, in Syrien, wird ihr Leben nicht besser. Die Familie geht in die Heimat des Vaters, in ein kleines sunnitisches Dorf in der Nähe von Homs. Der Vater hatte vorher bei vielen Gelegenheiten den unbedingten Zusammenhalt in syrischen Familien gepriesen. In seinem Dorf erfährt er aber, dass sein Bruder ihren gemeinsamen Grundbesitz verkauft hat, ohne ihn am Gewinn beteiligen zu wollen. Der kleine Riad erlebt die Großfamilie auf spezielle Weise, wenn seine Cousins mit den Fäusten auf ihn losgehen. Wegen seiner blonden Haare gilt Riad bei ihnen trotz aller Verwandtschaft als Jude, also als Freiwild.
Tragikomödie mit viel bitterem Humor
Riad Sattoufs Buch ist eine Tragikomödie mit viel bitterem Humor. Sattouf hat sie mit einem einfachen, karikierenden Strich gezeichnet, mit bizarren Köpfen und verzogenen Gesichtern. Eine Grundfarbe steht jeweils für die verschiedenen Schauplätze Frankreich, Libyen und Syrien. Immer wieder geht es um fast surreale Gewalt, gegenüber Tieren oder Kindern, aber genauso unter Erwachsenen. In diesem ersten Buch seiner auf drei Bände angelegten Autobiografie zeigt Riad Sattouf, welche Wurzeln die Gewaltausbrüche von heute in den arabischen Diktaturen der 80er Jahre haben.