Barock opulente Literaturbearbeitungen
Musils "Mann ohne Eigenschaften" als luftiges 150-Seiten-Werk, Bernhards Drama "Der Weltverbesser" in Panels: Nicolas Mahlers Comicversionen sollen vor allem das Komische im Tragischen herauskehren. Im Erlanger Comic-Salon wird er in diesem Jahr ausstellen.
"Also, die Skizzenbücher schauen bei mir so aus. Es ist eigentlich Text. Meine Skizzenbücher sind nicht so klassisch, wie man es sich von einem Zeichner vorstellt: Aha, der zeichnet jetzt aus verschiedenen Perspektiven eine Figur, bis er sich entscheidet, wie soll die ausschauen. Sondern bei mir ist das einfach Text, Text, Text."
Der österreichische Comic-Künstler Nicolas Mahler sitzt in seinem Atelier im 6. Bezirk. Genau nebenan wohnt er mit Frau und Sohn. Der Blick geht auf eine enge Wiener Gasse. Auf seinem Arbeitstisch stapeln sich Bücher, Zeichnungen, alle möglichen Papiere.
"Müsst ich schauen ..."
Zur Zeit arbeitet Nicolas Mahler an einem tragikomischen Gedichtband.
Nostalgie und Psychose
"Ein Buch, das heißt 'Dachbodenfund'. Das sind Gedichte, und das sind Montagen aus alten Auktionskatalogen. Und mir gefällt einfach die Sprache so gut. Zum Beispiel da: 'Nummer 3139, Strupp ohne Knopf, Schild und Fahne. Mohairverlust. Bespielt.' Das ist ein schönes Gedicht. Alles so eine Mischung aus Nostalgie und Psychose."
Nicolas Mahler ist in Wien geboren und lebt noch immer dort. Der 45-Jährige ist sehr groß und schmal und trägt eine Brille. Auch in seinen Comics taucht immer wieder eine lange dünne Strichfigur auf, schwarz gekleidet, mit Brille.
"Am Anfang hab ich viel zu aufwändig gezeichnet. Und hab schon sehr lang gebraucht und irgendwann einmal wollte ich nicht mehr. Und da hab ich mir gedacht, warum zeichne ich eigentlich nicht so, dass es mir Spaß macht? Und da hab ich die Gesichter entfernt von den Köpfen, viel kleinere Köpfe gemacht, dass für das Gesicht kein Platz mehr war, lange Nasen, und dann war eigentlich der Stil fertig. Mein Ziel war immer, jede Geschichte zeichnen zu können, die mir in den Sinn kommt. Und in dem Stil ist mir das jetzt möglich."
Seit 25 Jahren arbeitet Nicolas Mahler als Zeichner. Er ist Autodidakt, studiert hat er nie, bekam aber schon bald nach der Schule erste Illustrationsaufträge. Seine frühen Comicbücher veröffentlicht er in Frankreich, mittlerweile werden seine skurrilen Geschichten, die unter anderem sein eigenes Leben als Comiczeichner illustrieren, auch in der Schweiz und in Deutschland verlegt.
Im Berliner Suhrkamp Verlag erscheinen außerdem seit einigen Jahren Mahlers gezeichnete Versionen literarischer Klassiker.
"Mann ohne Eigenschaften" als luftiges 150-Seiten-Werk
"Ich finde beim Musil zum Beispiel nicht alles geglückt, aber ich versteh es. Seinen Zugang verstehe ich. Beim Bernhard sowieso. Weil mir der Humor sehr entspricht."
Den Anfang machte Mahler mit Thomas Bernhards Roman "Alte Meister" im Jahr 2011. Es folgte Robert Musils Jahrhundertroman "Der Mann ohne Eigenschaften". Und vor wenigen Monaten ist Mahlers Version von Thomas Bernhards Theaterstück "Der Weltverbesserer" erschienen.
"Was mich ja beim Bernhard so anspricht, ist ja diese totale Widersprüchlichkeit. Also dieses total vehemente etwas Vertreten und dann aber genau das Gegenteil sagen. Also, das ist ja total unschlüssig. Also er ist in sich schon so gebrochen, dass man jetzt nicht Angst haben muss, dass man ihm irgendwie Unrecht tut, weil der hält das schon aus."
Mahlers Literatur-Bearbeitungen sind für seine Verhältnisse fast opulent gezeichnet. Mit barocken Bilderrahmen, detaillierten Bodenmosaiken oder historischen Hüten und Kostümen. Doch gestrichen wird auch hier. So macht Mahler aus Musils 1500 Seiten "Mann ohne Eigenschaften" ein luftiges 150-Seiten-Werk.
"Ich kriege ja schon immer die Reaktionen: Das ist ja so wahnwitzig und wie kann man das nur so verknappen? Und das ist aber im Prinzip das, was ich eh schon seit 25 Jahren mache. Nämlich, wenn ich jetzt meine eigenen Bücher schreib, da hab ich auch viel mehr Text ursprünglich und meine Arbeit ist eigentlich immer schon gewesen, zum Großteil, zu verknappen und zu verkürzen und wegzustreichen."
In Nicolas Mahlers eigenen Bildgeschichten muss er seine Finanzbeamtin davon überzeugen, dass Comics Kunst sind, um an den reduzierten Künstler-Steuersatz zu kommen. Er erzählt von seinen Auftritten im Literaturbetrieb, auf Comicmessen und in Germanistikseminaren. In einer Geschichte randaliert ein Comicveteran "Was soll diese Bildungsscheiße? Comics müssen lustig sein". Und ganz fern steht er Nicolas Mahler mit dieser Ansicht gar nicht.
"Bei der Partnervermittlung ist immer das Wichtigste, der Partner soll Humor haben. Und wenn man jetzt zur Kunst geht oder zur Literatur, ist ja alles, was mit Humor zu tun hat, zweitklassig: Na ja, aber ist ja nur lustig, pff. Da fehlt mir ein bisschen was, muss es immer nur lustig sein? Aber für mich muss es schon immer lustig sein, weil mir ist das Ernste, das ist mir zu wenig. Es ist total leicht, irgendetwas Tragisches zu machen, weil es ist alles tragisch, eigentlich. Am Schluss muss man sterben. Aber da muss man halt einen Witz jetzt auch noch unterbringen, bevor es so weit ist. Und das ist schwierig."