Green Gentrification
Blick auf die Halbinsel Stralau: Gentrifizierung durch eine Aufwertung durch mehr Grün in Vierteln und ganzen Städten ist ein Phänomen, das inzwischen international auftritt und erforscht wird. © imago images / Volker Hohlfeld
Verdrängung in klimafreundlichen Quartieren
06:50 Minuten
Grüne Wohnviertel steigern nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Miet- und Immobilienpreise in der Umgebung. Green Gentrification heißt diese Variante der Gentrifizierung. Die fußt auf den Problemen des Wohnungsmarkts insgesamt.
Thomas Preuß sitzt in einem kleinen Café in Berlin-Prenzlauer Berg, einem Stadtteil, der schon sehr früh zum Inbegriff für Gentrifizierung geworden ist. Preuß ist Experte beim Deutschen Institut für Urbanistik, das sich mit dieser Art der Verdrängung beschäftigt. Er hält Green Gentrification lediglich für eine Variante der Gentrifizierung allgemein.
„Deswegen ist es auch etwas problematisch in diesem Kontext von Green Gentrification zu sprechen, denn es ist einfach notwendig für die Lebensqualität aller in der Stadt, auch für die mit weniger Einkommen, dass man die Lebensverhältnisse verbessert. Und das Thema Mieten und Immobilienpreise muss man natürlich genauso angehen, aber das kann man jetzt nicht mit dem Thema Umweltgerechtigkeit mit abarbeiten, sondern es sind im Grund mehrere Baustellen, in Anführungsstrichen, die die Stadt, die Stadtverwaltung und auch die Politik in der Stadt anpacken müssen“, sagt er.
Zusätzliches Grün in den Metropolen
„Wenig. Also ich hab´ natürlich hier im Haus, haben wir natürlich immer wieder Umzüge, weil wir haben halt auch mehrere WGs im Haus. Von daher ändert sich da sowieso regelmäßig was. Aber also jetzt nicht nennenswert“, sagt die eine. „Ziemlich doll sogar. Die Eigentümer der Häuser wechseln, Wohnungen werden verkauft. Neusanierungen. Nach ´ner Neusanierung gleich natürlich ´ne ziemlich hohe Miete. Die ganze alte Struktur verändert sich, demzufolge auch die Preise. Grade in Stralau, weil in Stralau hier noch viel alte Substanz war. Und das wird so nach und nach verändert“, meint die andere.
Green Gentrification – Verdrängung in Folge von grüner Aufwertung – ist ein Phänomen, das inzwischen international auftritt und erforscht wird. Die USA bieten wenig Schutz vor Verdrängung, in Europa wollen manche Kommunen als Ganzes zur grünen Stadt werden, wie etwa Nantes oder Kopenhagen. Dadurch entsteht die Gefahr großräumiger Verdrängung von sozial schwacher Bewohnerschaft.
Barcelona plant "Superblocks" mit viel Grün
Barcelona hat Superblocks erdacht, einen Zusammenschluss von mehreren Häuserblöcken, zwischen denen der Verkehr reduziert wird und Grün einkehrt. Mehr als 500 solcher Blöcke sind geplant. Das alles hat Auswirkungen auf die Mietpreise. In diesem Zusammenhang wird gerne Wien als Musterbeispiel herangezogen. Ein hoher Anteil an gemeindeeigenen und Sozialwohnungen in der österreichischen Hauptstadt begrenzt die Höhe der Mietpreise, sagt Michael Friesenecker, Geograf an der Universität für Bodenkultur in Wien. Etwas, das Berlin fehlt.
„75 Prozent sind freier, privater Mietwohnungsmarkt, und in Wien sind es 33 Prozent privater Mietwohnungsmarkt. Und davon noch einmal 20 Prozent fallen unter das Mietrecht, und nur 10 Prozent sind wirklich freier Mietmarkt. Das sind schon grobe strukturelle Unterschiede. Im Gesamten dämpft das natürlich die Risikoanfälligkeit für Green Gentrification.“
Green Gentrification im Schillerkiez in Berlin
„Fachleute streiten sich ja meines Wissens seit Jahren, ob man in Wien überhaupt ernsthaft so etwas wie Gentrifizierung beobachten kann, weil`s einfach einen so stark geschützten Wohnungsmarkt gibt“, meint auch der aus Wien stammende und in Berlin lebende Stadtplaner Raphael Sedlitzky, der in der Beratung für nachhaltige Stadtentwicklung arbeitet. In Berlin fällt ihm allerdings sofort ein Beispiel für Green Gentrification ein, der Schiller-Kiez in Neukölln.
„Das ist ein Viertel, was eigentlich bis vor 20 Jahren sehr, sehr niedrigere Mieten hatte, oder auch noch vor zehn Jahren relativ niedrige Mieten hatte, da es ein sehr, sehr dicht bebautes Viertel ist, bis vor kurzem mal in der Einflugschneise des Tempelhofer Flughafens lag. Und einfach von heute auf morgen mit der Eröffnung des Tempelhofer Feldes des ehemaligen Flughafens, wurde hier der Zugang zu einer riesigen urbanen Grünfläche geschaffen, die natürlich auch die gesamten angrenzenden Viertel, wie vor allem das Schillerkiez, hier von heute auf morgen von einem sehr dichten grünarmen Viertel eigentlich in ein Viertel mit einem riesigen Naherholungsgebiet vor der Haustür verwandelt hat.“
Nachteilige Auswirkungen auf Bewohner
Was also zum Wohl für alle gedacht war, hat sich für die Bewohner auch nachteilig ausgewirkt. Beispiel Barcelona, wo, anders als in Berlin überwiegend in Eigentum gewohnt wird – 70, 80 Prozent, sagt Sedlitzky, der selbst einige Zeit in der katalanischen Hauptstadt gelebt hat.
„Das hat sich in den letzten 20 Jahren in Barcelona stark verändert, die Wohnungen sind so teuer geworden, dass auch viele junge Spanier sich kein Eigentum mehr leisten können, also zur Miete wohnen müssen oder auch internationale Menschen zugezogen sind, die ebenfalls zur Miete wohnen, die natürlich jetzt durch dieses relativ schwache Mietrecht von Gentrifizierung hier sehr viel leichter betroffen sind.“
Wien: Schutz durch soziale Wohnungspolitik
Außerdem weist Barcelona eine der höchsten Bevölkerungsdichten aller europäischen Städte mit sehr wenig Grün auf. Was also tun, um der Green Gentrification Einhalt zu gebieten? Barcelona gewährt ärmeren Mietern Zuschüsse, um sie vor Green Gentrification zu schützen. In Wien tritt das Problem wegen der sozialen Wohnungspolitik kaum auf.
Und, meint der Städte-Experte Thomas Preuß vom Deutschen Institut für Urbanistik: „Man kann versuchen, mit Mietendeckel oder mit `nem Bündnis für Wohnungsneubau ins Gespräch zu gehen mit der Immobilienwirtschaft. Und man muss, glaube ich, die Aufwärtsspirale bei Immobilienpreisen und -mieten, das muss man einbremsen, sonst wird man den unangenehmen Nebeneffekt haben, dass Menschen, die weniger Einkommen haben, verdrängt werden aus den zentralen Lagen und dann in Lagen an den Stadträndern leben wollen, wo wir im Grunde keine Konzentration von Menschen haben möchten, die geringes Einkommen haben.“