Greenpeace: Agrogentechnik ist keine Zukunftstechnologie
Dass der Konzern BASF seine Agrogentechnik-Sparte in die USA verlagert, sei nur folgerichtig, findet der Greenpeace-Experte für Landwirtschaft, Dirk Zimmermann. Allerdings hätte er es begrüßt, "wenn die BASF nicht nur ihren Standort verändert, sondern eben auch die Unternehmenskonzeption geändert hätte". Agrogentechnik biete "absolut keine Perspektive".
Ulrike Timm: BASF gibt die Hoffnung auf, dass man sich in Europa in absehbarer Zeit doch noch für die grüne Gentechnik begeistern könnte. Der Konzern verlagert diese Sparte komplett in die USA, stoppt die Forschung mit gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland und begründet das mit dem Widerstand in der Bevölkerung gegen gentechnisch veränderte Produkte, gegen den man einfach nicht ankäme.
Zur Erinnerung: 13 Jahre lang wurde um die Einführung der genmanipulierten Kartoffel Amflora gestritten, und als die Genehmigung da war, pflanzte man gerade ein paar Hektar Versuchsacker voll. Das Bundesverfassungsgericht stufte die Gentechnik als Hochrisikotechnologie ein, und gegen so viel gesellschaftlichen Gegenwind ist einfach nicht anzukommen, meint man jetzt also bei BASF.
Kartoffel samt Forschungsstandorten einstampfen und weg, ab in die USA. Denn dass die grüne Gentechnik die Schlüsseltechnik des 21. Jahrhunderts bleibe, davon ist man bei BASF weiterhin überzeugt. Nie davon überzeugt war Dirk Zimmermann, der Experte für nachhaltige Landwirtschaft bei Greenpeace. Schönen guten Morgen!
Dirk Zimmermann: Guten Morgen!
Timm: Wie bewerten Sie denn diesen Schritt, haben bei Ihnen die Ökosektkorken geknallt?
Zimmermann: Nein, ganz so weit sind wir nicht gegangen, wir sind auch nicht sonderlich überrascht von diesem Schritt. In meinen Augen ist der eigentlich nur konsequent, wenn wir die nach wie vor anhaltende Ablehnung der Agrogentechnik in Europa sehen, und daher ist der Schritt aus Sicht von BASF auch vom unternehmerischen Standpunkt aus eigentlich nur nachvollziehbar und überfällig gewesen.
Timm: Aber BASF streicht die Segel eben ausdrücklich wegen des schlechten Rufes, nicht wegen mangelnder Zukunftsfähigkeit der Biotechnologie. Und dass man in Deutschland jetzt Geld in den Sand gesetzt hat, das mag den Konzern schmerzen, aber mit einer Verlagerung in die USA verbinden sich doch ganz reale Hoffnungen?
Zimmermann: Ja, natürlich, selbstverständlich. BASF hat ja auch ausdrücklich gesprochen von den attraktiven Märkten in Nord- und Südamerika, und das kann man eigentlich nur genauso unterstützen. Es sind eigentlich auch die einzigen Märkte, die eine Rolle spielen im Moment. 90 Prozent der Pflanzen werden in Nord- und Südamerika angebaut, der gentechnisch veränderten, und auch in Zukunft wird sich da nicht großartig was dran ändern.
Die Ablehnung in Europa, die ja nicht nur auf irgendwelchen abstrusen Ängsten beruht, sondern auch ganz konkrete Gründe hat, ist ja nicht nur hier anzufinden, sondern auch im Rest der Welt. In Asien gibt es etliche Beispiele, wo die Agrogentechnik große Probleme hat, einen Fuß in die Tür zu bekommen.
Timm: Warum meinen Sie denn, hat die grüne Gentechnik keine Zukunft? Ich meine, man kann das ja auch so interpretieren, es wird alles besser – für die grüne Gentechnik, für BASF, für den Weltmarkt, und Deutschland ist nicht dabei.
Zimmermann: Ja, das wird ja auch gern so kommuniziert. Wir brauchen uns ja eigentlich nur angucken, was die grüne Gentechnik oder die Agrogentechnik in den letzten Jahren beziehungsweise seit ihrer Einführung geleistet hat und welche Versprechen gemacht wurden und wo wir jetzt stehen. Und da ist es eigentlich wirklich nicht zu erkennen, dass hier nachhaltige Lösungen geschaffen werden. Im Gegenteil, eigentlich werden mehr Probleme neu geschaffen, als durch Gentechnik gelöst werden konnten, zumindest auf dem Acker.
Timm: Nennen Sie uns einen für Sie besonders herausstechenden Grund!
Zimmermann: Ein Grund, warum das nicht funktioniert, den würde ich zumindest vor allen Dingen in den biologischen Grundlagen sehen. Die Gentechnik, wie sie angewandt wird in der Agrogentechnik, beruht auf einem Bild der Biologie, das seit 20 Jahren überholt ist und das der Komplexität der ganzen Geschichte einfach nicht gerecht wird. Es ist eine absolute Schrotschusstechnologie, und Sachen wie Ertrag oder komplizierte Eigenschaften von Pflanzen wie eine Stresstoleranz oder -resistenz lassen sich mit diesen Methoden einfach nicht beeinflussen.
Timm: Das ist aber auch ein sehr ideologischer Streit, Herr Zimmermann, denn die EU, die importiert jedes Jahr 30 Millionen Tonnen gentechnisch modifizierte Futtermittel. Das heißt, würde man Lebensmittel wirklich exakt deklarieren, dann wüsste jeder von uns, dass er letztlich doch genmanipulierte Lebensmittel zu sich nimmt, seit Langem, und so betrachtet ist die Vorstellung, man könne sich davon freihalten, sei es aus persönlicher Überzeugung, sei es aus anderen Gründen, das ist doch letztlich reine Augenwischerei.
Zimmermann: Nun ja, wenn man sich wirklich davon freihalten will, dann ist das ja durchaus möglich. Es gibt ja auch hier genug tierische Produkte, die ohne genmanipulierte Futtermittel erzeugt worden sind. Aber ansonsten ist das natürlich durchaus richtig, dass durch diese Hintertür große Mengen nach Europa eingeführt werden, aber das heißt ja nicht, dass es dabei bleiben muss oder dass es anders ginge. Es ist nur im Moment so, dass diese Gegebenheiten da sind, das ist richtig.
Timm: Also gehen wir mal davon aus, jeder von uns ist in irgendeiner Weise doch von solchen Lebensmitteln berührt, eben einfach, weil es über die Futtermittel zurückkommt, dann ist doch davon auszugehen, wenn BASF jetzt in den USA wirtschaftlichen Erfolg hat, diesen Standort ausbaut, dass es über die Futtermittel dann noch verstärkt zu uns zurückkommt?
Zimmermann: Ja, nun wird erst mal abzuwarten sein, ob sich dieser Schritt für die BASF so auszahlt, wie sie sich das versprechen. Wenn wir davon ausgehen, dass der Kuchen in Amerika verteilt wird, dann denke ich, dass die wesentlichen Stücke dort schon an die anderen Mitbewerber gegangen sind eigentlich im Moment und die BASF sich da eigentlich eine neue Nische suchen wird oder muss, wenn sie überhaupt eine Chance haben will. Und soweit ich das weiß, arbeiten sie für die amerikanischen Märkte ja auch eher an Lebensmittelpflanzen und nicht an Futterpflanzen, beziehungsweise wenn sie das tun, dann in Kooperation mit den Anbietern, die jetzt schon die Marktführer sind.
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton". Wir sprechen mit Dirk Zimmermann über den Rückzug von BASF aus Deutschland und die Hoffnungen des Konzerns, von nun an in den USA mit grüner Gentechnik erfolgreich zu sein. Herr Zimmermann, die Hoffnungen in diese grüne Gentechnik, die waren ja hoch: Höhere Erträge, zusätzliche Nährstoffe in die Pflanzen einbringen, widerstandsfähigere Pflanzen – das haben Sie vorhin mit Stresstoleranz beschrieben –, widerstandsfähiger gegen Krankheiten – hat sich denn davon wirklich rein gar nichts erfüllt?
Zimmermann: Dem würde ich durchaus so zustimmen, ja. Also wenn wir sehen, was im Moment kommerziell auf dem Acker angebaut wird, dann handelt es sich dabei eigentlich nur um zwei Eigenschaften, die hier weltweit eine Rolle spielen. Das ist einmal die Resistenz gegen Unkrautvernichtungsmittel, das heißt, ich kann meinen Acker spritzen, wie ich lustig bin, gegen Unkräuter und meine Kulturpflanze, gentechnisch verändert, überlebt dies, oder es handelt sich um Resistenz gegen Insekten. Da in dem Fall produzieren diese Pflanzen Insektengifte und töten bestimmte Zielinsekten ab. Jetzt hat es hier allerdings gezeigt, dass auch dies keine nachhaltige Lösung ist, weil sich einfach Gleichgewichte auf dem Acker verschieben, andere Insekten springen in diese Nische ein, und die Zielinsekten werden zu allem Überfluss auch noch resistent.
Timm: Das klingt, als würden Sie BASF in den USA auch keine großen Chancen letztlich einräumen. Nun sind aber in keinem Land der Welt die Regressforderungen, wenn was schiefgeht, wenn sich zum Beispiel gentechnisch manipuliertes mit üblichem Getreide vermischen sollte, da sind die Regressforderungen in keinem Land der Welt so hoch wie in den USA. Bayer hat gerade ein 730-Millionen-Problem an der Backe mit genmanipuliertem Reis, den man nicht mehr nach Europa exportieren darf. Also wenn BASF dieses Risiko eingeht, dann könnte man ja doch meinen, wir verpassen hier in Deutschland und in Europa gerade die Zukunft in Sachen Biotechnologie, während man anderswo das Geschäft damit macht.
Zimmermann: Ja, aber gut, da liegt eine grundsätzlich andere Einschätzung der ganzen Lage zugrunde. Also, ich bin davon überzeugt, dass es sich bei Agrogentechnik nicht um eine Zukunftstechnologie handelt, und deswegen hätte ich es natürlich auch sehr begrüßt, wenn die BASF nicht nur ihren Standort verändert hätte und vielleicht die Entwicklung für Europa aufgegeben hätte, sondern eben auch die Unternehmenskonzeption, einfach die Ausrichtung des Unternehmens geändert hätte. Es gibt ja durchaus zum Beispiel biotechnologische Verfahren, die nicht auf Gentechnik zurückgreifen, in denen wir auch eine Zukunft sehen würden. Es handelt sich halt exklusiv um diese Agrogentechnik, die absolut keine Perspektive bietet in unseren Augen.
Timm: Wenn man nun mal in die Zukunft schaut: Mehr Menschen auf der Erde, bei gleicher Menge Ackerland, schwindenden Rohstoffvorräten und zunehmendem Kampf ums Wasser – wie soll sich denn die Menschheit allein mit konventionellen Mitteln ernähren, was ist Ihr Idealbild einer künftigen Landwirtschaft?
Zimmermann: Auf jeden Fall wissen wir, dass die Agrogentechnik keinerlei Beitrag leisten kann, diese Probleme zu lösen, auch wenn natürlich gerne immer vorgeschoben wird, wir erschaffen höhere Erträge, wir sichern die Welternährung und produzieren eben auch Produkte für Entwicklungsländer oder Dritte-Welt-Länder. Aber gerade in diesen Ländern sind wir eigentlich überzeugt davon oder wissen wir, dass diese Methoden nicht funktionieren können und dass dort eigentlich noch mehr als bei uns nur ökologische Anbaumethoden eine Zukunft haben und auch höhere und stabilere Erträge liefern werden. Und da gibt es auch durchaus UN-Berichte, die das bestätigen.
Timm: Und Sie sind sicher, dass diese üblichen Methoden oder ökologischen Methoden dann auch die ganze Welt würden ernähren können?
Zimmermann: Wir dürfen jetzt nicht unbedingt von Erträgen ausgehen, die in Europa vielleicht erzielt werden im Moment, und in Afrika zum Beispiel muss sich da auch noch viel ändern, aber es gibt durchaus sehr positive Beispiele, die gezeigt haben, dass die Erträge stabiler und höher sind und auf Dauer auch so ausfallen und nicht auf Kosten der Ökosysteme gehen. Weil wir müssen ja auch sehen, dass die Systeme, die uns im Moment hohe Erträge liefern in den Industrieländern, doch auf Pump gehen, also sowohl auf Pump, was die Ausnutzung der Böden betrifft, als auch die Inputs über Düngemittel, über Pestizide, die auf den Acker ausgebracht werden. Und das kann auf Dauer einfach nicht gut gehen.
Timm: Dirk Zimmermann, Experte für nachhaltige Landwirtschaft bei Greenpeace, über die Verlagerung BASF von seinem gentechnischen Standort Deutschland für die grüne Gentechnik in die USA. Herr Zimmermann, ich danke Ihnen herzlich!
Zimmermann: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Zur Erinnerung: 13 Jahre lang wurde um die Einführung der genmanipulierten Kartoffel Amflora gestritten, und als die Genehmigung da war, pflanzte man gerade ein paar Hektar Versuchsacker voll. Das Bundesverfassungsgericht stufte die Gentechnik als Hochrisikotechnologie ein, und gegen so viel gesellschaftlichen Gegenwind ist einfach nicht anzukommen, meint man jetzt also bei BASF.
Kartoffel samt Forschungsstandorten einstampfen und weg, ab in die USA. Denn dass die grüne Gentechnik die Schlüsseltechnik des 21. Jahrhunderts bleibe, davon ist man bei BASF weiterhin überzeugt. Nie davon überzeugt war Dirk Zimmermann, der Experte für nachhaltige Landwirtschaft bei Greenpeace. Schönen guten Morgen!
Dirk Zimmermann: Guten Morgen!
Timm: Wie bewerten Sie denn diesen Schritt, haben bei Ihnen die Ökosektkorken geknallt?
Zimmermann: Nein, ganz so weit sind wir nicht gegangen, wir sind auch nicht sonderlich überrascht von diesem Schritt. In meinen Augen ist der eigentlich nur konsequent, wenn wir die nach wie vor anhaltende Ablehnung der Agrogentechnik in Europa sehen, und daher ist der Schritt aus Sicht von BASF auch vom unternehmerischen Standpunkt aus eigentlich nur nachvollziehbar und überfällig gewesen.
Timm: Aber BASF streicht die Segel eben ausdrücklich wegen des schlechten Rufes, nicht wegen mangelnder Zukunftsfähigkeit der Biotechnologie. Und dass man in Deutschland jetzt Geld in den Sand gesetzt hat, das mag den Konzern schmerzen, aber mit einer Verlagerung in die USA verbinden sich doch ganz reale Hoffnungen?
Zimmermann: Ja, natürlich, selbstverständlich. BASF hat ja auch ausdrücklich gesprochen von den attraktiven Märkten in Nord- und Südamerika, und das kann man eigentlich nur genauso unterstützen. Es sind eigentlich auch die einzigen Märkte, die eine Rolle spielen im Moment. 90 Prozent der Pflanzen werden in Nord- und Südamerika angebaut, der gentechnisch veränderten, und auch in Zukunft wird sich da nicht großartig was dran ändern.
Die Ablehnung in Europa, die ja nicht nur auf irgendwelchen abstrusen Ängsten beruht, sondern auch ganz konkrete Gründe hat, ist ja nicht nur hier anzufinden, sondern auch im Rest der Welt. In Asien gibt es etliche Beispiele, wo die Agrogentechnik große Probleme hat, einen Fuß in die Tür zu bekommen.
Timm: Warum meinen Sie denn, hat die grüne Gentechnik keine Zukunft? Ich meine, man kann das ja auch so interpretieren, es wird alles besser – für die grüne Gentechnik, für BASF, für den Weltmarkt, und Deutschland ist nicht dabei.
Zimmermann: Ja, das wird ja auch gern so kommuniziert. Wir brauchen uns ja eigentlich nur angucken, was die grüne Gentechnik oder die Agrogentechnik in den letzten Jahren beziehungsweise seit ihrer Einführung geleistet hat und welche Versprechen gemacht wurden und wo wir jetzt stehen. Und da ist es eigentlich wirklich nicht zu erkennen, dass hier nachhaltige Lösungen geschaffen werden. Im Gegenteil, eigentlich werden mehr Probleme neu geschaffen, als durch Gentechnik gelöst werden konnten, zumindest auf dem Acker.
Timm: Nennen Sie uns einen für Sie besonders herausstechenden Grund!
Zimmermann: Ein Grund, warum das nicht funktioniert, den würde ich zumindest vor allen Dingen in den biologischen Grundlagen sehen. Die Gentechnik, wie sie angewandt wird in der Agrogentechnik, beruht auf einem Bild der Biologie, das seit 20 Jahren überholt ist und das der Komplexität der ganzen Geschichte einfach nicht gerecht wird. Es ist eine absolute Schrotschusstechnologie, und Sachen wie Ertrag oder komplizierte Eigenschaften von Pflanzen wie eine Stresstoleranz oder -resistenz lassen sich mit diesen Methoden einfach nicht beeinflussen.
Timm: Das ist aber auch ein sehr ideologischer Streit, Herr Zimmermann, denn die EU, die importiert jedes Jahr 30 Millionen Tonnen gentechnisch modifizierte Futtermittel. Das heißt, würde man Lebensmittel wirklich exakt deklarieren, dann wüsste jeder von uns, dass er letztlich doch genmanipulierte Lebensmittel zu sich nimmt, seit Langem, und so betrachtet ist die Vorstellung, man könne sich davon freihalten, sei es aus persönlicher Überzeugung, sei es aus anderen Gründen, das ist doch letztlich reine Augenwischerei.
Zimmermann: Nun ja, wenn man sich wirklich davon freihalten will, dann ist das ja durchaus möglich. Es gibt ja auch hier genug tierische Produkte, die ohne genmanipulierte Futtermittel erzeugt worden sind. Aber ansonsten ist das natürlich durchaus richtig, dass durch diese Hintertür große Mengen nach Europa eingeführt werden, aber das heißt ja nicht, dass es dabei bleiben muss oder dass es anders ginge. Es ist nur im Moment so, dass diese Gegebenheiten da sind, das ist richtig.
Timm: Also gehen wir mal davon aus, jeder von uns ist in irgendeiner Weise doch von solchen Lebensmitteln berührt, eben einfach, weil es über die Futtermittel zurückkommt, dann ist doch davon auszugehen, wenn BASF jetzt in den USA wirtschaftlichen Erfolg hat, diesen Standort ausbaut, dass es über die Futtermittel dann noch verstärkt zu uns zurückkommt?
Zimmermann: Ja, nun wird erst mal abzuwarten sein, ob sich dieser Schritt für die BASF so auszahlt, wie sie sich das versprechen. Wenn wir davon ausgehen, dass der Kuchen in Amerika verteilt wird, dann denke ich, dass die wesentlichen Stücke dort schon an die anderen Mitbewerber gegangen sind eigentlich im Moment und die BASF sich da eigentlich eine neue Nische suchen wird oder muss, wenn sie überhaupt eine Chance haben will. Und soweit ich das weiß, arbeiten sie für die amerikanischen Märkte ja auch eher an Lebensmittelpflanzen und nicht an Futterpflanzen, beziehungsweise wenn sie das tun, dann in Kooperation mit den Anbietern, die jetzt schon die Marktführer sind.
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton". Wir sprechen mit Dirk Zimmermann über den Rückzug von BASF aus Deutschland und die Hoffnungen des Konzerns, von nun an in den USA mit grüner Gentechnik erfolgreich zu sein. Herr Zimmermann, die Hoffnungen in diese grüne Gentechnik, die waren ja hoch: Höhere Erträge, zusätzliche Nährstoffe in die Pflanzen einbringen, widerstandsfähigere Pflanzen – das haben Sie vorhin mit Stresstoleranz beschrieben –, widerstandsfähiger gegen Krankheiten – hat sich denn davon wirklich rein gar nichts erfüllt?
Zimmermann: Dem würde ich durchaus so zustimmen, ja. Also wenn wir sehen, was im Moment kommerziell auf dem Acker angebaut wird, dann handelt es sich dabei eigentlich nur um zwei Eigenschaften, die hier weltweit eine Rolle spielen. Das ist einmal die Resistenz gegen Unkrautvernichtungsmittel, das heißt, ich kann meinen Acker spritzen, wie ich lustig bin, gegen Unkräuter und meine Kulturpflanze, gentechnisch verändert, überlebt dies, oder es handelt sich um Resistenz gegen Insekten. Da in dem Fall produzieren diese Pflanzen Insektengifte und töten bestimmte Zielinsekten ab. Jetzt hat es hier allerdings gezeigt, dass auch dies keine nachhaltige Lösung ist, weil sich einfach Gleichgewichte auf dem Acker verschieben, andere Insekten springen in diese Nische ein, und die Zielinsekten werden zu allem Überfluss auch noch resistent.
Timm: Das klingt, als würden Sie BASF in den USA auch keine großen Chancen letztlich einräumen. Nun sind aber in keinem Land der Welt die Regressforderungen, wenn was schiefgeht, wenn sich zum Beispiel gentechnisch manipuliertes mit üblichem Getreide vermischen sollte, da sind die Regressforderungen in keinem Land der Welt so hoch wie in den USA. Bayer hat gerade ein 730-Millionen-Problem an der Backe mit genmanipuliertem Reis, den man nicht mehr nach Europa exportieren darf. Also wenn BASF dieses Risiko eingeht, dann könnte man ja doch meinen, wir verpassen hier in Deutschland und in Europa gerade die Zukunft in Sachen Biotechnologie, während man anderswo das Geschäft damit macht.
Zimmermann: Ja, aber gut, da liegt eine grundsätzlich andere Einschätzung der ganzen Lage zugrunde. Also, ich bin davon überzeugt, dass es sich bei Agrogentechnik nicht um eine Zukunftstechnologie handelt, und deswegen hätte ich es natürlich auch sehr begrüßt, wenn die BASF nicht nur ihren Standort verändert hätte und vielleicht die Entwicklung für Europa aufgegeben hätte, sondern eben auch die Unternehmenskonzeption, einfach die Ausrichtung des Unternehmens geändert hätte. Es gibt ja durchaus zum Beispiel biotechnologische Verfahren, die nicht auf Gentechnik zurückgreifen, in denen wir auch eine Zukunft sehen würden. Es handelt sich halt exklusiv um diese Agrogentechnik, die absolut keine Perspektive bietet in unseren Augen.
Timm: Wenn man nun mal in die Zukunft schaut: Mehr Menschen auf der Erde, bei gleicher Menge Ackerland, schwindenden Rohstoffvorräten und zunehmendem Kampf ums Wasser – wie soll sich denn die Menschheit allein mit konventionellen Mitteln ernähren, was ist Ihr Idealbild einer künftigen Landwirtschaft?
Zimmermann: Auf jeden Fall wissen wir, dass die Agrogentechnik keinerlei Beitrag leisten kann, diese Probleme zu lösen, auch wenn natürlich gerne immer vorgeschoben wird, wir erschaffen höhere Erträge, wir sichern die Welternährung und produzieren eben auch Produkte für Entwicklungsländer oder Dritte-Welt-Länder. Aber gerade in diesen Ländern sind wir eigentlich überzeugt davon oder wissen wir, dass diese Methoden nicht funktionieren können und dass dort eigentlich noch mehr als bei uns nur ökologische Anbaumethoden eine Zukunft haben und auch höhere und stabilere Erträge liefern werden. Und da gibt es auch durchaus UN-Berichte, die das bestätigen.
Timm: Und Sie sind sicher, dass diese üblichen Methoden oder ökologischen Methoden dann auch die ganze Welt würden ernähren können?
Zimmermann: Wir dürfen jetzt nicht unbedingt von Erträgen ausgehen, die in Europa vielleicht erzielt werden im Moment, und in Afrika zum Beispiel muss sich da auch noch viel ändern, aber es gibt durchaus sehr positive Beispiele, die gezeigt haben, dass die Erträge stabiler und höher sind und auf Dauer auch so ausfallen und nicht auf Kosten der Ökosysteme gehen. Weil wir müssen ja auch sehen, dass die Systeme, die uns im Moment hohe Erträge liefern in den Industrieländern, doch auf Pump gehen, also sowohl auf Pump, was die Ausnutzung der Böden betrifft, als auch die Inputs über Düngemittel, über Pestizide, die auf den Acker ausgebracht werden. Und das kann auf Dauer einfach nicht gut gehen.
Timm: Dirk Zimmermann, Experte für nachhaltige Landwirtschaft bei Greenpeace, über die Verlagerung BASF von seinem gentechnischen Standort Deutschland für die grüne Gentechnik in die USA. Herr Zimmermann, ich danke Ihnen herzlich!
Zimmermann: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.