Greenpeace: Atommüll aus Rossendorf muss in Deutschland bleiben
Nach Ansicht des Greenpeace-Atomexperten Tobias Münchmeyer ist Deutschland und nicht Russland für den Atommüll aus der Kernforschungsanlage Rossendorf verantwortlich, der nach dem Willen der Bundesregierung nach Majak in Russland gebracht werden soll.
Susanne Führer: Gestern Vormittag ist der Atommüll aus dem französischen La Hague an seinem Bestimmungsort eingetroffen, in Gorleben nämlich, und dort bleibt er vorerst, verpackt in den berühmten Castoren, weil Gorleben ja nur ein Zwischenlager ist. Für den Transport des Atommülls aus dem nordrhein-westfälischen Ahaus müssen also neue Castorbehälter her, die sollen dann, wenn es nach der Bundesregierung geht, eine wesentlich weitere Reise antreten, zur Atomanlage Majak im Südural nämlich. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte diesen Plan gestern groß öffentlich gemacht, die Umweltverbände sind empört, darunter auch Greenpeace, warum genau, das wird uns jetzt Tobias Münchmeyer erläutern, Russlandexperte von Greenpeace Deutschland. Guten Morgen, Herr Münchmeyer!
Tobias Münchmeyer: Guten Morgen!
Führer: Was ist denn Majak für eine Anlage?
Münchmeyer: Majak ist sozusagen die Wiege der sowjetischen Atombombe. 1945 gegründet, ist dort das Plutonium hergestellt worden, was 1949 eingesetzt wurde zum ersten Atombombentest der Sowjetunion, also sozusagen ein prioritäres Geheimprojekt, ein Geheimkomplex von Stalin, mit eben einer ganz düsteren militärischen Vergangenheit, aber eben auch einer ganz düsteren Vergangenheit und Gegenwart, was Atomunfälle betrifft.
Führer: Ich habe gelesen, es gab einen großen Atomunfall 1957, sozusagen der zweitgrößte, wenn man jetzt eine Rangliste aufmachen will, nach Tschernobyl, als da ein Tank explodiert ist. Aber wie gesagt, das war 1957. Seitdem soll die Anlage doch modernisiert worden sein. Was wissen Sie denn über den jetzigen Zustand, Herr Münchmeyer?
Münchmeyer: 1957 die Explosion war das schlimmste Ereignis an diesem Standort und das zweitschlimmste weltweit eigentlich an Atomunfällen, aber weiß Gott nicht das einzige, was dort in Majak geschehen ist. Schon in den Jahren zuvor ist routinemäßig hoch radioaktiver, flüssiger Atommüll in Flüsse geleitet worden, in Flüsse geleitet worden, die bis heute für Trinkwasserentnahme für Dörfer genutzt werden. Da gibt es Klagen der Anwohner, da gibt es ganz erhöhte Krebsraten, das ist eine ganz furchtbare Situation dort in der Region um Majak herum. Das war also ein schleichendes Verbrechen über Jahre, das dort in den Fluss Tetscha dieser Atommüll eingeleitet wurde. Gleichzeitig wird bis heute eingeleitet in einen nahegelegenen Teich, den Karatschai-See, das ist der kontaminierteste See auf diesem Planeten. Wenn der austrocknet, dann ergeben sich Winde, die Salze und vor allem Sand über weite Landstriche verteilen und kontaminieren, das war vor allem Ende der 60er-Jahre eine riesige Katastrophe. Aber auch, wenn wir in die Gegenwart schauen, da hatten wir es noch im Jahre 2007 mit zwei Unfällen zu tun, bei denen radioaktiv verseuchte Flüssigkeiten außerhalb der Anlage gelangten bei Transporten, das heißt, die Geschichte, die unselige Unfallgeschichte von Majak reicht bis in die Gegenwart.
Führer: Das heißt, die Modernisierung entspricht sozusagen nicht, sagen wir mal, deutschem oder westeuropäischem Standard, die dort stattgefunden hat?
Münchmeyer: Die Modernisierung entspricht nicht den Standards, vor allem muss man aber sagen, wir haben es hier mit einer Wiederaufarbeitungsanlage zu tun, also das sind genau diese Anlagen, die wir ja auch als Zellerfield und aus La Hague kennen, das sind die drei Anlagen weltweit, die eben dieses hochgefährliche und dreckige Verfahren anwenden, in Säurebädern abgebrannte Brennelemente aufzulösen, um Plutonium und Uran herauszuziehen und den Rest, die riesigen flüssigen Mengen, dann irgendwie irgendwo zu verwahren. Das heißt, das Problem liegt nicht nur in der russischen Handhabung, die sicher zu wünschen übrig lässt, sondern eben auch in dem Verfahren als solchem. Aus diesem Grunde ist in Deutschland ja eine Wiederaufarbeitungsanlage ja auch gestoppt worden unter Protesten, nämlich Stichwort Wackersdorf, aus denselben Gründen gibt es selbst in den USA, was ja weiß Gott ein Atomland ist, keine Wiederaufarbeitungsanlage. Das war ein Beschluss von Jimmy Carter in den 80er-Jahren, dass die USA diesen Weg nicht gehen würde.
Führer: Diese Brennstäbe, die stammen ja aus einem Forschungsreaktor, es handelt sich also um nicht waffenfähiges Plutonium. Die sollen jetzt nach Majak gebracht werden, und dort dann behandelt werden, ich glaube da müssen wir technisch nicht so drauf eingehen, dann wieder eingesetzt werden in einem Atomkraftwerk, um dann in Russland endgelagert zu werden. Da habe ich mich gefragt, Herr Münchmeyer: Gibt es denn in Russland ein Endlager?
Münchmeyer: Es gibt nirgendwo ein Endlager, deswegen natürlich auch in Russland nicht, weltweit gibt es kein Endlager. Es gibt Forschung in verschiedenen Ländern, manche Forschung, die weiter fortgeschritten ist, da wird oft genannt Finnland, Schweden, wobei auch dort man weit davon entfernt ist, wirklich mit einer Einlagerung in ein solches Endlager zu beginnen. Das heißt, obwohl wir es jetzt mit über 50 Jahren Nutzung der Atomkraft zu tun haben für Stromproduktion, wissen wir überhaupt noch nicht, was wir eigentlich mit dem Atommüll machen sollen, und das gilt für Russland also ganz genauso. Dort wird zwischengelagert und eben wieder aufgearbeitet in Majak.
Führer: Tobias Münchmeyer von Greenpeace Deutschland im Deutschlandradio Kultur. Ich verstehe es noch nicht so richtig: Sie haben jetzt von diesen Unfällen gesprochen und von der Modernisierung, die zu wünschen übrig lässt, aber wie wird denn der Atommüll in Russland gelagert, denn da muss ja nun inzwischen auch eine ganze Menge angefallen sein?
Münchmeyer: Also es gibt Lagerhallen, so wie es die natürlich in Ahaus und in Deutschland auch gibt, wo nichts passiert sozusagen, wo die einfach nur stehen, zwischengelagert stehen, weil man ja nicht weiß, wohin damit, und dann gibt es eben diese Wiederaufarbeitungsanlage, das heißt, Schritt für Schritt werden Brennelemente genommen aus den Castoren heraus, werden in diese Säurebäder gelegt, dort wird in einem sehr aufwändigen und eben auch sehr gefährlichen chemischen Verfahren das Plutonium und das Uran herausgenommen, und der Rest, was den ganz, ganz hohen Strahlenanteil betrifft, der wird verglast und dann haben wir diese Glaskugeln, von denen wir wieder nicht wissen, wohin damit. Das sind ja genau die Art und Weise Müll, die jetzt gerade aus Frankreich auch zurückgekommen ist, das waren ja nicht Brennelemente, die nach Deutschland geliefert wurden, sondern genau die Abfälle aus einer solchen Wiederaufarbeitung. Das Uran soll dann eben genutzt werden für neue Brennelemente, und das Plutonium möglicherweise auch für spezielle Brennelemente, sogenannte MOX-Brennelemente.
Führer: Nun liegt Majak im Südural ja wahrlich nicht gleich um die Ecke. Wissen Sie eigentlich etwas darüber, wie der Transport überhaupt vonstatten gehen sollte für den Fall, dass er zustande kommt?
Münchmeyer: Es heißt, dass an einen Schiffstransport nach Russland gedacht ist. Wir vermuten also einen Eisenbahntransport von Ahaus nach Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern, von dort aus mit einem Schiff über die Ostsee bis nach St. Petersburg und von St. Petersburg wiederum mit dem Zug. Wer die russische Eisenbahn kennt – und ich kenne sie sehr gut, ich bin auch mal nach Majak beziehungsweise nach Tscheljabinsk gefahren, 48 Stunden von Moskau, also von St. Petersburg dementsprechend sicher würde man als Passagier 50, 55 Stunden fahren, bei einem Gütertransport ist das wahrscheinlich noch wesentlich langsamer –, wer die russische Eisenbahn kennt, der weiß, dass auch dort man es natürlich zu tun hat mit Transportrisiken, das heißt Unfallrisiken, auf einer ganz anderen Ebene als in Deutschland. Und es kommt hinzu: Russland ist ein Land mit einem großen Problem, was Sicherheit betrifft, Stichwort Tschetschenien, Stichwort Terrorismus. Wir weisen in Deutschland oft darauf hin, dass es Terrorrisiken gibt und die Möglichkeiten gibt von Anschlägen auf Nuklearanlagen, Atomkraftwerke, aber auch Zwischenlager. In Russland ist diese Gefahr natürlich noch viel, viel potenzierter, dadurch, dass man im eigenen Land tatsächlich terroristische Organisationen hat.
Führer: Das ist ja jetzt eine komplett entgegengesetzte Argumentation zu dem Vertrag, der ja extra geschlossen worden ist zwischen Russland und den USA und der Internationalen Atomenergiebehörde, nämlich, dass also Russland als Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion eben seine Brennelemente, seinen Atommüll wieder zurückzunehmen hat aus den ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten eben, wo sie das hingeliefert hatten, Polen und Ungarn zum Beispiel haben das getan, also und eben mit dem Argument, dass nicht die Gefahr bestehen soll, dass dieser Atommüll in die Hände von Terroristen oder was auch immer fällt, und deswegen soll der in das Ursprungsland zurückgebracht werden. Sie sagen jetzt gerade, das Zurückbringen würde die Gefahr darstellen.
Münchmeyer: Sicher, ich denke, man muss da tatsächlich auch abwägen: Wo ist dieses gefährliche Material besser untergebracht, in Deutschland oder in Russland? Und da würde man mit Sicherheit sagen, in Deutschland, weil Deutschland ja nun auch ein Land ist, was nicht kurz davor steht, ein Atomprogramm zu entwickeln. Dann wäre die Situation sicher eine andere. Aber das ist in Deutschland nun weiß Gott kein Thema. Das ist die eine Begründung, warum der Atommüll in Deutschland bleiben sollte. Die andere ist sicherlich die Frage der Verantwortung: Wo ist denn die Radioaktivität, um die geht es ja letztendlich, wo ist die denn entstanden? Es geht also nicht um den Rohstoff, der irgendwann mal vor 50 Jahren aus einem Land, was heute nicht mehr existiert, Sowjetunion, in ein anderes Land, was heute nicht mehr existiert, nämlich DDR, geliefert worden ist, sondern es geht doch darum: Wo ist eigentlich die Strahlung entstanden? Die ist entstanden in Sachsen, in wissenschaftlichen Experimenten in Rossendorf. Deswegen gibt es eine Verantwortung für Sachsen beziehungsweise für Deutschland, und gemäß dieser Verantwortung muss der Atommüll in Deutschland bleiben.
Führer: Tobias Münchmeyer von Greenpeace Deutschland, danke für Ihren Besuch im Studio, Herr Münchmeyer!
Tobias Münchmeyer: Guten Morgen!
Führer: Was ist denn Majak für eine Anlage?
Münchmeyer: Majak ist sozusagen die Wiege der sowjetischen Atombombe. 1945 gegründet, ist dort das Plutonium hergestellt worden, was 1949 eingesetzt wurde zum ersten Atombombentest der Sowjetunion, also sozusagen ein prioritäres Geheimprojekt, ein Geheimkomplex von Stalin, mit eben einer ganz düsteren militärischen Vergangenheit, aber eben auch einer ganz düsteren Vergangenheit und Gegenwart, was Atomunfälle betrifft.
Führer: Ich habe gelesen, es gab einen großen Atomunfall 1957, sozusagen der zweitgrößte, wenn man jetzt eine Rangliste aufmachen will, nach Tschernobyl, als da ein Tank explodiert ist. Aber wie gesagt, das war 1957. Seitdem soll die Anlage doch modernisiert worden sein. Was wissen Sie denn über den jetzigen Zustand, Herr Münchmeyer?
Münchmeyer: 1957 die Explosion war das schlimmste Ereignis an diesem Standort und das zweitschlimmste weltweit eigentlich an Atomunfällen, aber weiß Gott nicht das einzige, was dort in Majak geschehen ist. Schon in den Jahren zuvor ist routinemäßig hoch radioaktiver, flüssiger Atommüll in Flüsse geleitet worden, in Flüsse geleitet worden, die bis heute für Trinkwasserentnahme für Dörfer genutzt werden. Da gibt es Klagen der Anwohner, da gibt es ganz erhöhte Krebsraten, das ist eine ganz furchtbare Situation dort in der Region um Majak herum. Das war also ein schleichendes Verbrechen über Jahre, das dort in den Fluss Tetscha dieser Atommüll eingeleitet wurde. Gleichzeitig wird bis heute eingeleitet in einen nahegelegenen Teich, den Karatschai-See, das ist der kontaminierteste See auf diesem Planeten. Wenn der austrocknet, dann ergeben sich Winde, die Salze und vor allem Sand über weite Landstriche verteilen und kontaminieren, das war vor allem Ende der 60er-Jahre eine riesige Katastrophe. Aber auch, wenn wir in die Gegenwart schauen, da hatten wir es noch im Jahre 2007 mit zwei Unfällen zu tun, bei denen radioaktiv verseuchte Flüssigkeiten außerhalb der Anlage gelangten bei Transporten, das heißt, die Geschichte, die unselige Unfallgeschichte von Majak reicht bis in die Gegenwart.
Führer: Das heißt, die Modernisierung entspricht sozusagen nicht, sagen wir mal, deutschem oder westeuropäischem Standard, die dort stattgefunden hat?
Münchmeyer: Die Modernisierung entspricht nicht den Standards, vor allem muss man aber sagen, wir haben es hier mit einer Wiederaufarbeitungsanlage zu tun, also das sind genau diese Anlagen, die wir ja auch als Zellerfield und aus La Hague kennen, das sind die drei Anlagen weltweit, die eben dieses hochgefährliche und dreckige Verfahren anwenden, in Säurebädern abgebrannte Brennelemente aufzulösen, um Plutonium und Uran herauszuziehen und den Rest, die riesigen flüssigen Mengen, dann irgendwie irgendwo zu verwahren. Das heißt, das Problem liegt nicht nur in der russischen Handhabung, die sicher zu wünschen übrig lässt, sondern eben auch in dem Verfahren als solchem. Aus diesem Grunde ist in Deutschland ja eine Wiederaufarbeitungsanlage ja auch gestoppt worden unter Protesten, nämlich Stichwort Wackersdorf, aus denselben Gründen gibt es selbst in den USA, was ja weiß Gott ein Atomland ist, keine Wiederaufarbeitungsanlage. Das war ein Beschluss von Jimmy Carter in den 80er-Jahren, dass die USA diesen Weg nicht gehen würde.
Führer: Diese Brennstäbe, die stammen ja aus einem Forschungsreaktor, es handelt sich also um nicht waffenfähiges Plutonium. Die sollen jetzt nach Majak gebracht werden, und dort dann behandelt werden, ich glaube da müssen wir technisch nicht so drauf eingehen, dann wieder eingesetzt werden in einem Atomkraftwerk, um dann in Russland endgelagert zu werden. Da habe ich mich gefragt, Herr Münchmeyer: Gibt es denn in Russland ein Endlager?
Münchmeyer: Es gibt nirgendwo ein Endlager, deswegen natürlich auch in Russland nicht, weltweit gibt es kein Endlager. Es gibt Forschung in verschiedenen Ländern, manche Forschung, die weiter fortgeschritten ist, da wird oft genannt Finnland, Schweden, wobei auch dort man weit davon entfernt ist, wirklich mit einer Einlagerung in ein solches Endlager zu beginnen. Das heißt, obwohl wir es jetzt mit über 50 Jahren Nutzung der Atomkraft zu tun haben für Stromproduktion, wissen wir überhaupt noch nicht, was wir eigentlich mit dem Atommüll machen sollen, und das gilt für Russland also ganz genauso. Dort wird zwischengelagert und eben wieder aufgearbeitet in Majak.
Führer: Tobias Münchmeyer von Greenpeace Deutschland im Deutschlandradio Kultur. Ich verstehe es noch nicht so richtig: Sie haben jetzt von diesen Unfällen gesprochen und von der Modernisierung, die zu wünschen übrig lässt, aber wie wird denn der Atommüll in Russland gelagert, denn da muss ja nun inzwischen auch eine ganze Menge angefallen sein?
Münchmeyer: Also es gibt Lagerhallen, so wie es die natürlich in Ahaus und in Deutschland auch gibt, wo nichts passiert sozusagen, wo die einfach nur stehen, zwischengelagert stehen, weil man ja nicht weiß, wohin damit, und dann gibt es eben diese Wiederaufarbeitungsanlage, das heißt, Schritt für Schritt werden Brennelemente genommen aus den Castoren heraus, werden in diese Säurebäder gelegt, dort wird in einem sehr aufwändigen und eben auch sehr gefährlichen chemischen Verfahren das Plutonium und das Uran herausgenommen, und der Rest, was den ganz, ganz hohen Strahlenanteil betrifft, der wird verglast und dann haben wir diese Glaskugeln, von denen wir wieder nicht wissen, wohin damit. Das sind ja genau die Art und Weise Müll, die jetzt gerade aus Frankreich auch zurückgekommen ist, das waren ja nicht Brennelemente, die nach Deutschland geliefert wurden, sondern genau die Abfälle aus einer solchen Wiederaufarbeitung. Das Uran soll dann eben genutzt werden für neue Brennelemente, und das Plutonium möglicherweise auch für spezielle Brennelemente, sogenannte MOX-Brennelemente.
Führer: Nun liegt Majak im Südural ja wahrlich nicht gleich um die Ecke. Wissen Sie eigentlich etwas darüber, wie der Transport überhaupt vonstatten gehen sollte für den Fall, dass er zustande kommt?
Münchmeyer: Es heißt, dass an einen Schiffstransport nach Russland gedacht ist. Wir vermuten also einen Eisenbahntransport von Ahaus nach Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern, von dort aus mit einem Schiff über die Ostsee bis nach St. Petersburg und von St. Petersburg wiederum mit dem Zug. Wer die russische Eisenbahn kennt – und ich kenne sie sehr gut, ich bin auch mal nach Majak beziehungsweise nach Tscheljabinsk gefahren, 48 Stunden von Moskau, also von St. Petersburg dementsprechend sicher würde man als Passagier 50, 55 Stunden fahren, bei einem Gütertransport ist das wahrscheinlich noch wesentlich langsamer –, wer die russische Eisenbahn kennt, der weiß, dass auch dort man es natürlich zu tun hat mit Transportrisiken, das heißt Unfallrisiken, auf einer ganz anderen Ebene als in Deutschland. Und es kommt hinzu: Russland ist ein Land mit einem großen Problem, was Sicherheit betrifft, Stichwort Tschetschenien, Stichwort Terrorismus. Wir weisen in Deutschland oft darauf hin, dass es Terrorrisiken gibt und die Möglichkeiten gibt von Anschlägen auf Nuklearanlagen, Atomkraftwerke, aber auch Zwischenlager. In Russland ist diese Gefahr natürlich noch viel, viel potenzierter, dadurch, dass man im eigenen Land tatsächlich terroristische Organisationen hat.
Führer: Das ist ja jetzt eine komplett entgegengesetzte Argumentation zu dem Vertrag, der ja extra geschlossen worden ist zwischen Russland und den USA und der Internationalen Atomenergiebehörde, nämlich, dass also Russland als Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion eben seine Brennelemente, seinen Atommüll wieder zurückzunehmen hat aus den ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten eben, wo sie das hingeliefert hatten, Polen und Ungarn zum Beispiel haben das getan, also und eben mit dem Argument, dass nicht die Gefahr bestehen soll, dass dieser Atommüll in die Hände von Terroristen oder was auch immer fällt, und deswegen soll der in das Ursprungsland zurückgebracht werden. Sie sagen jetzt gerade, das Zurückbringen würde die Gefahr darstellen.
Münchmeyer: Sicher, ich denke, man muss da tatsächlich auch abwägen: Wo ist dieses gefährliche Material besser untergebracht, in Deutschland oder in Russland? Und da würde man mit Sicherheit sagen, in Deutschland, weil Deutschland ja nun auch ein Land ist, was nicht kurz davor steht, ein Atomprogramm zu entwickeln. Dann wäre die Situation sicher eine andere. Aber das ist in Deutschland nun weiß Gott kein Thema. Das ist die eine Begründung, warum der Atommüll in Deutschland bleiben sollte. Die andere ist sicherlich die Frage der Verantwortung: Wo ist denn die Radioaktivität, um die geht es ja letztendlich, wo ist die denn entstanden? Es geht also nicht um den Rohstoff, der irgendwann mal vor 50 Jahren aus einem Land, was heute nicht mehr existiert, Sowjetunion, in ein anderes Land, was heute nicht mehr existiert, nämlich DDR, geliefert worden ist, sondern es geht doch darum: Wo ist eigentlich die Strahlung entstanden? Die ist entstanden in Sachsen, in wissenschaftlichen Experimenten in Rossendorf. Deswegen gibt es eine Verantwortung für Sachsen beziehungsweise für Deutschland, und gemäß dieser Verantwortung muss der Atommüll in Deutschland bleiben.
Führer: Tobias Münchmeyer von Greenpeace Deutschland, danke für Ihren Besuch im Studio, Herr Münchmeyer!