Gregor Gysi, Jahrgang 1948, ist Bundestagsabgeordneter der Partei Die Linke. Der Rechtsanwalt war 1989 bis 1993 der letzte Vorsitzende der SED-PDS und ihrer Nachfolgepartei PDS. 2016 wählte ihn die übernationale Europäische Linke – ein auf der Ebene der Europäischen Union organisierter Zusammenschluss linkssozialistischer bis postkommunistischer Parteien – auf einem Parteitag in Berlin zu ihrem Präsidenten.
"Wir Deutschen denken immer in Form von Sanktionen"
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Leistungskürzungen für Hartz IV-Empfänger sind laut Bundesverfassungsgericht teilweise nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Linken-Politiker Gregor Gysi genügt dieses Urteil nicht: Das Existenzminimum dürfe unter keinen Umständen angetastet werden.
Das Bundesverfassungsgericht urteilte am heutigen 5. November, dass Sanktionen gegen Hartz IV-Empfänger wie Kürzungen oder Streichungen von Leistungen in Teilen gegen das Grundgesetz verstoßen (1 BvL 7/16). Die Jobcentermitarbeiter sollen mehr Spielraum bekommen und nicht sofort Maßnahmen ergreifen müssen, wenn ein Arbeitsloser nicht bereit ist, mit den Beratern zusammenzuarbeiten.
Unserem Studiogast Gregor Gysi genügt das nicht: "Wenn wir ein Existenzminimum definieren, darf niemand das Existenzminimum unterschreiten. Wir Deutschen denken immer in Form von Sanktionen. Ich verstehe nicht, warum wir nicht in Form von Boni denken", sagt der Linken-Politiker.
"Wir könnten doch sagen: Das ist der Betrag, den jeder Bedürftige bekommt, und diejenigen, die sich engagieren oder die wirklich krank sind, die kriegen eben einen Aufschlag. Also: umgekehrt herangehen."
Boni für besonderes Engagement bei der Jobsuche
Aber so werde in Deutschland leider nicht gedacht. Gysi ist davon überzeugt, dass Boni für besonderes Engagement bei der Jobsuche positive Wirkung zeigen würden. Im Übrigen, so der Jurist: Es gebe laut UN-Menschenrechtskonvention keine Pflicht zu arbeiten, somit dürfe niemand sanktioniert werden, der gerade keine Arbeit habe.
Zur politischen Bedeutung von Hartz IV sagt Gysi weiter, ein Umdenken sei in Deutschland dringend notwendig: Mit Hartz IV und den strengen Regelungen habe die SPD sich selbst die Existenzgrundlage entzogen.
Dieses Thema setzt sich für Gysi bis zur Rente fort: Die Agenda 2010 habe letztlich dazu geführt "dass wir innerhalb der EU jetzt in Deutschland den größten Niedriglohnsektor haben. Der ist mit 20 Prozent größer als in Griechenland – das muss man sich mal überlegen."
Millionenfach prekär Beschäftigte wiederum führten direkt zu Niedrigrenten unter der Grundsicherung. (mkn)
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