"Biden wird eine Übergangsfigur bleiben"
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Joe Biden ist vor allem als Anti-Trump gewählt worden und nicht wegen seiner Inhalte. Als Präsident wird er zudem mit Widerstand aus dem linken Lager und von den Republikanern rechnen müssen, meint der Schriftsteller und Übersetzer Gregor Hens.
Betrug und Diebstahl: So beschreibt das Trump-Lager den Wahlsieg Joe Bidens zum Präsidenten der Vereinigten Staaten. Hinweise oder gar Beweise gibt es für diese Vorwürfe keine. Auch wenn so ein Vorgehen aktuell im Weißen Haus nichts Ungewöhnliches ist, lohnt es sich, die Rhetorik dieses Lagers zu analysieren.
Der Schriftsteller und Übersetzer Gregor Hens hat über 20 Jahre in den USA gelebt und gearbeitet. Ihm sind vor allem die Slogans aus dem Trumplager aufgefallen:
"Um Trump ist es im Moment relativ ruhig geworden. Er spielt Golf, aber seine Fans benutzen diese Slogans. Vor allem dieses 'Stop the steal' also 'Stoppt das Stehlen der Wahl', das ist wieder so ein klassischer rechter Slogan, der offenbar unter den Fans ausgesprochen gut funktioniert. Der passt auf ein Banner drauf, und das kann man sich gut merken."
Biden ist ein Anti-Trump
Hens befürchtet, dass dieses Narrativ noch lange Folgen haben wird. Denn wenn die Wahl als illegitim angesehen würde, werden sich auch die politischen Gegner von Biden und den Demokraten nicht zufrieden geben. Dies könne darauf hinauslaufen, dass sie auf eine Art Messias zur nächsten Wahl warten. Außerdem glaubt Hens, dass Trumps Kommunikationsstrategie mit den kurzen, prägnanten Slogans auch in Zukunft bleiben und weitergetrieben wird.
Dem neuen Präsidenten Joe Biden räumt er hingegen keinen großen Platz in der Geschichte ein:
"Ich glaube, dass Biden eine Übergangsfigur bleiben wird. Der hat kein politisches Profil in dem Sinne. Er ist als ein Anti-Trump gewählt worden, als derjenige, der von der Persönlichkeit her ganz weit weg ist von Trump. Aber er hat eigentlich relativ wenig politisch zu bieten. Und er wird vor allem zerrissen werden. Auf der einen Seite von den Linken in der Demokratischen Partei, auf der anderen Seite muss er auch mit den Republikanern zusammenarbeiten, die alles blockieren werden, weil sie den Senat wahrscheinlich behalten werden."
Die Unverstandenen
Zusätzlich sieht Hens das Problem, dass progressive US-Amerikaner den Rest des Landes nicht mehr verstehen. Dies würde man zum Beispiel an der Medienlandschaft sehen. Auch die politischen Umfragen, die das knappe Wahlergebnis nicht vorhersehen konnten, seien ein Beweis für diese Diskrepanz:
"Man muss wirklich sagen: Diese 70 Millionen Trump-Wähler, diese überwiegend weißen Männer aus dem Mittleren Westen, die Trump gewählt haben, sind wirklich eine unbekannte Größe. Das ist schwer zu verstehen."
(hte)