Grell, laut und formlos
Alexandre Dumas Lustspiel aus dem Jahre 1836, in dem mit boulevardesken Mitteln von der Karriere des legendären englischen Schauspielers Edmund Kean erzählt wird, hat Frank Castorf zum Anlass für einen fast fünfstündigen Abend über Schauspielertum und Starkult genommen.
Gemeinsam mit dem Dramatiker Lothar Trolle hat der Volksbühnenchef eine bunte theatrale Nummernrevue geschaffen. Es beginnt als Ironisierung des boulevardesken Stils der Vorlage. Auf leerer Bühne, deren Bodenbelag sich wie ein Golfrasen oder eine Straße in halfpipe-Form die Bühnenrückwand hinauf zieht, bilden Schauspieler mit Stellwänden einen Halbkreis, in den nacheinander die Gäste eines Salonabends treten und sich geziert über ihren Alltag und ihre Begeisterung für Kean unterhalten.
Gräfin Roefeld, Frau des dänischen Gesandten, liebt Kean, der von einem Prinzen gefördert und vom Gesandten geschätzt wird. Castorf lässt nur Bruchstücke von Dumas Stück übrig, das selbst schon aus einer Vielzahl loser verknüpfter Szenen besteht. In die Handlungsebene mit Keans Liebschaften und Trinkexzessen montiert er nun viele Szenen hinein, die ansatzweise selbstreflexiv wirken, indem sie das Wesen des Schauspielerdaseins untersuchen und Formen des Star-Kults durchspielen.
Erzählt wird von Alain Delon und von Nicos, die wieder "zu Andy und Lou nach New York" will, man redet von Rausch und Drogen und spielt mit einem Hürdenlauf-Training auf die ständige Wettbewerbssituation des Künstlers an. Das problematische Verhältnis zwischen Schauspieler und Kritiker wird mehr vertändelt als verhandelt, und Wünsche, die sich auf die ordentliche Darbiertung klassischer Stücke richten, werden veralbert, indem die angesprochenen Stücktitel oder Szenen stets einem falschen Autor zugeordnet werden.
Die Inszenierung ist grell, laut und formlos und besitzt keinen Rhythmus. Vor allem aber hängt sie zwischen ihren wenigen komischen Nummern immer wieder mächtig durch. Das liegt auch an den Schauspielern, die nur den einen grellen Ton und nur die eine hilflos übersteigerte, zappelige Spielweise kennen. Da nahezu alle schauspielerischen Protagonisten der kriselnden Volksbühne das Haus verlassen haben, musste Castorf extra Alexander Scheer als Gast für die Titelfigur hinzu holen. Er gibt mit großer Beweglichkeit den Rockstar und singt und tanzt eine hinreißende Mick-Jagger-Parodie.
In die höfisch-bürgerliche Welt von Dumas Stück werden andere soziale Wirklichkeiten eingezogen: In Texten von Lothar Trolle geht es um Kinderarbeit am Webstuhl und einen Londoner Arbeiteraufstand, während durch die Einmontierung von langen Passagen aus Heiner Müllers "Hamletmaschine", in denen es um das Leiden an der Konsumgesellschaft geht, zu ihrer Dekonstruktion führt. Denn Castorf surft mit seinen bekannten Slapstickiaden und Trash-Effekten durch die Szenen und Texte, so dass der mit intellektuellem Pathos tief gründelnde Text von Müller plötzlich peinlich komisch wirkt oder, wenn er von sich in einem winzigen Papierhäuschen drängelnden Schauspielern geschrien wird, wie vieles an diesem traurigen Abend inhaltlich wie akustisch kaum verständlich wird.
Kean von Alexandre Dumas
Inszenierung: Frank Castorf
Volksbühne Berlin
Gräfin Roefeld, Frau des dänischen Gesandten, liebt Kean, der von einem Prinzen gefördert und vom Gesandten geschätzt wird. Castorf lässt nur Bruchstücke von Dumas Stück übrig, das selbst schon aus einer Vielzahl loser verknüpfter Szenen besteht. In die Handlungsebene mit Keans Liebschaften und Trinkexzessen montiert er nun viele Szenen hinein, die ansatzweise selbstreflexiv wirken, indem sie das Wesen des Schauspielerdaseins untersuchen und Formen des Star-Kults durchspielen.
Erzählt wird von Alain Delon und von Nicos, die wieder "zu Andy und Lou nach New York" will, man redet von Rausch und Drogen und spielt mit einem Hürdenlauf-Training auf die ständige Wettbewerbssituation des Künstlers an. Das problematische Verhältnis zwischen Schauspieler und Kritiker wird mehr vertändelt als verhandelt, und Wünsche, die sich auf die ordentliche Darbiertung klassischer Stücke richten, werden veralbert, indem die angesprochenen Stücktitel oder Szenen stets einem falschen Autor zugeordnet werden.
Die Inszenierung ist grell, laut und formlos und besitzt keinen Rhythmus. Vor allem aber hängt sie zwischen ihren wenigen komischen Nummern immer wieder mächtig durch. Das liegt auch an den Schauspielern, die nur den einen grellen Ton und nur die eine hilflos übersteigerte, zappelige Spielweise kennen. Da nahezu alle schauspielerischen Protagonisten der kriselnden Volksbühne das Haus verlassen haben, musste Castorf extra Alexander Scheer als Gast für die Titelfigur hinzu holen. Er gibt mit großer Beweglichkeit den Rockstar und singt und tanzt eine hinreißende Mick-Jagger-Parodie.
In die höfisch-bürgerliche Welt von Dumas Stück werden andere soziale Wirklichkeiten eingezogen: In Texten von Lothar Trolle geht es um Kinderarbeit am Webstuhl und einen Londoner Arbeiteraufstand, während durch die Einmontierung von langen Passagen aus Heiner Müllers "Hamletmaschine", in denen es um das Leiden an der Konsumgesellschaft geht, zu ihrer Dekonstruktion führt. Denn Castorf surft mit seinen bekannten Slapstickiaden und Trash-Effekten durch die Szenen und Texte, so dass der mit intellektuellem Pathos tief gründelnde Text von Müller plötzlich peinlich komisch wirkt oder, wenn er von sich in einem winzigen Papierhäuschen drängelnden Schauspielern geschrien wird, wie vieles an diesem traurigen Abend inhaltlich wie akustisch kaum verständlich wird.
Kean von Alexandre Dumas
Inszenierung: Frank Castorf
Volksbühne Berlin