Grelle Schlaglichter aufs Unterbewusste

Von Sven Ricklefs |
Shakespeares Macbeth musste schon vieles sein, immer wenn er die Bretter betrat: Mal wandelndes Weichei, dem erst die Lady zeigen muss, wo der Hammer hängt, mal machtgetriebenes mordgieriges Monster mit eher kleinen Skrupeln. In den Münchner Kammerspielen setzt Regisseurin Karin Henkel jetzt auf eine andere Grundstruktur und legt dabei ungeahnte Aspekte frei.
Denn Henkel misst der Tatsache, dass Macbeth und mit ihm der Gefährte Banquo Kriegsheimkehrer sind. Sie kommen frisch aus der Schlacht, in der sie gemordet und Mord und Grausamkeit gesehen haben. Damit haben die beiden jene Schwelle überschritten, hinter der sich die uns innewohnende Gewalt ausschließlich in Fantasien oder Träumen Bahn bricht und allenfalls noch in der Sexualität. Krieg ist konkrete Gewalt und die Gesellschaft lizenziert sogar noch das Töten, wundert sich allerdings, wenn sie die Söhne als Monster zurückbekommt. So geschieht das in den Kriegen im Irak oder Afghanistan.

Die Bühne, die Regisseurin Karin Henkel sich von Muriel Gerstner hat bauen lassen, ist von Beginn an als eine Art Performancebühne annonciert. Dabei stehen seitlich vom Bühnenpodest Stühle, das heißt, die Schauspieler betreten und verlassen das Spiel immer wieder. Überhaupt verkörpern nur fünf Schauspieler die immerhin 18 Rollen des Stückes und das immer mal wieder auch quer zu den Geschlechtern. Karin Henkels Zugriff auf Macbeth ist ein dekonstruierender. Zwar spielt sie mehr oder minder grob die Geschichte durch vom skrupelvollen und von Nachtmären getriebenen Königsmörder Macbeth, der selbst zum König wird, um wiederum gemordet zu werden.

Doch vor allem wirft Henkel grelle Schlaglichter auf das, was da im Unterbewusstsein der Figuren freigesetzt wird, in Traum oder Alptraum. "Schlafender Raum" steht wohl auch deshalb an der Wand des den Bühnenhintergrund füllenden Hauses, in dem ein von einem Scheinwerfer beleuchtetes Bett steht. Hier geschieht die Tat, und hier wird Macbeth von seiner Tat träumen wie später von seiner Schuld.

Dass Jana Schulz und damit eine Frau den Macbeth spielt, hat in dieser Version wohl weniger tiefenpsychologische Gründe als eher den, dass diese Schauspielerin etwas sehr Knaben-, fast Milchbubenhaftes hat. Und an dieser Unschuld leisten dann die drei berühmten Hexen, hier in grellbunten Tütüs, gleich ganze Arbeit, wenn sie die Zurückkehrende zur Begrüßung mit Blut besudeln.

Karin Henkels "Macbeth" ist eine Performance und kommt manchmal auch wie eine Show daher. Man singt, man lässt manchen deutschen Texten das englische Original folgen, oder kommentiert den Mord an Banquo schon mal wie in einer Liveübertragung.

Karin Henkel spielt mit den Präsentationsformen und will sichtlich mit dem Medium Theater aus der Konvention hinaus. Das hat manchmal großen Witz, manchmal aber auch große Längen. Gleichzeitig ist der Abend sehr kalt, und allzu sehr spürt man dann doch den konzeptionellen Willen, manchmal auch die Anstrengung. Und so reagierte das Publikum der Münchner Kammerspiele gestern Abend auch mit Buhrufen, eine Verlautbarung, die man schon lange nicht mehr in diesem Theater gehört hat.
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