Grenzen als "Sortiermaschinen"

Trennlinien reflektieren die Ungleichheit der Welt

08:23 Minuten
Türkische Militärpatrouillen in der Nähe der türkisch-iranischen Grenze in der Provence Van im Osten der Türkei am 21. August 2021. Die türkischen Sicherheitskräfte arbeiten hart daran, die Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Ostgrenze des Landes zum Iran zu verschärfen, um illegale Migrationsströme aus Ländern zu verhindern, darunter Afghanistan.
Türkische Militärpatrouillen sichern die türkisch-iranische Grenze im Osten der Türkei. Das Land will Migrationsströme aus Ländern wie Afghanistan verhindern. © picture alliance / abaca / Ozturk Ali Ihsan / Demiroren Visual Media
Steffen Mau im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
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Grenzen sind im Zuge der Globalisierung nicht verschwunden, sondern vielfältiger und intransparenter geworden, sagt der Soziologe Stefan Mau. So könnten biometrische Daten wie eine Grenzkontrolle funktionieren und Menschen entsprechend einteilen.
In Zeiten der Globalisierung könnte man denken, Grenzen seien durchlässiger geworden, Mobilität sei quasi unbegrenzt möglich. Das Gegenteil ist der Fall, sagt der Soziologe Steffen Mau. Ein großer Teil der Weltbevölkerung sei heute weniger mobil als noch vor 30 Jahren.
In seinem Buch "Sortiermaschinen. Die Neuerfindung der Grenzen im 21. Jahrhundert" zeigt er auf, wie Grenzen die Mobilität extrem beeinflussen und welche neuen Grenzen es gibt.
"Grenzen haben sich vervielfältigt", sagt Steffen Mau mit Hinblick auf die Situation in Kabul, denn dort zeige sich auch eine "Grenze aus Papier": "Das sind die Fragen der Visa für Ortskräfte und der Verfügbarkeit von Pässen. Man sieht, das Recht auf Ausreise reicht nicht, man braucht auch irgendwo ein Recht auf Einreise."
Ohnehin rangierte Afghanistan schon vor der Machtübernahme der Taliban im untersten Bereich, was visafreies Reisen angeht, sagt Mau. Nur in zwei Länder könnten Afghanen ohne Visa reisen.
Demgegenüber hätten wir in der westlichen Welt "unglaubliche Mobilitätsprivilegien". So komme es zu "gewollten und ungewollten Mobilitätsströmen", meint der Soziologe.
Zudem gebe es momentan ein "Mauerbaufieber", so Mau weiter: "1990 hatten wir global gesehen nur noch zwölf Mauern, heute sind es über 70!"

Moderne Grenzen sind keine Schlagbäume

Grenzen müsse man nicht nur räumlich denken, so Mau weiter, sondern als Form der Beeinflussung von Mobilität. So seien moderne Grenzen eben keine Schlagbäume mehr, sondern dank der Digitalisierung "smart borders", Grenzen, "die uns schon kennen, die unsere biometrischen Daten kennen".
Durch die Biometrie entstehe dann so was wie ein "vertrauenswürdiger Reisender", der Grenzen problemlos passieren könne und für den die Grenze "unsichtbar" werde.
"Doch für alle anderen bedeutet diese neue Form von digitalisierter Grenze, dass sie überhaupt keine Möglichkeit mehr haben, irgendwo ein Flugzeug zu betreten, irgendeine Grenze zu überschreiten, sie sind eigentlich an den Ort fixiert und das ist eine große Teilung, was ich als Sortiermaschine beschreibe, also eine starke Polarisierung der Mobilität weltweit."
(abu)

Steffen Mau: "Sortiermaschinen. Die Neuerfindung der Grenze im 21. Jahrhundert"
C.H.Beck Paperback, August 2021
189 Seiten, 14,95 Euro

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