Grenzerfahrungen

Von Christian Berndt |
In dem Film "Die Wand" erzählt der Regisseur Roman Pölsler die Geschichte einer Frau, die auf einer Berghütte gefangen ist - durch eine unsichtbare Grenze von der Außenwelt getrennt. Als sie anfängt, sich auf ihre Situation einzustellen, findet sie zu sich selbst.
"Ich schreibe nicht aus Freude am Schreiben. Es hat sich eben so für mich ergeben, dass ich schreiben muss, wenn ich nicht den Verstand verlieren will. Es ist ja keiner da, der für mich denken und sorgen könnte. Ich bin ganz allein."

Mit kurz geschorenem Haar sitzt die Frau am Tisch. Sie schreibt auf, was in dieser einsamen Gefangenschaft geschah - seit jenem rätselhaften Tag, als alles anfing.

Der offene Wagen fährt die Bergstraße entlang. Die Frau, gespielt von Martina Gedeck, sitzt auf der Rückbank. Mit dem befreundeten Ehepaar fährt sie für einen Kurztrip in eine Berghütte. Am Ziel angekommen, wollen die beiden anderen noch mal ins Dorf, die Frau bleibt zurück und geht früh zu Bett. Am nächsten Morgen ist das Ehepaar immer noch nicht da. Besorgt geht sie in Richtung Dorf - dann der Schock.

Zuerst merkt es der Hund, er holt sich eine blutige Nase. Vor ihnen geht es nicht weiter, obwohl kein Hindernis zu sehen ist. Eine unsichtbare Wand verhindert das Fortkommen. Die Frau sucht einen anderen Weg, erkundet die Gegend. Aber irgendwann erkennt sie die furchtbare Wahrheit: Das Gebiet ist durch eine unsichtbare Grenze von der Außenwelt getrennt. Einmal sieht sie eine Hütte. Davor sitzt eine alte Frau, aber sie ist erstarrt, ebenso wie die Natur um sie herum. Die Welt außerhalb der Wand scheint tot und sie die einzige Überlebende zu sein. Irgendwann fängt die Frau an, sich darauf einzustellen. Sie wird zur Bäuerin, ackert und jagt. Die Tiere sind die einzigen Begleiter:

"Nach allem, was wir gemeinsam erlebt haben, ist Bella mehr als meine Kuh geworden, eine arme geduldige Schwester, die ihr Los mit mehr Würde trägt als ich."

Regisseur Roman Pölsler hat "Die Wand" textgetreu nach der Romanvorlage verfilmt und konzentriert die Geschichte mit elegischen Bildern einer urwüchsigen Bergwelt auf das innere Erleben der Heldin. In Martina Gedecks Ausdruck ist die existenzielle Angst zu lesen, aber auch der Stolz, aus eigener Kraft zu überleben - und erst durch eine apokalyptische Katastrophe zu sich selbst zu finden:

"Zum ersten Mal in meinem Leben war ich besänftigt. Es war, als hätte eine große Hand die Uhr in meinem Kopf stillstehen lassen."