Griechenland

"Der Grexit sollte um jeden Preis vermieden werden"

Athen - Akropolis Griechenland
Die nächtlich erleuchtete Akropolis - doch viele Griechen befürchten, dass es in ihrem Land bald zappenduster wird. Die Regierung braucht dringend mehr Zeit, sagt der Politikwissenschaftler Christos Katsioulis. © picture alliance / dpa / Andreas Neumeier
Christos Katsioulis im Gespräch mit Christopher Ricke und Anke Schäfer |
Das Drama "Griechenland" erlebt heute einen weiteren Akt: Die Euro-Finanzminister beraten wieder, es geht aber nicht recht voran. Nach landläufiger Meinung liegt das vor allem an der tatenlosen griechischen Regierung. Doch damit tue man den Griechen Unrecht, sagt der Politikwissenschaftler Christos Katsioulis. Der Grexit sei keine Lösung.
Seit drei Monaten verhandelt die neue griechische Regierung mit der EU, es ist eigentlich alles gesagt, wenig getan, jetzt könnte man dann doch allmählich zum Ende kommen. Und sei es ein Ende mit Schrecken.
Christos Katsioulis, Politikwissenschaftler und Leiter der Friedrich Ebert Stiftung in Athen, teilt nicht die landläufige Meinung über eine taten- und planlose griechische Regierung. "Ich glaube, die haben die bisherige Zeit durchaus gut genutzt. Es war ja nicht nur 'viel reden und nichts tun', sondern die neue Regierung hat sich eingefunden in die Regierungsgeschäfte. Die haben festgestellt: Verhandlungen sind nicht so leicht, wie wir uns das in der Opposition vorgestellt haben. Und ich finde die Lernkurve, die insbesondere Tsipras selbst zeigt, ist beeindruckend und steil." Auch andere Mitglieder der Regierung befänden sich in einem Lernprozess, um sich "mit diesen Realitäten anzufreunden".
Griechenland braucht noch mehr Zeit
Die Regierung brauche deshalb mehr Zeit. Das Problem, dass Tsipras jetzt habe, seien weniger die enttäuschten Wählerinnen und Wähler, sondern die eigene Partei Syriza: "Wir haben es mit einer Partei zu tun, die noch nie regiert hat, die es überhaupt nicht gewohnt ist, Kompromisse einzugehen und der es nicht bewusst ist, dass Wahlversprechen auch davon abhängen in ihrer Verwirklichung, dass der Staatshaushalt das hergibt."
Grexit – der Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone – sei definitiv keine Lösung, sagte Katsioulis weiter. Diese Debatte sorge dafür, dass die griechische Wirtschaft "eingefroren" bleibe. Der Grexit würde vor allem bedeuten, dass jene Menschen, die in den letzten Jahren vor allem für die Krise bezahlt hätten, weiterhin dafür bezahlen müssten. Nur die, die ihr Geld ins Ausland gebracht hätten, würde davon profitieren. "Das wäre aus meiner Sicht der sozial ungerechteste Schritt, den man sich denken kann, und sollte um jeden Preis vermieden werden."
Bei den Griechen nehme er "große Verunsicherung und Angst" wahr. "Auch weil Europa für die Griechen mehr bedeutet als Beitritt zum Euro beziehungsweise die Gelder, die aus den Europäischen Fonds kommen. Europa bedeutet für die Griechen Zugehörigkeit zum Westen, Zugehörigkeit zur zivilisierten, zur demokratischen Welt. Und das ist den Menschen sehr viel wichtiger als der Euro."
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