Gereizte Stimmung vor dem Referendum
Beim geplanten Referendum am Sonntag sollen die Griechen über den Verbleib ihres Landes in der Eurogruppe entscheiden. Auf den Straßen in Athen diskutieren die Menschen viel über die anstehende Volksabstimmung und kleben fleißig Plakate.
Der Student Dimitris streicht mit Leim über das Plakat, damit es auf dem Stromkasten kleben bleibt. Darauf steht in roten Großbuchstaben "OXI" - das griechische Wort für Nein.
"Wir plakatieren, damit alle verstehen, was hier passiert. Die herrschende Klasse, die Kapitalisten, die Reichen und die Medien drängen uns, für JA zu stimmen, also auch für sie."
Für JA zu stimmen beim geplanten Referendum am Sonntag kommt für den 23-Jährigen nicht in Frage. Er schaut stolz auf sein Plakat, ist "kampfbereit", wie er sagt.
"Das "Nein" ist eine Antwort gegen die Krise, gegen die Europäische Union und gegen alle Maßnahmen der letzten Jahre."
Dimitris zieht weiter die Straße entlang, mit Eimer in der Hand und knapp 100 Plakaten unter dem Arm, die er noch in Athen verteilen will. Jorgos Klemenos bleibt vor dem noch nass-tropfenden "NEIN"-Poster von Dimitri stehen und schüttelt den Kopf.
"So, ich reiße das jetzt hier ab! Unfassbar, was die hier fordern: Schuldenschnitt, Austritt aus der Europäischen Union. Wo sollen wir denn sonst hin?"
Der Chemie-Lehrer zeigt auf den runden blauen "JA"-Sticker, der auf seinem Polohemd klebt. Auch er will der Öffentlichkeit zeigen, wo er am Sonntag sein Kreuzchen setzen will:
"Selbstverständlich werde ich für JA stimmen, weil ich mein Gehalt bekommen möchte, weil ich in Europa bleiben möchte. Ich bin kein Träumer und finde, alle Griechen sollten JA wählen, damit wir in Europa bleiben."
NAI- und OXI-Kampagnen auf den Straßen
NAI í OXI - JA oder NEIN - über das Referendum diskutieren viele Menschen in Athen. Auf den Straßen gibt es zurzeit nur dieses eine Thema. Der 33-jährige Yannis will auch für JA stimmen, trägt aber kein Aufkleber auf seiner Brust und meidet bewusst die Konfrontation.
"Das JA wird uns zwar wehtun, aber wir wissen zumindest, was uns erwartet. Beim Nein ist alles ungewiss. Und das letzte was wir jetzt brauchen ist ein Streit zwischen den beiden Lagern. Oder gar ein Bürgerkrieg. Sollte das passieren, dann war's das endgültig. Das wäre eine Katastrophe."
So weit wird es nicht kommen, ist sich die ehemalige Bankangestellte Avgi Theodossi sicher. Sie verteilt gemeinsam mit Kolleginnen Flugblätter, auf denen auf über einer Seite erklärt wird, warum NEIN die richtige Wahl sei. Ein Passant winkt ab, es gibt ein Wortgefecht, die Stimmung ist gereizt.
"Hier, wo wir die Menschen der JA-Seite treffen, spüren wir ihre Angst. Über die meisten Medien wird diese Angst geschürt und Propaganda betrieben für das JA."
Suche nach Schuldigen
Konkret sind für Avgi Theodossi die privaten Fernsehsender Schuld, die jeden Tag den Untergang des Landes herbeischwören und über ihre Talksendungen indirekt zum Ja-Ankreuzen auffordern sollen. Sie möchte ein Gegenpol bilden, deshalb sei sie hier und betreibt ihre OXI-Kampagne.
Nur ein paar hundert Meter weiter stehen 20 Leute dichtgedrängt vor einem Presse-Stand und starren auf die Titelseiten der Tageszeitungen.
Ein älterer Herr gerät fast außer sich, als ein anderer versucht für JA zu werben.
Ein älterer Herr gerät fast außer sich, als ein anderer versucht für JA zu werben.
"Unsere kleine Drachme will ich, selbst bestimmen und mir nichts mehr sagen lassen. Keine Spielchen der Institutionen mehr mit Take it or leave it. Was bilden sich diese EU-Typen überhaupt ein? Wer sind die?"
Ein Weiterer behauptet, Europa wolle Tsipras begraben. Deshalb soll das "griechische Volk", wie er betont, ein Zeichen am Sonntag setzen.
"Ein großes Nein muss kommen, damit wir die Ketten brechen. Mit dem Nein, wird Griechenland befreit!"