Griechenland

"Goldene Morgenröte" vor Gericht

Nikolaos Michaloliakos, Parteichef der "Goldenen Morgenröte" (rechts) steht mit anderen Parteimitgliedern im griechischen Parlament, die rechten Hände in die Höhe gestreckt.
Nikolaos Michaloliakos, Parteichef der "Goldenen Morgenröte" (rechts) mit anderen Parteimitgliedern im griechischen Parlament. © YANNIS KOLESIDIS / POOL / AFP
Von Panajotis Gavrilis |
Es ist der größte Prozess seit Ende der Militärdiktatur: Seit mehr als neun Monaten müssen sich Parteiführung und Mitglieder der "Goldenen Morgenröte" in Griechenland vor Gericht verantworten. Das öffentliche Interesse ist gering. Als eine der wenigen Journalisten berichtet Eleftheria Koumandou über den Fortgang des Verfahrens.
Eleftheria Koumandou begrüßt die Zuhörerinnen und Zuhörer, die ihre wöchentliche Sendung "The Watchers" im freien Radio verfolgen. Jeden Freitag eine Stunde im Netz ausschließlich über den Prozess gegen die "Goldene Morgenröte".
"Wir wollen Sie heute an die Top-Ten der wichtigsten Momente erinnern, die es bis jetzt im Prozess gab."
Ins Studio passen maximal drei Personen, keine Fenster, stattdessen schwarzer Dämmstoff und stickige Luft. Der 40-jährigen Radiojournalistin mit den blond gefärbten Haaren ist das egal.
"Ich glaube, ich könnte über nichts anderes mehr berichten. Seitdem ich die 'Goldene Morgenröte' verfolge, weiß ich, dass ich es bis zum Schluss machen werde. Wann auch immer das sein wird, egal wie der Prozess ausgeht."
Seit knapp einem Jahr müssen sich 69 Mitglieder der drittstärksten Partei im griechischen Parlament unter anderem wegen Mordes an einem Musiker vor Gericht verantworten. Seit April 2015 findet die Verhandlung in einem spärlich eingerichteten Saal im heruntergekommenen Frauengefängnis weit weg vom Athener Zentrum statt. Für Eleftheria Koumandou unerträglich:
"Es gibt keinen eigenen Aufenthaltsraum für die Zeugen, keinen abgetrennten Raum für die Anwälte der Nebenklage oder für die Angeklagten und ihre Anwälte. Wer auf Toilette will, muss an den Angeklagten vorbei, das sind mindestens 70 Leute. Ich habe keine Angst, aber ich fühle mich auch nicht wohl."

Angeklagte bedrohen Zeugen

Am Anfang waren die Angeklagten noch verhältnismäßig zurückhaltend. Doch mittlerweile treten sie anders auf:
"Als eine Zeugin die beschriebene Person unter den Angeklagten identifizieren sollte und sie sagte: 'Ja, er ist der in der zweiten Reihe mit dem schwarzen Hemd', stand er auf und antwortete: 'Lass uns rausgehen und dann sehen wir, ob du dich noch an mich erinnerst!' – Die Richterin hat nichts gesagt, es gab Tumulte und dann unterbrach sie die Sitzung."
Nur noch wenige Journalisten verfolgen den Prozess. Um trotzdem alles zu dokumentieren, gibt es "goldendawnwatch" – ein Internetportal, das die Öffentlichkeit über den Prozess informiert. Mit dabei: Eleftheria Koumandou.

"In früheren, kleineren Prozessen gegen die 'Goldene Morgenröte', haben ihre Sympathisanten schon früh die Gerichtssäle besetzt. Niemand anderes konnte rein, um Zeugen zu unterstützen, die gegen sie aussagen wollten. Es war immer ein furchtbares Klima. Diesmal wollten wir sicherstellen, dass sie jetzt jemand beobachtet. Alle."
"Goldendawnwatch" oder "The Watchers" macht Eleftheria Koumandou neben ihrer hauptamtlichen Tätigkeit im Athener Stadtsender 98,4, bei dem sie seit 20 Jahren arbeitet. "Kreuz-Dame" heißt dort die Sendung. Eine Stunde aktuelle gesellschaftspolitische Themen.
Die griechische Journalistin Eleftheria Koumandou
Die griechische Journalistin Eleftheria Koumandou © Panajotis Gavrilis

Journalistin mit Haltung

Die Sparauflagen der EU-Gläubiger, die neuen Gesetze der Syriza-Regierung, Flüchtlinge, streikende Bauern. Eleftheria Koumandou versteht sich auch hier als Journalistin mit Haltung. So viel politisches Engagement, so viel gesellschaftlicher Einsatz – die Journalistin glaubt, dass sie das von ihrer Mutter gelernt hat.
"Meine Mutter war immer politisch aktiv, als Studentin und heute noch: In der Nachbarschaft, in Vereinen. Sie schlägt aber einen ruhigeren Ton an als ich. Sie hat mir den Weg gezeigt und mich wohl mit dem Virus angesteckt."
Diesem Virus nicht OXI – also NEIN sagen zu können. Podien, Vorträge, Radiosendungen. Ständig will sie gehört werden, sich einmischen. Manchmal vergisst sie dabei, dass sie auch noch einen kleinen Sohn und einen Mann hat:
"OK, also … Ich habe einen Ehemann, der sehr verständnisvoll ist mit dem, was ich alles mache. Ich fehle zu Hause viele Stunden. Darüber ist mein Mann natürlich nicht glücklich, er versteht aber meine Beweggründe."
Sobald es um ihr Privatleben geht, wirkt die toughe Frau ein wenig unsicher, verschlossen. Fühlt sich ertappt und sucht die Flucht nach vorn.
"Ich will auf Nichts verzichten. Vielleicht sollte ich, aber ich will es nicht. Die Familie muss mit Sicherheit am meisten darunter leiden, aber ich bevorzuge es, unter Druck alles zu versuchen, anstatt etwas loszulassen."
Sie spürt, sie wird gebraucht. Auch weil ohne sie der größte Prozess in Griechenland seit Ende der Militärdiktatur 1974 nur einer von vielen wäre, über den niemand berichten würde.
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