Athen braucht ein neues Geschäftsmodell
In Brüssel treffen sich am Montag die Staats- und Regierungschefs zum Showdown in der Griechenland-Krise. Am wichtigsten für das Land ist nun eine wirtschaftliche Perspektive, meint Georg von Wallwitz - ganz gleich, ob dort künftig mit Euro oder Drachme bezahlt wird.
Griechenland geht es wie einem Seiltänzer auf einem langen dünnen Draht. Um das Gleichgewicht zu halten, muss er kleine tastende Schritte machen und einen Punkt in der Ferne fixieren. Sieht er nach unten auf seine Füße und in den Abgrund, verliert er schnell das Gleichgewicht.
Auch zwischen Athen und Brüssel ging es in den letzten fünf Jahren nur in sehr kleinen Schritten vorwärts. Der Abgrund, über dem sich die Geschichte abspielt, ist wohlbekannt: Auf der einen Seite droht ein schwerer Schaden für die Eurozone, die im schlimmsten Falle keine Währungsunion mehr wäre, sondern nur noch ein löslicher Währungsverbund. Auf der anderen Seite droht finanzielles Chaos in Griechenland und es würde, wie immer, die Armen am stärksten treffen.
Was in den letzten Monaten zur Eskalation geführt hat, war das Fehlen eines Fixpunktes bei diesem Drahtseilakt. Der Blick geht fast nur noch nach unten, auf die unmittelbare Gefahr, nicht auf die mögliche Rettung.
Schuldner wie Gläubiger fühlen sich gleichermaßen ausgeplündert
Es ist von unbezahlbaren Schulden und unerträglichen Einschnitten die Rede. Beide Seiten, Schuldner wie Gläubiger, fühlen sich gleichermaßen ausgeplündert. Das Bild der Ausweglosigkeit erregt aber gerade den Schwindel, der sich nun in erhitzten Gemütern und gegenseitigen Schuldzuweisungen äußert. Es fehlen eben Fokus, Sinn und Ziel.
Im Kern geht es nicht um Rettungspakete, Zahlungsunfähigkeit oder Haushaltsdefizite. Athen wird seine Schulden nicht bedienen können und es wird seinen Haushalt eher früher als später ausgleichen müssen, egal ob mit Drachmen oder Euros. Darüber zu diskutieren ist nebensächlich.
All das Händeringen in Brüssel, all die traurigen Gesichter in Berlin, all die Schadenfreude der Boulevardpresse lenken von der langfristigen Perspektive ab, welche die entscheidende Frage und der rettende Fixpunkt ist.
Die Finanzmärkte haben das mit kühlem Blick längst erkannt. Die Kurse von Euro und Anleihen der Peripherieländer reagieren kaum noch auf Nachrichten aus Athen. Was dieser Tage aufgeführt wird, ist im wesentlichen Politik, nicht Ökonomie.
Es ist an der Zeit, wieder einen kühlen Kopf zu bekommen. Viel wichtiger als der Zorn über die Sünden der Vergangenheit ist die Frage, wovon das Land nach dem Platzen der Kreditblase leben will. Wie sieht sein künftiges Geschäftsmodell aus?
Griechenland wird nie so wie Deutschland funktionieren
Griechenland hat lange weit über seine Verhältnisse gelebt, hat zu viel ausgegeben und zu wenig selber produziert. Es wird nicht mehr vom Vertrauen des Auslands zehren können wie in den Jahren nach dem Euro-Beitritt. Die Regierung und ihre Gläubiger müssen den Griechen sagen, was die Grundlage ihres Wohlstands sein könnte – welches der ferne Fixpunkt in diesem Drahtseilakt ist. Es reicht nicht, darauf zu beharren, dass nicht bezahlbare Schulden abgetragen werden sollen und dass die Wirtschaft so läuft wie in Nordwesteuropa.
Das Land im Südosten muss seinen eigenen Platz finden in der politischen Ökonomie des Kontinents. Es wird nie so funktionieren wie Deutschland, wie auch Deutschland nie so funktionieren wird wie Frankreich oder die USA. Jedes Land hat seine eigene Tradition, seine eigene Geschichte und Kultur, innerhalb deren die Wirtschaft auf je eigene Weise lebt. Ökonomische Gesetze mögen universell gelten, wirken aber nicht überall gleich.
Griechenland sollte sich auf seine Stärken besinnen, auf den Tourismus, auf die Schifffahrt. Es wird neue Felder entwickeln müssen. Es könnte etwa energieintensive Industrien mit günstigem Strom aus Wind und Sonne beliefern. Und wäre langfristig der Gewinner, wenn es die Gruppe der 7 mit dem Ende der fossilen Energieträger ernst meint. Dann ist es auch egal, in welcher Währung diese Perspektive realisiert wird.
Georg von Wallwitz, geboren 1968 in München, studierte Mathematik und Philosophie. Nach der Promotion und einem wissenschaftlichen Jahr an der Universität Princeton, USA wurde er Fondsmanager, zunächst angestellt bei einer Münchner Privatbank, dann ab 2004 selbständig als Teilhaber der "Eyb&Wallwitz Vermögensmanagement". Über die Finanzwelt schreibt er als Analyst ein regelmäßiges "Börsenblatt für die gebildeten Stände".
Letzte Buchveröffentlichung: "Mr. Smith und das Paradies: Die Erfindung des Wohlstands" (Berenberg Verlag 2013).
Letzte Buchveröffentlichung: "Mr. Smith und das Paradies: Die Erfindung des Wohlstands" (Berenberg Verlag 2013).