Griechenland steigt aus der Kohle aus
Abgebrannt - Die Menschen auf der griechischen Insel Euböa haben die Folgen des Klimawandels im August einmal mehr am eigenen Leib erfahren. © imago images / NurPhoto / Dominika Zarzycka
Waldbrände als Weckruf
21:42 Minuten
Hitzewellen, gewaltige Waldbrände, Überschwemmungen: 700 Milliarden Euro werden die Schäden des Klimawandels in Griechenland bis zum Ende des Jahrhunderts kosten. "Wir müssen jetzt handeln", sagt Premier Mitsotakis. Heißt erst mal: raus aus der Kohle.
Es ist Anfang August. Ganz Griechenland befindet sich in einer extremen Hitzewelle. Die Temperaturen steigen seit Tagen auf deutlich über 40 Grad. Hinzu kommt: Seit Wochen, teilweise seit Monaten hat es in vielen Regionen des Landes nicht mehr geregnet.
So auch auf Euböa, nach Kreta die zweitgrößte griechische Insel. Dort bricht in der Nacht vom dritten auf den vierten August in der Nähe des Städtchens Limni Feuer aus. Euböa bietet zu diesem Zeitpunkt alle Voraussetzungen für ein Inferno, sagt Christos Zerefós, Klimaforscher an der Akademie von Athen.
"In anderen Wäldern hat man, wenn das Feuer ausbricht, etwa 15 Minuten, um es zu löschen. Hier haben wir fünf, sechs Minuten."
Denn im dicht bewaldeten Norden von Euböa wachsen vor allem Pinien. Nach der langen Trockenheit und der anhaltend hohen Temperaturen wirken die Nadelbäume wie ein Brandbeschleuniger.
"Die Pinien haben ja Zapfen, voll mit Harz. Dieses Harz ist hochentzündlich und lässt die Pinienzapfen hochgehen wie Raketen.
Schauen Sie sich die Form an: Sie sind kegelförmig wie ein Geschoss und können Distanzen von hunderten Metern zurücklegen, weil sie explodieren."
Manchen bleibt nur noch die Flucht über das Meer
Die Flammen fressen sich mit hoher Geschwindigkeit und unaufhaltsam auf einer Strecke von 50 Kilometern von der West- bis zur Ostküste, breiten sich immer weiter in Richtung Norden aus.
Tausende Menschen müssen ihre Häuser verlassen. Manchen bleibt nur noch die Flucht über das Meer. Das Feuer hat ihnen den Landweg abgeschnitten.
Zwei Wochen wüten die Flammen, Hunderte Häuser werden zerstört und 80 Prozent des Waldes im Norden der Insel – fast 50.000 Hektar.
Was bleibt, sieht aus wie die Landschaft in einem Endzeitfilm: verkohlte Baumgerippe, so weit das Auge reicht, ein grauer Ascheteppich bedeckt die verbrannte Erde. Das allein wäre für die Menschen auf Euböa schon schlimm genug. Doch die nächste Katastrophe steht bereits bevor.
Anfang Oktober steht Giorgos Evgenikos an einem steilen Abhang. Um ihn herum die Überreste des einstigen Pinienwaldes. Weiter unten im Tal liegt das Städtchen Limni.
"Das Feuer hat hier, etwas weiter oben über unserem Dorf angefangen und hat ganz Euböa verbrannt – leider."
"Es ist keine grüne Kiefer übrig"
Evgenikos lebt vom Wald: Er ist Harzsammler, ein traditioneller Beruf auf Euböa. Das Harz gewinnt er aus den Pinienbäumen. Winzer in Griechenland verwenden es für die Produktion des traditionellen Retsina, einem Weißwein, der mit Pinienharz versetzt wird. Außerdem wird der Baumsaft als Klebstoff oder zur Behandlung von Streichinstrumenten verwendet. Doch bald könnte der Rohstoff knapp werden
"Im Moment ist hier keine grüne Kiefer übrig, damit wir unsere Arbeit weitermachen können. Die einzige Arbeit, die wir im Moment machen können, sind die Erosionsschutzmaßnahmen, die wir hier durchführen."
Evgenikos ist Mitglied einer Forstgenossenschaft. Seit Tagen ist der Waldarbeiter unermüdlich im Einsatz, denn die Zeit drängt.
"Einen Sonntag gibt es für uns nicht, weil wir uns beeilen müssen. Der Winter kommt. Nach dem Zeitplan, den wir haben, müssen wir in dem Abschnitt, den ich übernommen habe, bis Anfang Dezember fertig sein."
Gemeinsam mit anderen Waldarbeitern fällt er die abgestorbenen verkohlten Baumstämme. Mit Hilfe von Pferden und Maultieren transportieren sie sie ein Stück weit den Hang hinunter und platzieren sie dann quer zum Hang. Danach schlagen die Waldarbeiter Pflöcke in den Boden, damit die Baumstämme nicht abrutschen können.
Menschen mit Baumstämmen vor Schlammlawinen schützen
Anschließend geht es ein paar Meter weiter nach oben, und sie beginnen mit der nächsten Reihe. Die Baumstämme sollen die Bewohner des Tals vor Schlammlawinen und Überflutungen schützen. Denn mit dem Winter kommt auch der Regen.
Euböa bildet mit seinen über 1000 Meter hohen Bergen eine natürliche Barriere, an der sich die aus Westen heranziehenden Wolken abregnen. Nach den schweren Bränden in diesem Sommer könnten selbst kleinere Unwetter zum Problem werden, erklärt Evgenikos:
"Wenn die Oberfläche des Erdreichs verbrennt, verliert die Erde ihre Saugfähigkeit. Sie bildet stattdessen einen Film, der das Wasser nicht durchlässt und verhindert, dass es aufgesogen wird. Das Wasser perlt ab."
Für die Menschen hier hätte das schlimme Konsequenzen.
"Genau da, schauen Sie: Da unten sind die ganzen Häuser", sagt Evgenikos und deutet ins Tal.
"Stellen Sie sich vor, das ist ungeschützt und hier fänden keinerlei Arbeiten statt. Völlig ausgeschlossen, dass die Erde hier nicht herunterkommt. Das Ganze würde sich als Sturzbach entladen und im Ort landen. Und auf diese Weise versuchen wir, das aufzuhalten."
Die Niederschläge in der Region können sehr heftig sein. Mit Schrecken erinnern sich die Menschen hier an den Sommer von vor einem Jahr:
Anfang August sind auf Euböa in nicht einmal acht Stunden knapp 300 Liter Regen pro Quadratmeter heruntergekommen – mehr als sonst im gesamten Winter. Es kam zu Schlammlawinen, Überschwemmungen und Verwüstungen – acht Menschen starben.
Evgenikos und seine Kollegen arbeiten auf Hochtouren. Doch das Gelände ist unwegsam, die Arbeiten kommen nur langsam voran. Und das gesamte Brandgebiet ist 500 Quadratkilometer groß. In der Ortschaft Achladi, auf der anderen Seite der Insel hat es bereits Hochwasser gegeben.
"Den ganzen Sommer über wurden wir geröstet"
Dort betreibt Maria Spanou eine Taverne. Das Jahr 2021 wird sie wohl nicht so schnell vergessen.
"Den ganzen Sommer über wurden wir geröstet – Hitze, Hitze, Hitze. Deswegen ist dann alles in Flammen aufgegangen und es konnte nirgends aufgehalten werden."
Beinahe hätte sie damals alles verloren.
"Alles ist abgebrannt. Das Feuer ist bis hinab zum Meer gekommen, bis zur unseren Häusern. Wir sind nochmal davongekommen."
Die Behörden hatten die Dorfbewohner aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Doch Maria Spanou und ihre Familie haben den Aufruf ignoriert – wie viele in ihrem Ort.
"Alle meine Kinder standen hier während des Feuers und haben mit den Gartenschläuchen gelöscht, sonst wäre das Haus abgebrannt, denn die Feuerwehr ist nicht gekommen."
Haben die Behörden zu spät reagiert?
Ein Vorwurf, der häufig zu hören ist auf Euböa. Das Feuer hier sei anfangs klein gewesen und hätte sich niemals so ausbreiten dürfen. Doch die Behörden hätten viel zu spät Löschflugzeuge geschickt. Aber viel Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, blieb zumindest den Bewohnern von Achladi nicht.
"Ehe wir uns davon erholt hatten, sind wir beim ersten Regen überschwemmt worden, das Wasser ist bis in unsere Häuser gekommen."
Menschen mussten aus ihren Wohnungen gerettet werden, andere haben sich auf den Dächern in Sicherheit gebracht.
"Die Wälder oben haben nichts zurückgehalten. Da sind Äste heruntergekommen, Steine. Die kleinen Brücken sind verstopft – wo hätte das Wasser sonst hinfließen sollen? Dieser Abend war für uns ein Albtraum."
"Wir haben jetzt Angst, was als Nächstes passieren wird"
Die Wirtin hat versucht zu retten, was zu retten ist. Doch sie fürchtet, dass das erst der Anfang war. Der kommende Winter bereitet ihr große Sorgen.
"Jetzt haben wir Angst, was als Nächstes passieren wird. Wir verschanzen uns jetzt so gut es geht, legen Sandsäcke vor die Türen, damit das Wasser wenigstens nicht hineinkommt."
Auch Dorfvorsteher Nikos Efstathiou spürt, dass die jüngsten Naturkatastrophen bei den Menschen Spuren hinterlassen haben – obwohl Waldbrände und Hochwasser hier immer schon vorgekommen sind. Doch seit drei oder vier Jahren sei alles extremer geworden und das mache den Leuten hier zu schaffen:
"Sobald ein Tropfen Regen fällt, laufen wir alle, um zu sehen, was los ist, um unsere Sachen mit Tüten oder Brettern abzudichten, damit das Wasser nicht schon wieder in die Häuser dringt. Allgemein herrscht große Angst."
Efstathiou führt durchs Dorf. Die Aufräumarbeiten sind in vollem Gange. Auch Tage nach dem Hochwasser blockieren immer noch Baumstämme, Äste und Schlamm die Straßen und Brücken.
"Wie man sieht, waren die Schäden immens, mit überfluteten Häusern und kaputten Straßen. Jetzt versuchen wir zu retten, was zu retten ist. Falls wieder so eine große Unwetterwelle kommt."
"Wir erwarten Hilfe von der Regierung"
Der Schutt müsse so schnell wie möglich weggeräumt werden, damit das Wasser beim nächsten Regen wieder abfließen könne, so Efstathiou.
Darüber hinaus müssten dringend Maßnahmen ergriffen werden, um Überschwemmungen vorzubeugen. Doch bislang sind der Dorfvorsteher und seine kleine Gemeinde beim Thema Hochwasserschutz mehr oder weniger auf sich allein gestellt.
"Wir machen, was wir können. Wir haben das Forstamt, das die Baumstämme legt, was auch hilft. Aber wir erwarten auch Hilfe von der Regierung, damit umgehend die Hochwasserschutzarbeiten beginnen, damit wir bei den nächsten Unwettern davonkommen."
Ob das diesen Winter noch passieren wird ist fraglich. Immerhin: die griechische Regierung hat angekündigt, 20 Millionen Euro für die aufgrund des Unwetters entstandenen Schäden zur Verfügung zu stellen.
Wüstenbildung als größte Gefahr für Griechenland
Bereits im Sommer hat sie ein Hilfspaket in Höhe von 500 Millionen Euro für die Opfer der Brandkatastrophe auf Euböa und im Großraum Athen verabschiedet. Enorme Summen für das ohnehin stark verschuldete Griechenland.
Doch wenn sich nichts ändert, könnte das erst der Anfang sein, sagt Klimaforscher Christos Zerefós. Denn Hitzewellen wie die im vergangenen Sommer werden immer häufiger vorkommen und sind meist erst der Beginn einer Kette von extremen Ereignissen mit langfristigen Folgen:
"Die Folge einer solch großen Hitzewelle sind Waldbrände. Die Beseitigung der Wälder, verursacht Überflutungen und die Überflutungen waschen das Erdreich weg. Das wiederum führt zur Wüstenbildung. Das ist die größte Gefahr für Griechenland."
Vor allem der Osten und Südosten seien davon bedroht. In einer aktuellen Studie im Auftrag der griechischen Zentralbank hat Zerefós gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern die ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen des Klimawandels für Griechenland ermittelt.
Dürregefahr für die Landwirtschaft
Daraus geht hervor, dass bereits jetzt 15 bis 20 Prozent des Landes von Wüstenbildung betroffen sind, darunter unter anderem bestimmte Regionen auf Kreta und im Osten der Halbinsel Peloponnes.
Setzt sich diese Entwicklung ungebremst fort, werden bis zum Jahr 2100 etwa 40 Prozent Griechenlands Wüste sein, so die Prognose. Dazu kommt: In anderen Regionen bleibt der Regen immer häufiger ganz aus. Auch hier droht Wüstenbildung und nicht nur das:
"Ein großer Teil unserer Wirtschaft ist Landwirtschaft und die ist vom Klimawandel bedroht. Warum? Weil an den Orten, an denen wir Getreide anbauen und alle möglichen landwirtschaftlichen Produkte, Dürregefahr besteht."
In den Sommermonaten wird bereits jetzt auf einigen Inseln im Südosten das Wasser knapp. Dürren, Hitzewellen, Waldbrände, Überschwemmungen und dazu noch der steigende Meeresspiegel – all das wird sich mittelfristig zum Beispiel auch auf den Tourismus auswirken, einer der wichtigsten griechischen Wirtschaftssektoren. Damit hätte der Klimawandel auch gravierende ökonomische Folgen.
Das Armutsrisiko steigt
Geht die Entwicklung so weiter wie bisher, könnten sich die durch ihn verursachten Schäden in Griechenland laut Studie bis zum Ende des Jahrhunderts auf etwa 700 Milliarden Euro belaufen. Das ist mehr als doppelt so viel wie die aktuelle Staatsverschuldung. Für die Menschen in Griechenland heißt das, das Armutsrisiko steigt.
Was das bedeutet, zeigt sich bereits jetzt am Beispiel von Euböa.
Giorgos Gerogiannis steht an seinem Verkaufsstand an einer Landstraße. Er ist Imker und im Sommer, wenn die Touristen da sind, verkauft er hier Honig und Bienenwachs. Gerne würde er in der nächsten Saison wiederkommen, doch viel Hoffnung hat er nicht.
"Es wurden mehr als die Hälfte meiner Bienenstöcke zerstört. Das Feuer hat uns ruiniert."
Imkerverbände gehen davon aus, dass die diesjährigen Waldbrände insgesamt mehr als 10.000 Bienenstöcke in Griechenland vernichtet haben. Die meisten davon auf Euböa.
"Ich habe das noch nie in meinem Leben erlebt"
Gerogiannis hat zwei kleine Kinder. Die ganze Familie lebt von der Honigproduktion. Jetzt muss er sehen, wie es weitergeht. Nur ein paar wenige Dinge konnte er vor den Flammen retten.
"Ich habe das noch nie in meinem Leben erlebt und will es auch nie wieder erleben. Man hörte nur das Brausen des Feuers. Man konnte nicht nah herangehen, wir hatten hier auch keine Feuerwehr. Überhaupt nichts."
Im einst dichten Pinienwald, einige Kilometer vom Verkaufsstand entfernt, befinden sich seine Bienenstöcke – oder das, was davon übriggeblieben ist. Die Bienen, die überlebt haben, sind sehr geschwächt und anfällig für Krankheiten.
Auf dem Weg dahin zeigt Gerogiannis auf ein komplett ausgebranntes Auto – das war sein Wagen.
"Wenn sie uns nicht helfen, das alles wiederherzustellen, durch finanzielle Unterstützung, werden wir uns einen neuen Job suchen müssen. Viele geben schon jetzt ihre Bienenstöcke auf."
Die Imkerei hat Tradition in Griechenland
Die Imkerei hat seit der Antike Tradition in Griechenland. Bereits Aristoteles und Hippokrates sollen Bienen gehalten haben. Heute gibt es offiziell rund 10.000 Imkerinnen und Imker. Die tatsächliche Zahl dürfte aber mehr als doppelt so hoch sein. Noch 2019 waren knapp 25.000 registriert.
Vor allem Rentner wollen sich mit der Imkerei etwas hinzuverdienen, melden ihr Gewerbe aber oft nicht an, da sie Angst haben, dass dadurch ihre Bezüge gekürzt werden. 2019 haben die griechischen Imker insgesamt 22.000 Tonnen Honig produziert - etwa ein Drittel auf Euböa. Die Insel ist vor allem bekannt für ihren Pinienhonig.
Laut Imkereiverbänden werden künftig pro Jahr etwa 10.000 Tonnen weniger Pinienhonig produziert werden können. Die Imker hoffen auf Unterstützung vom Staat, um die Verluste auszugleichen. Doch bislang ist noch nichts davon angekommen.
"Uns rennt die Zeit davon"
Die Geschehnisse in diesem Jahr zeigten deutlich, dass der Klimawandel in Griechenland bereits Realität ist, so Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis Anfang November beim Auftakt des UN-Klimagipfels in Glasgow.
"In Griechenland bekommen wir, wie viele andere Länder auch, bereits einen Eindruck von den dramatischen Auswirkungen der globalen Erwärmung. Uns rennt die Zeit davon, wir müssen jetzt handeln."
Daher gebe es jetzt ein eigenes Ministerium zur Bekämpfung der Klimakrise.
"Wir betonen den Begriff Klimakrise, weil wir die Folgen des Klimawandels schon jetzt dringend angehen müssen. Aber wir müssen auch präventiv handeln."
Bis 2028 alle Kohlekraftwerke abschalten
Deswegen wolle Griechenland so schnell wie möglich ein Gesetz auf Basis des Pariser Klimaabkommens verabschieden. Ziel ist unter anderem, den CO2-Ausstoß deutlich zu reduzieren – nämlich um mindestens 55 Prozent bis zum Jahr 2030.
Um das zu erreichen will Griechenland die Emissionen im Verkehrsbereich senken, sämtliche Kohlekraftwerke bis spätestens 2028 abschalten und den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben.
Doch die Pläne stoßen auch auf Widerstand: Bereits jetzt bemängeln Kritiker, dass die Regierung beim Bau neuer Windparks äußerst intransparent vorgehe. Außerdem würden diese ohne Rücksicht auf die Umwelt und die lokale Bevölkerung teilweise sogar in Naturschutzgebieten errichtet.
Zwei Milliarden Euro werden in den Kohleausstieg investiert
Auch der Kohleausstieg sorgt für Diskussionen. Vor zwanzig Jahren war Griechenland Europas viertgrößter Braunkohleförderer. Besonders im Norden Griechenlands hängen immer noch 10.000 Jobs an der Braunkohle. Dennoch sei der Kohleausstieg nicht so gewaltig, wie allgemein behauptet würde, sagt Kostis Moussouroulis. Er soll mit Hilfe eines Ausschusses einen Plan entwickeln, wie der Kohleausstieg sozialverträglich gelingen kann.
"Bereits seit 2010 ist die Kohleproduktion um 70 Prozent gesunken. Das war allerdings keine politische Entscheidung, sondern das hat der Markt bestimmt."
Denn die Preise der CO2-Zertifikate sind rasant angestiegen, daher ist der Kohlestrom für die Energiekonzerne zunehmend unrentabel geworden. In der Folge wurde immer weniger Kohle abgebaut und viele Arbeitsplätze sind bereits verloren gegangen.
"Die enorme Abhängigkeit dieser Regionen von der Kohle hatte zur Folge, dass man keinen Plan für die Zukunft entwickelt und dass man nicht in andere Sektoren investiert hat."
Moussouroulis ist sicher: Der Kohleausstieg kann für die betroffenen Gebiete auch eine Chance sein. Schließlich sollen etwa zwei Milliarden Euro investiert werden, um den Übergang möglich zu machen, größtenteils finanziert aus EU-Mitteln.
"Es ist der Beginn einer neuen Ära"
Doch neben der sozialen Frage sind auch noch andere Aspekte ungeklärt: Wird Griechenland seinen Energiebedarf allein mit erneuerbaren Energien decken können? Bereits jetzt stößt das Energienetz zu Spitzenzeiten immer wieder an seine Belastungsgrenze, warnen Kritiker.
Dass es Probleme bei der Umsetzung eines so großen Projekts geben würde, sei zu erwarten gewesen, so Klimaforscher Zerefós.
"Es ist der Beginn einer neuen Ära. Also werden Fehler passieren, da bin ich sicher. Aber es ist gut, dass wir jetzt anfangen."
Und zwar auch, wenn klar sei, dass sie allein das globale Klima kaum beeinflussen könnten. Doch Zerefós ist sicher: Wenn es ausgerechnet Griechenland, dem ewigen Krisenstaat, vor allen anderen gelänge, klimaneutral zu werden, dann hätte das eine enorme Symbolkraft für ganz Europa.