Griechenland vor der Wahl

Einwanderer fürchten eine konservative Regierung

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Wahlkampfabschluss - am Sonntag wird in Griechenland gewählt. © picture alliance / dpa / ANA-MPA
Von Rodothea Seralidou |
Alexis Tsipras und die linke Syriza-Partei war für die Einwanderer und Flüchtlinge in Griechenland eine Regierung, die vielen eine Perspektive geboten hat. Mit der bevorstehenden Neuwahl befürchten die Migranten, dass sich durch eine neue Regierung alles ändern könnte.
In einem Straßencafé im Athener Stadtzentrum. Der 24-jährige Mohammad sitzt entspannt auf einer Couch und unterhält sich mit der Kellnerin. Der junge Afghane scheint hier alle zu kennen: Er winkt nach rechts und links, lächelt anderen Gästen zu, wird begrüßt. Kein Wunder: Das Viertel hinter dem Viktoria-Platz, einem sozialen Brennpunkt, ist sein Viertel. Hier ist er zur Schule gegangen, hier lebt er die letzten zehn Jahre seines Lebens.
"Ich gehöre den Hazara an, einer Volksgruppe, die in Afghanistan verfolgt wird. Also ist meine Familie erst nach Pakistan geflüchtet, dann in den Iran. Vor zehn Jahren bin ich dann alleine über die Türkei nach Griechenland gekommen. Damals war es sehr schwer über die Grenze zu gehen und ich hatte kein Geld, um weiterzureisen. Also bin ich hier geblieben und musste von Null anfangen."
Da war Mohammad 14 Jahre alt. Und er hatte Glück im Unglück, sagt er: Ein griechisches Ehepaar hatte ihn aufgenommen - auf eigene Faust: Denn so etwas wie eine Pflegefamilie für minderjährige Flüchtlinge gibt es in Griechenland nicht. Ein Außenseiter ist er trotzdem geblieben: sein Name, seine dunkle Hautfarbe, seine asiatischen Augen.

2012, als die neofaschistische Goldene Morgenröte ins Parlament kam, wurde es besonders schlimm: "Wir hatten Angst. Nachts konnten wir uns nicht frei auf der Straße bewegen, es gab viele Opfer. Und sie konnten nicht Strafanzeige erstatten, denn die Polizei steckte mit den Nazis unter einem Hut und schickte die Opfer weg. Ich habe es selbst erlebt, als ich Einwanderer zur Wache begleitete, um für sie zu übersetzen."

Die damalige Koalitionsregierung rund um die konservative Nea Dimokratia habe lange Zeit weggeschaut, sagt Mohammad. Erst nachdem die Neofaschisten im Herbst 2013 den linken Rapper Pavlos Fyssas kaltblütig erstochen hatten, ging die Regierung ernsthaft gegen die Goldene Morgenröte vor, ihre Anführer landeten im Gefängnis. Die offiziellen Warnungen seitens der Regierung vor illegalen Migranten, die angeblich eine Bedrohung für Griechenland darstellten, hörten aber nicht auf. Das habe sich erst geändert, als im Januar dieses Jahres die linke Syriza an die Macht gekommen sei, sagt Yonous Mohamadi vom Griechischen Flüchtlingsforum, dem Dachverband aller Flüchtlingsgemeinden in Griechenland:
"Zum ersten Mal ist die Grundstimmung migrantenfreundlich. Wenn das von oben kommt, geht es auch in die Gesellschaft über. Wenn jetzt Polizisten in den Parks patrouillieren, gehen sie zu den Flüchtlingen und unterhalten sich mit ihnen. Und die Küstenwache. Früher hat sie die ankommenden Flüchtlingsboote wieder zurück ins offene Meer getrieben, heute hilft sie den Flüchtlingen, und ganz Griechenland ist stolz darauf."
Syriza baute Migrationsministerium auf
Syriza habe zum ersten Mal auch ein eigenständiges Migrationsministerium aufgebaut, sagt Yonous. Dass die Regierung nicht alle Missstände über Nacht beseitigen konnte, wundert Mohammad aber nicht.
"Wir wussten, dass Syriza nicht all das halten kann, was die Partei vor den Wahlen im Januar versprochen hatte: zum Beispiel Papiere für alle Migranten. Es hat sich aber viel getan für die Flüchtlinge: Sie werden zum Beispiel nicht mehr in geschlossenen Flüchtlingslagern untergebracht. Zwar schlafen die meisten nun auf der Straße, aber das ist tausendmal besser! Diese Lager waren wahre Folterzellen. Ich kenne viele Menschen, die seither in psychiatrischer Behandlung sind."
Die konservative Opposition hingegen kritisiert Syriza, sie habe mit ihrer zu laschen Migrationspolitik und den offenen Grenzen die heutigen Flüchtlingsströme regelrecht nach Griechenland eingeladen. Mohamadi schüttelt den Kopf:
"Eine härtere Herangehensweise hätte da nur zwei Konsequenzen: mehr Geld für die Schlepper und mehr Tote unter den Flüchtlingen. Wie soll man diese Menschen stoppen? Auch wenn man auf sie schießen würde, sie würden es trotzdem versuchen!"
Das gilt auch für den 24-jährigen Mohammad. Anders als seine Landsleute, die gerade in Griechenland ankommen und weiter nach Deutschland, Österreich oder Schweden wollen, möchte der Afghane nach so langer Zeit lieber hier bleiben.
"Ich habe dieses Jahr meinen Schulabschluss gemacht. Darauf bin ich stolz. Und ich möchte die griechische Staatsbürgerschaft beantragen. Syriza hat Leuten wie mich, die wir hier die Schule besucht haben, ja die Möglichkeit gegeben, uns einbürgern zu lassen. Ich weiß aber nicht, ob ich das schaffe oder ob eine neue Regierung alles wieder zurücknimmt."
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