Was kommt nach Tsipras' Linksregierung?
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Alexis Tspiras will es wissen: Er lässt statt im Oktober bereits am kommenden Wochenende wählen. Die Umfragewerte für seine Linksregierung sind allerdings am Boden. Dabei ist die Bilanz keineswegs so schlecht, wie prophezeit wurde.
Wenn am Wochenende in Griechenland Parlamentswahlen stattfinden, dann werden voraussichtlich diejenigen gewinnen, die maßgeblich für die schlimmste Krise des Landes verantwortlich sind. Die konservative Nea Dimokratia liegt in den Umfragen weit vor der Linksregierung von Alexis Tsipras, die sich in den vergangenen vier Jahren mit der Durchsetzung von rigorosen Sparmaßnahmen unbeliebt gemacht hat.
Nea Dimokratia präsentiert sich "rundum erneuert"
Während dieser Zeit hat sich die konservative Partei nach eigenen Angaben rundum erneuert und setzt nun darauf, dass die Griechen genug haben von all den Gängelungen und Zumutungen, die Tsipras und die Regierungspartei Syriza durchgesetzt haben.
Die Rechnung scheint aufzugehen, denn die Lebensumstände eines Großteils der Bevölkerung sind nach wie vor prekär. Die Arbeitslosigkeit ist zwar gesunken, liegt aber immer noch bei über 18 Prozent. "Diejenigen, die Arbeit haben, verdienen oft nicht mehr als 400 oder 500 Euro im Monat, das ist ein Hungerlohn", sagt Korrespondent Michael Lehmann im Gespräch. "Viele sagen, die Linken haben uns noch mehr gequält als die Konservativen und schwenken nun um."
Immerhin gibt es zum ersten Mal Sozialhilfe in Griechenland, die allerdings in einer Maximalhöhe von 200 Euro auch nur das Schlimmste abfedern kann.
Auch Yanis Varoufakis ist mit von der Partie
Yanis Varoufakis, der ehemalige Finanzminister unter Tsipras und EU-Bürgerschreck, positioniert sich mit seiner neuen Partei "Demokratie in Europa DiEM25" ganz links und befürwortet einen kompletten, anti-kapitalistischen Richtungswechsel - nicht nur für Griechenland, sondern für ganz Europa.
Mit viel Zustimmung darf er allerdings nicht rechnen. "Er müsste die 3-Prozent-Hürde nehmen, und ob das klappt, ist ungewiss", meint Michael Lehmann. Etwas besser steht ein Bündnis aus Sozialdemokraten und anderen sozialistischen Gruppierungen da, aber auch die werden wohl unter 10 Prozent bleiben und könnten den Konservativen bestenfalls als Bündnispartner dienen.
Rigorose Einschnitte ins Haushaltsbudget
Die Kürzung von Gehältern und Renten brachte unzählige Familien in ernste Nöte, die klassische Mittelschicht hat berechtigte Angst vor dem Absturz.
Kindergeld gibt es nur noch für Familien mit weniger als 18.000 Euro Jahreseinkommen - eine Maßnahme, die außerhalb Griechenlands kaum jemand wahrgenommen hat. Die Mehrwertsteuer liegt bei satten 24 Prozent - das betrifft alle Griechen, ja sogar Touristen. "Aber nicht nur die Mehrwertsteuer wurde erhöht", erklärt Michael Lehmann, "auch viele andere Steuern wurden eingeführt und belasten die Haushalte."
Dass die Linksregierung parallel zum Spardiktat keine nennenswerte Erfolge beim Gewinnen von Investoren gemacht hat, könnte ihr nun das Genick brechen.
Bilanz ist gar nicht so schlecht - von außen betrachtet
2015, als die Linksregierung gewählt wurde, war die EU überwiegend entsetzt. Kein Jahr Amtszeit wurde Alexis Tsipras prophezeit. Nun sind vier Jahre vergangen und Alexis Tsipras und seine Regierungspartei Syriza sind immer noch da. Fast ein Viertel der Griechen haben bei der Europawahl für sie gestimmt - das ist zwar ein Verlust von 10 Prozent, aber ein totaler Absturz sieht anders aus.
Neben der Einführung der Sozialhilfe hat die Tsipras-Regierung auch den Klientilismus bekämpft - mit begrenztem Erfolg. "Klientilismus lässt sich nicht von heute auf morgen abschaffen, das dauert Jahre", gibt der Reformminister zu bedenken. "Ein Mentalitätswechsel ist dafür notwendig."
Das Investitionsklima in Griechenland ist für internationale Unternehmen nach wie vor unattraktiv, das Land genießt zu wenig Vertrauen. Aber kleine und mittelständische Unternehmen nutzen zunehmend ihre Chance und profitieren von diversen Vergünstigungen bei einer Neugründung. So gibt es im IT-Bereich Vorzeigeunternehmen, die erfolgreich griechischstämmige Akademiker aus dem Ausland zurückholen und ihr Personal ansonsten an griechischen Unis rekrutieren.
"Griechenland ist vielleicht nicht besonders reich und kann nicht mit dicken Gehältern aufwarten, aber es gibt ja auch noch andere Kriterien für ein gutes Leben", argumentiert ein Rückkehrer.