"Griechenland wird weitere Hilfe benötigen"
Griechenlands Wirtschaft braucht für die geforderten Kurskorrekturen weitere finanzielle Unterstützungen. Nach Ansicht des ehemaligen Außenministers des Landes, Dimitrios Droutsas (PASOK), reichen die bei den Sparmaßnahmen erwirtschafteten Überschüsse nicht einmal für die Tilgung der Schuldenzinsen.
Ute Welty: Rettet die Millionen! – Das gilt für Schalke heute in Saloniki, denn wenn auch dieses Spiel verloren geht, dann kann Schalke die Einnahmen aus der Champions League abschreiben. Aber das sind Peanuts, verglichen mit den Milliarden, die bei der Griechenland-Rettung auf dem Spiel stehen!
Der griechische Finanzminister versucht zu beruhigen: sein Land brauche keinen weiteren Schuldenschnitt, womöglich noch nicht einmal ein weiteres Rettungspaket, der Finanzbedarf des Landes läge nach 2014 bei 10 Milliarden Euro. Ist das realistisch? Wir rechnen mal nach und zwar gemeinsam mit Dimitris Droutsas, guten Morgen!
Dimitris Droutsas: Guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Ehemals Außenminister in Griechenland, inzwischen sozialdemokratischer Europaabgeordneter, Sie kennen also die nationale Sicht der Regierungsseite ebenso wie die europäische Sicht der Opposition. Aber darüber hinaus sind Sie ja vor allem Grieche. Glauben Sie Ihrem Finanzminister?
Droutsas: Ich muss natürlich meinem Finanzminister Glauben schenken und ich glaube, es handelt sich um einen sehr seriösen Mann, der auch hier gewisse bittere, für alle bittere Wahrheiten beim Namen nennt. Ja, ich glaube, die Wahrheit ist – und so bitter sie auch klingen mag –, Griechenland wird weitere Hilfe benötigen. Und wenn Sie mich fragen, Frau Welty, ich glaube, es stellt sich nicht die Frage: Entweder Schuldenschnitt oder eine weitere, auch wenn kleinere Finanzhilfe in der Zukunft, für mich steht außer Zweifel, dass Griechenland beide Maßnahmen brauchen wird.
"Die Höhe der griechischen Schulden beläuft sich auf über 380 Milliarden Euro "
Welty: Aber genau das streitet Ihr Finanzminister doch ab?
Droutsas: Ja, wie gesagt, auch hier muss man vielleicht noch offenere Worte finden. Ich kann auch seine Situation verstehen, ich möchte jetzt auch nicht in seine Gedanken eingreifen. Es ist natürlich Wahlkampf auch in Deutschland, dieses Thema ist hier sehr, sehr hoch in der Agenda des deutschen Wahlkampfes jetzt gekommen. Jeder versucht hier vielleicht auch, gewisse Wahlkampfhilfe zu leisten …
Welty: Auch der griechische Finanzminister?
Droutsas: Auch der griechische Finanzminister, natürlich, auch er muss natürlich mit der deutschen politischen Führung hier ein gutes Auskommen finden. Und natürlich, wenn Sie die Statements des griechischen Finanzministers sich ganz genau anschauen, sagt er ja im nächsten Satz: Natürlich würden wir gerne einen Schuldenschnitt sehen, wir brauchen ihn, aber es braucht zwei Leute, um zu tanzen, sagt er. Deswegen muss er sich fügen im Moment dem, was auch die deutsche Politik im Hinblick auf den Wahlkampf sagt.
Aber wie gesagt, Frau Welty, wenn Sie mir erlauben, ich möchte weniger auf die Aussagen des einen oder andern früheren Kollegen zu sprechen kommen. Ich sage Ihnen meine Ansicht: Ich glaube, wenn wir hier seriös sein wollen und die volle Wahrheit allen sagen wollen, wird man sagen müssen: Griechenland braucht einen mutigen, rigorosen Schuldenschnitt, und es wird wahrscheinlich noch weitere Finanzhilfen in der Zukunft bedürfen. Viel kleineren Volumens, aber doch!
Welty: Auf welche Fakten stützen Sie Ihre Wahrheit, die ja für die Deutschen durchaus unbequem ist?
Droutsas: Sie ist sicherlich sehr, sehr unbequem und mir macht es auch nicht Freude, dies so offen zu sagen. Aber nochmals, ich glaube, die Politik im Allgemeinen braucht wieder klare Worte, damit die Bürger nicht nur in Deutschland, in ganz Europa wieder mehr Vertrauen in die Politik und in ihre eigenen Politiker schenken.
"Sehr viel Geld, das wir selbst in Griechenland leider noch nicht flüssig machen können"
Welty: Ich hatte nach den klaren Fakten gefragt.
Droutsas: Die klaren Fakten, ja, ich glaube, dass der Beitrag, den Sie am Anfang gespielt haben, alles sehr, sehr deutlich gesagt hat. Die Höhe der griechischen Schulden beläuft sich auf über 380 Milliarden Euro, das sind knapp 170 bis 180 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
Der springende Punkt ist, Frau Welty, Griechenland muss jedes Jahr etwa zwölf Milliarden Euro allein an Zinsen für die Zinstilgung zahlen. Es geht also gar nicht darum, die Schulden abzutragen, es sind zwölf Milliarden, nur um Zinsen zu bezahlen. In einer Periode, die von einer Rezession, wirtschaftlichen Rezession gekennzeichnet ist für Griechenland, und einer Periode, wo wir nach wie vor ein Defizit in unserem Haushalt haben.
Es geht jetzt darum, dass wir einen kleinen Primärüberschuss wahrscheinlich erzielen werden, aber lange nicht genug, um alleine auch nur die Zinsen zu bezahlen. Das heißt also für mich in einfachem Deutsch: Wenn wir die Schulden abtragen wollen von diesen 380 Milliarden in einem Bereich, der wirklich nachhaltig tragbar wäre, brauchen wir hier sehr, sehr viel Geld, das wir selbst in Griechenland leider noch nicht flüssig machen können.
Wenn also Griechenland, der griechische Bürger, der wirklich blutet im Moment, etwas Licht am Ende des Tunnels sehen möchte, müssen wir hier den Schuldenstand rigoros mindern. Und das wird, realistisch gesehen und offen ausgesprochen, ohne einen Schuldenschnitt kaum möglich sein.
Welty: Das bedeutet aber doch im Umkehrschluss, dass die Prognosen für den griechischen Finanzbedarf nach 2014, die allgemein so bei zehn bis 15 Milliarden Euro liegen, völlig unrealistisch sind, wenn allein zwölf Milliarden gezahlt werden für Zinsen?
Droutsas: Die zwölf Milliarden, die allein für Zinsen bezahlt werden müssen, das kommt nach wie vor hinzu. Und diese Prognosen, von denen man spricht, sind natürlich relativ optimistisch. Sie gehen davon aus, dass Griechenland einen sogenannten Primärüberschuss erzielen wird, wir hoffen sehr darauf, dass Griechenland dies bereits mit Ende dieses Jahres schaffen wird. Und die Prognosen gehen davon aus, für die Erzielung der Programmziele, dass Griechenland auch einen Wirtschaftsaufschwung erzielen wird in mehreren Prozentpunkten des Bruttonationalproduktes.
All dies sind, Frau Welty, für mich, Hypothesen. Und hoffentlich, schön wär’s, wir hoffen alle, dass dem so sein wird, aber es ist keine Garantie. Und auch wenn wir hier realistisch sein wollen, nochmals: Es klingt bitter, es ist aber für mich die offene Wahrheit, ohne Schuldenschnitt wird es nicht gehen in Griechenland.
Welty: Sagt der sozialdemokratische Europaabgeordnete Dimitris Droutsas hier im Deutschlandradio Kultur, ich danke für’s Gespräch!
Droutsas: Ich danke auch, Frau Welty!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Links auf dradio.de:
"Griechenland entwickelt sich wirtschaftlich hervorragend"- CSU-Europaparlamentarier Ferber glaubt nicht an dritten Schuldenschnitt
"Es kann nicht sein, dass man Strukturprobleme mit Geld zuschüttet" - FDP-Fraktionschef Brüderle warnt vor verfrühten Hilfszusagen für Griechenland
Der griechische Finanzminister versucht zu beruhigen: sein Land brauche keinen weiteren Schuldenschnitt, womöglich noch nicht einmal ein weiteres Rettungspaket, der Finanzbedarf des Landes läge nach 2014 bei 10 Milliarden Euro. Ist das realistisch? Wir rechnen mal nach und zwar gemeinsam mit Dimitris Droutsas, guten Morgen!
Dimitris Droutsas: Guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Ehemals Außenminister in Griechenland, inzwischen sozialdemokratischer Europaabgeordneter, Sie kennen also die nationale Sicht der Regierungsseite ebenso wie die europäische Sicht der Opposition. Aber darüber hinaus sind Sie ja vor allem Grieche. Glauben Sie Ihrem Finanzminister?
Droutsas: Ich muss natürlich meinem Finanzminister Glauben schenken und ich glaube, es handelt sich um einen sehr seriösen Mann, der auch hier gewisse bittere, für alle bittere Wahrheiten beim Namen nennt. Ja, ich glaube, die Wahrheit ist – und so bitter sie auch klingen mag –, Griechenland wird weitere Hilfe benötigen. Und wenn Sie mich fragen, Frau Welty, ich glaube, es stellt sich nicht die Frage: Entweder Schuldenschnitt oder eine weitere, auch wenn kleinere Finanzhilfe in der Zukunft, für mich steht außer Zweifel, dass Griechenland beide Maßnahmen brauchen wird.
"Die Höhe der griechischen Schulden beläuft sich auf über 380 Milliarden Euro "
Welty: Aber genau das streitet Ihr Finanzminister doch ab?
Droutsas: Ja, wie gesagt, auch hier muss man vielleicht noch offenere Worte finden. Ich kann auch seine Situation verstehen, ich möchte jetzt auch nicht in seine Gedanken eingreifen. Es ist natürlich Wahlkampf auch in Deutschland, dieses Thema ist hier sehr, sehr hoch in der Agenda des deutschen Wahlkampfes jetzt gekommen. Jeder versucht hier vielleicht auch, gewisse Wahlkampfhilfe zu leisten …
Welty: Auch der griechische Finanzminister?
Droutsas: Auch der griechische Finanzminister, natürlich, auch er muss natürlich mit der deutschen politischen Führung hier ein gutes Auskommen finden. Und natürlich, wenn Sie die Statements des griechischen Finanzministers sich ganz genau anschauen, sagt er ja im nächsten Satz: Natürlich würden wir gerne einen Schuldenschnitt sehen, wir brauchen ihn, aber es braucht zwei Leute, um zu tanzen, sagt er. Deswegen muss er sich fügen im Moment dem, was auch die deutsche Politik im Hinblick auf den Wahlkampf sagt.
Aber wie gesagt, Frau Welty, wenn Sie mir erlauben, ich möchte weniger auf die Aussagen des einen oder andern früheren Kollegen zu sprechen kommen. Ich sage Ihnen meine Ansicht: Ich glaube, wenn wir hier seriös sein wollen und die volle Wahrheit allen sagen wollen, wird man sagen müssen: Griechenland braucht einen mutigen, rigorosen Schuldenschnitt, und es wird wahrscheinlich noch weitere Finanzhilfen in der Zukunft bedürfen. Viel kleineren Volumens, aber doch!
Welty: Auf welche Fakten stützen Sie Ihre Wahrheit, die ja für die Deutschen durchaus unbequem ist?
Droutsas: Sie ist sicherlich sehr, sehr unbequem und mir macht es auch nicht Freude, dies so offen zu sagen. Aber nochmals, ich glaube, die Politik im Allgemeinen braucht wieder klare Worte, damit die Bürger nicht nur in Deutschland, in ganz Europa wieder mehr Vertrauen in die Politik und in ihre eigenen Politiker schenken.
"Sehr viel Geld, das wir selbst in Griechenland leider noch nicht flüssig machen können"
Welty: Ich hatte nach den klaren Fakten gefragt.
Droutsas: Die klaren Fakten, ja, ich glaube, dass der Beitrag, den Sie am Anfang gespielt haben, alles sehr, sehr deutlich gesagt hat. Die Höhe der griechischen Schulden beläuft sich auf über 380 Milliarden Euro, das sind knapp 170 bis 180 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
Der springende Punkt ist, Frau Welty, Griechenland muss jedes Jahr etwa zwölf Milliarden Euro allein an Zinsen für die Zinstilgung zahlen. Es geht also gar nicht darum, die Schulden abzutragen, es sind zwölf Milliarden, nur um Zinsen zu bezahlen. In einer Periode, die von einer Rezession, wirtschaftlichen Rezession gekennzeichnet ist für Griechenland, und einer Periode, wo wir nach wie vor ein Defizit in unserem Haushalt haben.
Es geht jetzt darum, dass wir einen kleinen Primärüberschuss wahrscheinlich erzielen werden, aber lange nicht genug, um alleine auch nur die Zinsen zu bezahlen. Das heißt also für mich in einfachem Deutsch: Wenn wir die Schulden abtragen wollen von diesen 380 Milliarden in einem Bereich, der wirklich nachhaltig tragbar wäre, brauchen wir hier sehr, sehr viel Geld, das wir selbst in Griechenland leider noch nicht flüssig machen können.
Wenn also Griechenland, der griechische Bürger, der wirklich blutet im Moment, etwas Licht am Ende des Tunnels sehen möchte, müssen wir hier den Schuldenstand rigoros mindern. Und das wird, realistisch gesehen und offen ausgesprochen, ohne einen Schuldenschnitt kaum möglich sein.
Welty: Das bedeutet aber doch im Umkehrschluss, dass die Prognosen für den griechischen Finanzbedarf nach 2014, die allgemein so bei zehn bis 15 Milliarden Euro liegen, völlig unrealistisch sind, wenn allein zwölf Milliarden gezahlt werden für Zinsen?
Droutsas: Die zwölf Milliarden, die allein für Zinsen bezahlt werden müssen, das kommt nach wie vor hinzu. Und diese Prognosen, von denen man spricht, sind natürlich relativ optimistisch. Sie gehen davon aus, dass Griechenland einen sogenannten Primärüberschuss erzielen wird, wir hoffen sehr darauf, dass Griechenland dies bereits mit Ende dieses Jahres schaffen wird. Und die Prognosen gehen davon aus, für die Erzielung der Programmziele, dass Griechenland auch einen Wirtschaftsaufschwung erzielen wird in mehreren Prozentpunkten des Bruttonationalproduktes.
All dies sind, Frau Welty, für mich, Hypothesen. Und hoffentlich, schön wär’s, wir hoffen alle, dass dem so sein wird, aber es ist keine Garantie. Und auch wenn wir hier realistisch sein wollen, nochmals: Es klingt bitter, es ist aber für mich die offene Wahrheit, ohne Schuldenschnitt wird es nicht gehen in Griechenland.
Welty: Sagt der sozialdemokratische Europaabgeordnete Dimitris Droutsas hier im Deutschlandradio Kultur, ich danke für’s Gespräch!
Droutsas: Ich danke auch, Frau Welty!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Links auf dradio.de:
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