Ausstellung als Spiegelbild der Krise
Junge griechische Künstler haben sich in der "Quar-t"-Ausstellung in Thessaloniki zum Ziel gesetzt, mit wenigen Mitteln das bestmögliche Resultat hervorzubringen. Trotz Spardiktat sind ihnen großartige Werke gelungen.
"Der Name der Ausstellung ist bewusst als Wortspiel angelegt. Wir haben den Begriff 'Quark', der für die kleinsten Partikel in der Physik steht und das Wort 'Art' zusammengeführt, um damit in 'Quar-t' die kompakteste künstlerische Arbeit als Ausdruck der Kunst in der Krise zu formulieren."
Erklärt Georgia Damianu, die Koordinatorin der Ausstellung. Was für Objekte sich dahinter verbergen, das wollten am Eröffnungstag mehrere 100 Besucher sehen und erfahren. Auch Sofia Moratidu ist berührt, begeistert, betroffen. Die Ausstellung, die die stadtbekannte Galeristin im Herzen Thessalonikis über einen Monat präsentieren will, kann guten Gewissens als schlicht und minimalistisch bezeichnet werden. Und das obwohl sie die Unterschrift von sage und schreibe 74 jungen griechischen Nachwuchskünstlern trägt.
"Das, was die jungen Künstler beschäftigt ist die Solidarität in der Gesellschaft, der Dialog, die Hand, die dir jemand reicht, wenn du in Not bist. Deshalb werden ihre Miniaturwerke so ausgestellt, wie sie am besten zueinander passen. Sie stellen damit die griechische Gesellschaft von heute als eine Zelle dar, die aus vielen Einzelteilen besteht und sich ständig wandelt, verwandelt, entwickelt."
Niemand hatte mit so viel Andrang gerechnet. Eine Künstlerin ist Dionisiu Glyka, die vor ihren Miniaturwerken steht, um sie den aufmerksamen Gästen zu nahe zu bringen.
Kunst mit kompakter Botschaft
Sie arbeite gerne mit Portraits bekannter Persönlichkeiten, erklärt die Künstlerin. Auf Pappe mit Acryl, in allen möglichen Farben. In diesem Fall hat sie als Format die Innenseite von Metallschraubverschlüssen für Marmeladengläser gewählt. Sie zeigt auf Salvador Dali, Pablo Picasso, Henry Moore, Max Ernst, etwas weiter stehen Einstein und Steve Jobs. Über den Deckelportraits schafft Dionisiu im nächsten Schritt dann eine zweite Ebene. Sie spannt Klarsichtfolie darüber und zeichnet mit Tinte feine Konturen. Bei genauem Hinschauen erkennt man Dalis weiche Uhren, Picassos Stiere aus Guernica und über Steve Jobs hängt ein angebissener Apfel. Kunst mit einfachen Mitteln und einer kompakten Botschaft.
"Wir müssen alle Übertreibungen loswerden. Und uns auf das konzentrieren, worauf es jetzt am meisten ankommt. Auf das Wesentliche in den Dingen. Bei der Arbeit mit Miniaturen kamen wir uns wie ein Spiegelbild der Gesellschaft vor. Diese Krise hat uns schwer getroffen, aber wir hatten vorher den absolut grenzenlosen Überfluss erreicht. Ich meine, die Werke können nicht losgelöst von der Krise betrachtet werden, denn hinter ihnen verbirgt sich ein Gedanke oder ein Problem, dass wir in unserem Alltag wiederfinden."
Während für die jungen griechischen Künstler die Krise etwas ganz Neues in ihrem Leben ist, erinnert der Leiter der Kunstabteilung der Uni Thessaloniki, Giorgos Diwaris, dass die griechische Kunstszene schon immer ein passendes Spiegelbild für die Gesellschaft war. Denn ohne Reduktion wäre sie noch nie ausgekommen.
"Die griechischen Künstler haben schon immer erfahren müssen, dass man von der Kunst allein nur schwer leben kann. Sie lebten eigentlich immer in einer Krise. Und sahen Wohlstand sowieso nicht als das Ziel in der Kunst an. Kunst war ja kein Beruf, vielmehr ein Lebensausdruck. Die Kreativität hat bei uns dennoch nie aufgehört. Und die Ausstellungen sind in der Krise nicht weniger geworden."
Perspektivwechsel als Ausweg
Eine, die mit ihrem Werk noch tiefer in die Psyche der griechischen Krise eindringen will, ist Evangelia Anathanasiadou. Sie setzt sich in einem acht mal acht Zentimeter großen durchsichtigen Plexiglas-Würfel, in dem ein Metallring feststeckt, mit Platons Allegorie und der vierten Dimension auseinander. Athanassiadou erinnert an Platons Theorie, dass das, was wir sehen und das, was wir denken, nicht ein und dasselbe sind.
"Der Würfel ist für mich psychologisch betrachtet das Symbol des Gefangenseins. Man hat als Mensch oft den Eindruck man ist in einem bestimmten Raum gefangen, aber nach wissenschaftlicher Sicht ist man mit dem Raum eins. Niemand steckt wirklich fest. Ich will damit sagen, dass die Krise in unserem Kopf feststeckt. Sie hält unsere Gedanken gefangen und lässt uns keine Lösung finden. Wir müssen anfangen die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten, dann erhalten wir ein anderes Gesamtbild unserer Gesellschaft."
Ob das Wenige am Ende die bessere Kunst hervorbringt und ob Kunst wirklich nur aus geringen Mitteln die einzig wahre Kunst sein darf, das kann mit dieser Ausstellung durchaus angezweifelt werden. Wenn Kunst Freiheit symbolisiert, dann müsste sie auch die Freiheit zur Weite, Maßlosigkeit und Grenzüberschreitung beinhalten. Etwas, von dem die griechischen Künstler momentan nur träumen können. Wegen der Krise. Doch wenn andererseits das Wenige solch großartige Werke hervorbringen kann, wie in der "Quar-t"-Ausstellung zu sehen sind, braucht man sich um die Zukunft der Kunst in Europa keine Sorgen zu machen.