Griechischer Premier in Berlin

Tsipras inszeniert den Showdown

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras. © AFP / Tobias Schwarz
Von Stephan Detjen |
Der griechische Premier Alexis Tsipras braucht Angela Merkel als dämonische Gegenspielerin, um sich daheim als Volksheld im Stil südamerikanischer Revolutionsführer zu gerieren. Doch dadurch gerät er in einen pikanten Rollenkonflikt, kommentiert Stephan Detjen.
Nach dem Essen im Kanzleramt wird Alexis Tsipras noch eine Nacht in Berlin bleiben. Was er am Dienstag hier tut, war den ganzen Tag über Gegenstand von Spekulationen. Einen Auftritt in der Bundespressekonferenz hatte er zunächst zu- und dann wieder abgesagt. Von einem Treffen mit Gregor Gysi ist die Rede, obwohl es die diplomatische Etikette eigentlich verbietet, nach dem Antrittsbesuch bei der Regierungschefin gleich das Heil beim Oppositionsführer zu suchen. Macht nichts. Der griechische Außenminister Kotzias hat sich nach dem Treffen mit seinem deutschen Kollegen Steinmeier ja auch gleich Moskau als nächstes Reiseziel ausgesucht.
Wohin auch immer die Reise des Alexis Tsipras noch führt – spätestens am Dienstag können wir uns erschöpft in die Sessel sinken lassen und im Fernsehen das Mammut-Interview mit Helmut Kohl anschauen, mit der die ARD in mehreren mitternächtlichen Folgen die Leere nach dem Tsipras-Spektakel füllt. Die Zeitreise zurück in die 80er- und 90er-Jahre wird uns dann vor Augen führen, wohin es mit Europa in diesen Tagen gekommen ist. Es war einmal das Europa, das wie auf Schienen auf eine immer weitere Integration zusteuerte, in dem kleine und große Mitgliedsstaaten sich in partnerschaftlichem Respekt begegneten und Deutschland nicht als einsame Führungsmacht, sondern stets zusammen mit Frankreich als Motor eines kraftvollen Geleitzuges wahrgenommen wurde.
Provokative Gesten und politische Volten
Der Schaden, den die griechische Regierung mit ihren provokativen Gesten, politischen Volten und revolutionärem Gehabe in den vergangenen Wochen angerichtet hat, betrifft nicht nur das bilaterale Verhältnis zu Deutschland, sondern die Idee Europas insgesamt. So sehr Angela Merkel und Alexis Tsipras sich auch um Signale der Versöhnung und Eintracht bemühen: die als Showdown einer höchstpersönlichen Beziehungskrise stilisierte Begegnung ist selbst zum Teil einer verheerenden Dynamik geworden, die das Politikverständnis Europas in Frage stellt.
Vieles spricht dafür, dass Tsipras sie willentlich herbeigeführt hat. Sie zielt auf darauf ab, Europa als ein Räderwerk aus einzelnen Beziehungsachsen zu definieren, deren simple Mechanik entweder mit brachialer Macht oder durchtriebenem Geschick manipuliert werden kann. Tsipras' Strategie zielte von Beginn an darauf ab, das undurchschaubar wirkende Geflecht europäischer Politik zu zerschlagen, Europa zu spalten und hinter dem angeblichen Schleier mühsamer Kompromisssuche eine imperiale Vormacht Deutschlands zu enttarnen.
Tatsächlich blies der griechischen Regierung der Gegenwind zuletzt eher aus den ehemaligen Programmländern Spanien, Portugal und Irland ins Gesicht. Tsipras aber braucht Merkel als dämonische Gegenspielerin, um sich daheim als Volksheld im Stil südamerikanischer Revolutionsführer zu gerieren. Den Rollenkonflikt, in den er dadurch zwangsläufig auf der europäischen Bühne geriet, kann Tsipras bei einem Abendessen im Kanzleramt allein längst nicht mehr auflösen.
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