Immer Feuer, immer Flamme
Das Volkstheater Wien erlebt derzeit einen Aufschwung. Intendantin Anna Badora hat mit Grillparzers "Medea" für eine weitere kluge und moderne Inszenierung gesorgt, die voller Kraft steckt.
Deutlich politischer nimmt Franz Grillparzer um 1820 herum den antiken Mythos ins Visier – nicht nur Medea, die zauberkundige Königstochter aus dem fernen Kolchis, ist stigmatisiert als kriminelle Fremde und auch Gatte und Kindsvater Jason ist durchaus nicht willkommen in Korinth, dem Ort des erhofften Exils.
Jason steht im Verdacht, den eigenen Onkel ermordet zu haben mit Hilfe von Medeas Zauberkunst. Und nur weil der Korinther-König Kreon Jason schnurstracks zum Gatten der Tochter Kreusa beruft, kann er dessen Verbannung verhindern; Medea aber muss in jedem Fall gehen und die Kinder zurücklassen. Hier beginnt dann wieder die archaische Antike, wenn Medea, die Erniedrigte und Beleidigte, die Nebenbuhlerin und die Kinder zeitgleich tötet. Irgendeine glückliche Fügung zu ihrer Rettung allerdings (wie bei Euripides) ist aber jetzt nicht mehr in Sicht.
Im Zentrum steht das Fremdsein an sich
Anna Badora, Intendantin am Wiener Volkstheater, erzählt Grillparzers Fabel am Beginn der zweiten Spielzeit im Chefsessel nicht forciert modern; aber natürlich steht im Zentrum das Fremdsein an sich und der Hass der Heimischen auf alles, was nicht passt. Ein Grillparzer-Zitat im Programheft, von 1849, markiert den Weg, den auch die Gegenwart ja gerade nimmt: "Von Humanität durch Nationalität zur Bestialität."
Ein Zelt wie im Flüchtlingslager ist auf Thilo Reuthers sonst sehr monumentaler Bühne links am Rand der Lebensraum für Medea, die Kinder, die Amme Gora und sogar den Krieger Jason; in der Höhe der Bühne wird eine durchsichtige Wand zum Spielort für Medeas Erinnerungen an den Beginn des Teufelskreises aus Raub und Rache um "Das Goldene Vlies". Hierher montiert Badora Sequenzen aus dem ersten Teil von Grillparzers "Flies"-Trilogie.
Senkrechtstarterin Stefanie Reinsperger
Das sieht sehr klug und modern aus. Und mit den Rückblenden zieht Badora der Geschichte sogar eine psychologische Unterströmung ein, die das Stück eigentlich nicht hat. Auch das magische Moment der Zuber-Frau wird kenntlicher. Und dieser Differenzierung gegenüber wirkt Stefanie Reinsperger als zentrale Protagonistin noch etwas energischer - wie fast immer ist sie vor allem Feuer und Flamme; die Wiener Senkrechtstarterin, "Schauspielerin des Jahres" im Vorjahr und damals noch am Burgtheater, agiert ja eher selten ziseliert und filigran. In ihr brodelt’s und brennt’s immerzu – insofern passt sie zur Medea. Aber neben ihr markieren Gabor Biedermanns Jason, Anja Herdens Gora und Michael Abendroth in hoch konzentrierten Herrscher-Partien die strukturell durchdachte Kraft dieser Aufführung.