Grimme-Nominierung für "Elternschule"

Dringend unpreisverdächtig!

02:56 Minuten
Durch eine Scheibe ist eine Klinikmitarbeiterin zu sehen, die mit einem kleinen Jungen am Tisch sitzt.
Klinikmitarbeiterin mit kleinem Patient: Der Film "Elternschule" ist schwer umstritten. © picture alliance//Zorro Film /dpa
Ein Kommentar von Timo Grampes |
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Brachiale und vorgestrige Therapien: Unter #keinepreisefuergewalt drücken viele ihre Verstörung über die Grimme-Preis-Nominierung der Dokumentation "Elternschule" aus. Auch Timo Grampes kritisiert Film und Nominierung mit großer Deutlichkeit.
Die Würde. Die ist was Großes. Fallen Ihnen auf Anhieb viele Worte ein, die eine größere Fallhöhe haben als die "Würde"? Mir nicht.
Die Würde gehört zu uns, sie ist keinem abzusprechen. Wird sie verletzt, tut das weh. Trifft es Kinder, umso mehr.

Die Würde wird seriell verletzt

"Elternschule" ist ein Film, der zeigt, wie die Würde des Kindes verletzt wird. Seriell. Da sind schwer kranke Kinder. Klinikmitarbeiterinnen und -mitarbeiter trennen sie ruppig von ihren Eltern, lassen sie schreien. Auch bei Nacht, im Bett mit großen Gittern.
Sie zeichnen das Bild eines tyrannischen Kindes, eines Kindes, das die Eltern dominieren will. Und die Bilder? Hier ein verzerrtes Kindergesicht, da ein Kind, das den Mittelfinger zeigt. Von wegen neutrale Beobachtung.
Film wie Klinik sind, meine ich, dringend unpreisverdächtig!

"Die Würde des Menschen ist unantastbar"

Das sieht die Grimme-Preis-Nominierungskommission anders, zumindest beim Film. Und argumentiert dabei mit Würde:
"Auch wenn die Therapieform teilweise brachial und vorgestrig sein mag - die öffentliche Diskussion über die Würde des Kindes im Anschluss an diesen Film wäre sonst so nicht möglich gewesen."
Das ist mir neu: Diskurs über Würde setzt voraus, dass Würde verletzt wird?
Aber: Was ist da eigentlich zu diskutieren? Die Würde des Menschen ist doch unantastbar. Also ist die eigentliche Diskussion, die der Film aufmacht, nicht die, ob die Würde des Kindes unter bestimmten Voraussetzungen doch antastbar sein darf? Dringend unpreisverdächtig!

Weder vorbildlich noch konstruktiv

Apropos Preis. "Mit einem Grimme-Preis werden Fernsehsendungen und -leistungen ausgezeichnet, die für die Programmpraxis vorbildlich und modellhaft sind", so die Selbstbeschreibung.
Ein Film, der eine derart gewalttätige Praxis zeigt, zu der es zahlreiche konstruktive Alternativen gegeben hätte. Dann noch ohne einordnenden Kommentar. Und dann bei der Ausstrahlung im Ersten ohne eine rahmende Diskussion dazu, trotz der Kontroversen: So ein Film ist weder vorbildliche noch modellhafte Programmpraxis.
Und ein konstruktiver Beitrag zur Würde des Kindes? Nein, diesen Zynismus hat sie nicht verdient! Dazu ist sie viel zu groß - die Würde.
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