Grober Klotz auf groben Keil
"Der Fall der Götter" ist für Nordrhein-Westfalen besonders brisant, weil Eingeweihte in dem Stoff Anspielungen auf die Familie Krupp erkennen können. Doch Regisseurin Karin Henkel stützt sich auf das Drehbuch Luchino Viscontis aus den 60er Jahren. Statt Klatsch zu bedienen, stellt sie vor allem die radikale Kapitalismuskritik des italienischen Streifens heraus.
Düsseldorfs Schauspielhaus eröffnete die Spielzeit 2008/09 am Freitagabend mit dem "Fall der Götter", nach dem Drehbuch für den Film "La Caduta degli die" von Nicola Badalucco, Enrico Medioli und Luchino Visconti. Der Streifen kam 1969 in die Kinos. Der Stoff ist in Nordrhein-Westfalen besonders brisant, weil Eingeweihte Anspielungen auf die Familie Krupp erkennen können.
Karin Henkels Inszenierung, die sich auf das Drehbuch stützt, präparierte indes statt des Klatsches vor allem die radikale Kapitalismuskritik des italienischen Streifens heraus. Visconti untersuchte den Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Nationalsozialismus, ein Grundanliegen der 68er.
Insofern kann die Inszenierung als Korrektur und Kritik an jener Terroristenhysterie gelten, die in der Verfilmung von "Der Bader-Meinhof-Komplex", die kürzlich Premiere hatte, erneut künstlerischen Ausdruck fand. Nicht die kleine Gruppe von Terroristen charakterisiert die 68er, sondern das ernsthafte Bemühen um ein Verständnis des Nationalsozialismus in Deutschland.
Karin Henkel polarisierte mit ihrer scharfsinnigen Inszenierung das Publikum: In den Jubel mischten sich unüberhörbar Buhs, als die Regisseurin die Bühne zum Schlussbeifall betrat.
Die Provokation beginnt, noch ehe das Spiel anfängt. Wenn das Publikum in den Zuschauerraum des Großen Hauses strömt, blickt es auf rot gefärbtes Wasser: Bühnenbildnerin Henrike Engel hat den Orchestergraben in ein knöcheltiefes Blutbad im Wortsinne verwandelt, ein süßes kleines Mädchen lässt dort ihr ferngesteuertes Kriegsschiffchen fahren. Wenn der Vorhang hinter dem vergifteten Idyll hochgeht, wird ein edler Flügel sichtbar, Zeichen großbürgerlicher Kultur, der auf einer Drehbühne seine Runden dreht. Die Kreisbewegung zeigt an, dass alles bleibt, wie es ist. Kein Fortschritt, nirgends.
Die Handlung setzt mit dem Reichstagsbrand ein. An diesem Abend wird der Patriarch der berühmten Familie, ein Schwerindustrieller, kaltblütig ermordet. Der Machtkampf entbrennt um die Nachfolge. Die Männer erweisen sich als reißende Wölfe, Frauen werden zu Hyänen. Am Ende siegt der Niederträchtigste.
In Düsseldorf wird, anders als bei Visconti, die Handlung bis heute fortgeführt. Im Schatten des Thyssen-Hochhauses, das neben dem Theater in Düsseldorfs Wolken ragt, wird ausgesprochen, dass auch heute noch gut an Waffen verdient wird. Die Botschaft der Inszenierung lässt sich mit einem Brecht-Wort, das vor der Wiederkehr des Nationalsozialismus warnt, kurz umreißen: "Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch."
Karin Henkel und ihr Ensemble verschmelzen souverän Elemente des epischen Theaters von Bertolt Brecht mit Grand Guignol, dem französischen Theater des komischen Schreckens, der Inszenierungskunst Heiner Müllers - und Shakespeare. Unvermittelt schlägt die Handlung in "Macbeth" um, als Friedrich, der Schurke, seine Morde nicht mehr ertragen kann. Sein Gewissen schlägt, er wird, wie seine Frau, verrückt. Shakespeares unsterbliche Verse verweisen auf die ruhmvolle Theatertradition der furchtlosen Kritik an den Mächtigen.
Die Inszenierung ist aus einem Guss, das Ensemble spielt auf hohem Niveau. Großartig, selbst in den Momenten äußerster Exaltation noch künstlerisch vollendet beherrscht, begeistert Bernd Grawert als skrupelloser, aber überforderter Aufsteiger Friedrich.
Angesichts der aktuellen Turbulenzen an den Finanzmärkten könnte die Kritik an der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus und seiner (selbst)zerstörerischen Dimension kaum aktueller sein - ein Bühnenkommentar, der wegen der kühnen Theaterpranke und Rücksichtslosigkeit beim Aussprechen unbequemer Wahrheiten ebenso überzeugt wie wegen seiner künstlerischen Virtuosität.
Karin Henkels Inszenierung ist ein vielversprechender Auftakt in Düsseldorf, der zu den schönsten Hoffnungen für die begonnene Spielzeit berechtigt.
Karin Henkels Inszenierung, die sich auf das Drehbuch stützt, präparierte indes statt des Klatsches vor allem die radikale Kapitalismuskritik des italienischen Streifens heraus. Visconti untersuchte den Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Nationalsozialismus, ein Grundanliegen der 68er.
Insofern kann die Inszenierung als Korrektur und Kritik an jener Terroristenhysterie gelten, die in der Verfilmung von "Der Bader-Meinhof-Komplex", die kürzlich Premiere hatte, erneut künstlerischen Ausdruck fand. Nicht die kleine Gruppe von Terroristen charakterisiert die 68er, sondern das ernsthafte Bemühen um ein Verständnis des Nationalsozialismus in Deutschland.
Karin Henkel polarisierte mit ihrer scharfsinnigen Inszenierung das Publikum: In den Jubel mischten sich unüberhörbar Buhs, als die Regisseurin die Bühne zum Schlussbeifall betrat.
Die Provokation beginnt, noch ehe das Spiel anfängt. Wenn das Publikum in den Zuschauerraum des Großen Hauses strömt, blickt es auf rot gefärbtes Wasser: Bühnenbildnerin Henrike Engel hat den Orchestergraben in ein knöcheltiefes Blutbad im Wortsinne verwandelt, ein süßes kleines Mädchen lässt dort ihr ferngesteuertes Kriegsschiffchen fahren. Wenn der Vorhang hinter dem vergifteten Idyll hochgeht, wird ein edler Flügel sichtbar, Zeichen großbürgerlicher Kultur, der auf einer Drehbühne seine Runden dreht. Die Kreisbewegung zeigt an, dass alles bleibt, wie es ist. Kein Fortschritt, nirgends.
Die Handlung setzt mit dem Reichstagsbrand ein. An diesem Abend wird der Patriarch der berühmten Familie, ein Schwerindustrieller, kaltblütig ermordet. Der Machtkampf entbrennt um die Nachfolge. Die Männer erweisen sich als reißende Wölfe, Frauen werden zu Hyänen. Am Ende siegt der Niederträchtigste.
In Düsseldorf wird, anders als bei Visconti, die Handlung bis heute fortgeführt. Im Schatten des Thyssen-Hochhauses, das neben dem Theater in Düsseldorfs Wolken ragt, wird ausgesprochen, dass auch heute noch gut an Waffen verdient wird. Die Botschaft der Inszenierung lässt sich mit einem Brecht-Wort, das vor der Wiederkehr des Nationalsozialismus warnt, kurz umreißen: "Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch."
Karin Henkel und ihr Ensemble verschmelzen souverän Elemente des epischen Theaters von Bertolt Brecht mit Grand Guignol, dem französischen Theater des komischen Schreckens, der Inszenierungskunst Heiner Müllers - und Shakespeare. Unvermittelt schlägt die Handlung in "Macbeth" um, als Friedrich, der Schurke, seine Morde nicht mehr ertragen kann. Sein Gewissen schlägt, er wird, wie seine Frau, verrückt. Shakespeares unsterbliche Verse verweisen auf die ruhmvolle Theatertradition der furchtlosen Kritik an den Mächtigen.
Die Inszenierung ist aus einem Guss, das Ensemble spielt auf hohem Niveau. Großartig, selbst in den Momenten äußerster Exaltation noch künstlerisch vollendet beherrscht, begeistert Bernd Grawert als skrupelloser, aber überforderter Aufsteiger Friedrich.
Angesichts der aktuellen Turbulenzen an den Finanzmärkten könnte die Kritik an der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus und seiner (selbst)zerstörerischen Dimension kaum aktueller sein - ein Bühnenkommentar, der wegen der kühnen Theaterpranke und Rücksichtslosigkeit beim Aussprechen unbequemer Wahrheiten ebenso überzeugt wie wegen seiner künstlerischen Virtuosität.
Karin Henkels Inszenierung ist ein vielversprechender Auftakt in Düsseldorf, der zu den schönsten Hoffnungen für die begonnene Spielzeit berechtigt.