Grönland war mal grün
Klimawandel ist in der Erdgeschichte nichts Neues. Mindestens siebenmal kam es in ihrer Frühzeit zu so katastrophalen Veränderungen, dass die Geschichte des Lebens auf unserem Planeten fast beendet gewesen wäre. Selbst in der jüngsten Vergangenheit, jenen knapp zwei Millionen Jahren, seit es Menschen gibt, hat es nicht an heftigen Klimaschwankungen gefehlt. Ganze Kulturen sind dadurch untergegangen, andere aufgeblüht.
Das Klima hatte jedenfalls erheblich mehr Einfluss auf den Verlauf der Geschichte, als Historiker bislang sehen wollten. Das könnte man als Kernaussage von Wolfgang Behringers Gang durch die Kulturgeschichte des Klimas bezeichnen.
Der Saarbrücker Geschichtswissenschaftler belegt anhand von Klimadaten, dass in vielen historischen Fällen nicht Kriege sondern Trockenheit, nicht Machtgier sondern fehlender Regen, nicht Abenteuerlust sondern Schönwetter über Aufstieg oder Fall ganzer Kulturen entschieden.
Natürlich war das Klima nur ein Faktor der geschichtlichen Entwicklung, aber ein oftmals übersehener. Jüngste Forschungen zeigen zum Beispiel, dass der unerklärliche Untergang der Maya-Kultur in Mittelamerika in eine Periode fiel, in der durch Klimawandel extreme Wassernot und Dürre entstand.
Zeiten mit höheren Temperaturen erweisen sich als besonders produktiv: die landwirtschaftlichen Erträge stiegen, die Gesundheit des Bevölkerung verbesserte sich, sie wuchs an. Ressourcen wurden frei für Handel, Kultur und Wissenschaft. Als Beispiel erwähnt Wolfgang Behringer die hochmittelalterliche Warmzeit Europas von rund 1000 bis 1300. Die Temperaturen lagen im Schnitt zwei Grad über den heutigen. Die Vegetationsperiode war länger. Bis in den Norden Norwegens konnte Korn angebaut werden. Die Wikinger besiedelten Grönland, Grünland geheißen, weil dort damals Weidewirtschaft und Ackerbau möglich waren. In England und sogar im südlichen Schottland wuchs Wein. Die Bevölkerung Europas explodierte geradezu. Kultur und Gesellschaft erlebten eine Blütezeit.
Die stoppte ziemlich abrupt mit dem Beginn der kleinen Eiszeit, also um 1300 herum. Verantwortlich war dafür wahrscheinlich ein Rückgang der Sonnenaktivität. Ergebnis: ein Vorrücken der Gletscher. Bitterkalte Winter, kühle, verregnete Sommer führten wiederholt zu Missernten und Hungersnöten. In deren Gefolge kam es zu einer allgemeinen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung, die wiederum den Ausbruch von Krankheiten und Seuchen wie der Pest begünstigte.
Die Architektur passte sich an: Um die Wärme zu halten, bekamen die Häuser Fenster, die Räume wurden niedriger, der Kachelofen wurde erfunden. Auch die Mode änderte sich. Strengere Moral und Kälte führten zu hochgeschlossener Kleidung und mangelhafter Hygiene. Die Kirche führte die Klimakrisen auf das sündhafte Leben der Menschen zurück. Als Sündenböcke dienten Minderheiten wie Juden oder Moslems. Hexenjagd und Inquisition kamen auf.
Der religiöse Fanatismus zu Beginn der Kleinen Eiszeit brachte für Wolfgang Behringer im 17.Jahrhundert gerade in den gebildeten Kreisen eine Gegenbewegung hervor: die Aufklärung, den Aufstieg der Wissenschaften und der Technik, letztlich die industrielle Revolution. Statt auf Beten und Büßen setzte man auf die Vernunft, suchte nach technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten, die Klimaunbilden rational zu erklären, ihre Folgen zu mildern und mit neuen Formen gesellschaftlicher Organisation zu bekämpfen.
Der Mensch nahm sein Schicksal in die eigene Hand. Damit begann allerdings auch der 'Sündenfall': die industrielle Revolution mit ihrer massiven Verbrennung fossiler Brennstoffe, die diesmal menschgemachte Klimaerwärmung. Erstmals in der Geschichte der Erde nimmt der Mensch wesentlich Einfluss auf das Klima.
Das ist das Neue der Situation. Die Frage ist für Wolfgang Behringer nur, ob die Angst vor Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, tatsächlich begründet ist. Die Vergangenheit zeigt, dass es der Menschheit in warmen Zeiten besser ging. Ein beruhigendes Buch, das jegliche Klimahysterie meidet, die Debatte versachlicht, in dem es einen ernüchternden Blick in die Vergangenheit wirft.
Rezensiert von Johannes Kaiser
Wolfgang Behringer: Kulturgeschichte des Klimas
C.H. Beck Verlag, München 2007
329 Seiten, 22.90 Euro
Der Saarbrücker Geschichtswissenschaftler belegt anhand von Klimadaten, dass in vielen historischen Fällen nicht Kriege sondern Trockenheit, nicht Machtgier sondern fehlender Regen, nicht Abenteuerlust sondern Schönwetter über Aufstieg oder Fall ganzer Kulturen entschieden.
Natürlich war das Klima nur ein Faktor der geschichtlichen Entwicklung, aber ein oftmals übersehener. Jüngste Forschungen zeigen zum Beispiel, dass der unerklärliche Untergang der Maya-Kultur in Mittelamerika in eine Periode fiel, in der durch Klimawandel extreme Wassernot und Dürre entstand.
Zeiten mit höheren Temperaturen erweisen sich als besonders produktiv: die landwirtschaftlichen Erträge stiegen, die Gesundheit des Bevölkerung verbesserte sich, sie wuchs an. Ressourcen wurden frei für Handel, Kultur und Wissenschaft. Als Beispiel erwähnt Wolfgang Behringer die hochmittelalterliche Warmzeit Europas von rund 1000 bis 1300. Die Temperaturen lagen im Schnitt zwei Grad über den heutigen. Die Vegetationsperiode war länger. Bis in den Norden Norwegens konnte Korn angebaut werden. Die Wikinger besiedelten Grönland, Grünland geheißen, weil dort damals Weidewirtschaft und Ackerbau möglich waren. In England und sogar im südlichen Schottland wuchs Wein. Die Bevölkerung Europas explodierte geradezu. Kultur und Gesellschaft erlebten eine Blütezeit.
Die stoppte ziemlich abrupt mit dem Beginn der kleinen Eiszeit, also um 1300 herum. Verantwortlich war dafür wahrscheinlich ein Rückgang der Sonnenaktivität. Ergebnis: ein Vorrücken der Gletscher. Bitterkalte Winter, kühle, verregnete Sommer führten wiederholt zu Missernten und Hungersnöten. In deren Gefolge kam es zu einer allgemeinen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung, die wiederum den Ausbruch von Krankheiten und Seuchen wie der Pest begünstigte.
Die Architektur passte sich an: Um die Wärme zu halten, bekamen die Häuser Fenster, die Räume wurden niedriger, der Kachelofen wurde erfunden. Auch die Mode änderte sich. Strengere Moral und Kälte führten zu hochgeschlossener Kleidung und mangelhafter Hygiene. Die Kirche führte die Klimakrisen auf das sündhafte Leben der Menschen zurück. Als Sündenböcke dienten Minderheiten wie Juden oder Moslems. Hexenjagd und Inquisition kamen auf.
Der religiöse Fanatismus zu Beginn der Kleinen Eiszeit brachte für Wolfgang Behringer im 17.Jahrhundert gerade in den gebildeten Kreisen eine Gegenbewegung hervor: die Aufklärung, den Aufstieg der Wissenschaften und der Technik, letztlich die industrielle Revolution. Statt auf Beten und Büßen setzte man auf die Vernunft, suchte nach technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten, die Klimaunbilden rational zu erklären, ihre Folgen zu mildern und mit neuen Formen gesellschaftlicher Organisation zu bekämpfen.
Der Mensch nahm sein Schicksal in die eigene Hand. Damit begann allerdings auch der 'Sündenfall': die industrielle Revolution mit ihrer massiven Verbrennung fossiler Brennstoffe, die diesmal menschgemachte Klimaerwärmung. Erstmals in der Geschichte der Erde nimmt der Mensch wesentlich Einfluss auf das Klima.
Das ist das Neue der Situation. Die Frage ist für Wolfgang Behringer nur, ob die Angst vor Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, tatsächlich begründet ist. Die Vergangenheit zeigt, dass es der Menschheit in warmen Zeiten besser ging. Ein beruhigendes Buch, das jegliche Klimahysterie meidet, die Debatte versachlicht, in dem es einen ernüchternden Blick in die Vergangenheit wirft.
Rezensiert von Johannes Kaiser
Wolfgang Behringer: Kulturgeschichte des Klimas
C.H. Beck Verlag, München 2007
329 Seiten, 22.90 Euro