High-Tech im Ökolandbau – Wie Roboter Unkraut jäten [ Audio ] Bio-Bauern verzichten auf synthetische Spritzmittel, um die Umwelt zu schonen und gesunde Lebensmittel zu produzieren. Das bedeutet bisher, dass sie viel mehr Handarbeit haben als ihre konventionellen Kollegen. Das bedeutet aber nicht, dass Bio-Bauern technische Hilfen rundweg ablehnen. Vor allem jüngere Landwirte sind technikaffin und interessieren sich für die Digitalisierung der Landwirtschaft. Ihre Hoffnungen ruhen unter anderem auf Robotern, die den Betrieben mühsame Handarbeiten abnehmen könnten – ganz ohne Spritzmittel. Sven Kästner hat sich in der Forschung und bei Öko-Betrieben nach dem aktuellen Stand und den Perspektiven erkundigt.
Weniger Weizen, weniger Würmer
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Die Erderwärmung macht das Wetter extremer. Was das für die Landwirtschaft der Zukunft bedeutet, erforschen Wissenschaftler in einem weltweit einzigartigen Freilandversuch in Sachsen-Anhalt. Dort simulieren sie das Klima für die Jahre 2070 bis 2100.
"Also hier sehen wir den Öko-Acker", erzählt Martin Schädler. "Der Weizen, der ist nächste Woche fällig, man sieht mal eine Distel dazwischen, ein bisschen Mohn dazwischen. Es gibt bloß Vorschriften, was die Bewirtschaftung angeht: Wir dürfen hier also nicht mit Herbiziden rein. Das führt eben dazu, dass das Ganze oft ein bisschen bunter aussieht."
Martin Schädler streicht sanft mit der Hand über die Ähren, die hüfthoch auf einer parzellierten Fläche stehen. Und das, was der Bodenökologe da berichtet, klingt zunächst einmal so unspektakulär wie der Landstrich 20 Autominuten südöstlich von Halle an der Saale – wären da nicht die Stahlgerüste, die meterhoch an beiden Längsseiten der Weizen-Parzelle emporragen.
Die Konstruktion hat etwas von einem Gewächshaus und dient als Träger für ausfahrbare Seitenwände und ein ebenfalls mobiles Dach aus Kunststoff.
"Diese Dächer und Seitenteile schließen sich jede Nacht und erhöhen dadurch die Temperatur auf den Parzellen, was so der zukünftigen Projektion des Klimas entspricht", erklärt Martin Schädler.
Eine Zeitreise ins Jahr 2070
Um rund zwei Grad im Jahresmittel werden die Temperaturen steigen – so lautet der wissenschaftliche Konsens für große Teile Europas ab dem Jahr 2070. Und genau auf diese Zeitreise schicken Martin Schädler und sein Team vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ in Halle die Pflanzen auf ihrer Versuchsfläche am Rand der Kleinstadt Bad Lauchstädt.
Das Schließen der Dächer und Seitenwände erhöht nicht nur die Temperatur künstlich, die darunter liegenden Flächen erhalten auch 20 Prozent weniger Regen - im Sommer, denn: "Es kann durchaus mehr Niederschlag im Frühjahr und im Herbst haben. Das simulieren wir hier auch mit dieser Beregnungsanlage, die wir hier sehen."
Sie erhöht die Regenmenge vor und nach dem Sommer um zehn Prozent. Insgesamt fünf solcher Parzellen, jeweils 16 mal 24 Meter groß, haben die UFZ-Forscher entlang eines asphaltierten Weges eingerichtet: Neben Öko-Landbau gibt es eine Fläche mit konventionellem Getreide, eine bunte Wiese mit 60 Arten, daneben intensiv genutztes Futtergrünland und eine Schafweide.
Exakt die gleichen fünf Flächen liegen noch einmal auf der anderen Seite des Weges, nur dass die Pflanzen auf diesen Parzellen unter realen Wetterbedingungen wachsen: heutiges Klima und der weite Blick in die Zukunft quasi vis-à-vis, was laut Martin Schädler ideal für den direkten Vergleich zwischen heute und morgen ist.
Deutliche Verluste beim Ertrag
Sieben Hektar groß ist die Versuchsfläche insgesamt, die größte Klimasimulation dieser Art weltweit – und die liefert seit 2013 eindeutige Zahlen.
"In normalen Jahren haben wir Ertragseinbußen sowohl im Grünland als auch im Acker so um die 20 Prozent, das kann mal zehn sein, das kann aber auch mal 25 sein, im Vergleich zur nicht klimamanipulierten Variante. Das heißt, der mittlere zukünftige Ertragsverlust bewegt sich so in dem Rahmen zehn bis 25 Prozent, und das ist im Grunde genau das, was die Landwirte 2018 ja auch beklagt haben, wo wir aber sagen: Das wird das Normale sein", erklärt Martin Schädler.
Weniger Erträge sind das eine. Gravierender sind laut Projektkoordinator Schädler die Veränderungen dort, wo man sie mit bloßem Auge gar nicht sofort sieht: im Boden, auf dem die Pflanzen wachsen. Dort habe die Zahl der Tiere wie Würmer, Milben, Springschwänze auf den manipulierten Flächen merklich abgenommen, die verbliebenen Krabbler seien zudem kleiner als ihre Artgenossen auf den Kontrollflächen.
Artenvielfalt sei aber entscheidend für einen gesunden Boden: "Es gibt so bei Biologen den Spruch: Der Boden ist der Regenwald des kleinen Mannes. Ganz einfach, weil man ohne in die Tropen zu müssen dort Tausende Arten und Individuen auf wenigen Quadratzentimetern finden kann. Die machen etwas ganz Wichtiges im Boden, die machen den nämlich fruchtbar. Das heißt, wenn eine Pflanze stirbt, bauen die das ab und machen daraus Nährstoffe."
Absterbender Boden macht den Pflanzen zu schaffen
Humus also, der wiederum wichtig ist für das Pflanzenwachstum. Nicht nur Trockenheit durch steigende Temperaturen und weniger Niederschläge werden den Pflanzen also künftig zu schaffen machen. "Sondern es kann genauso gut sein, dass dieses schleichende Absterben des Bodens langfristig noch drastischere Auswirkungen auf die Pflanze", sagt Martin Schädler.
Wobei die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hier über die Jahre Entwicklungen beobachten konnten, die so nicht unbedingt zu erwarten waren. Denn es gebe mit Blick auf die Bodenökologie auch deutliche Unterschiede innerhalb der fünf klimamanipulierten Nutzflächen, betont Nico Eisenhauer von der Uni Leipzig, der ebenfalls auf der Anlage in Bad Lauchstädt forscht.
"Wenn wir nach wenigen Jahren gemessen haben: Wie funktioniert denn der Boden mit intensiver und extensiver Bewirtschaftung? Da hätte man geschlussfolgert: Ja eigentlich funktioniert der Boden etwas besser mit der intensiveren Variante, vermutlich weil da einfach kurzzeitig mehr organische Einträge anfallen und dann der Boden erst mal so einen Boost bekommt", sagt er.
"Aber je länger wir uns das System angucken, sehen wir, dass diese extensive, also nachhaltigere Bewirtschaftungsweise für den Boden immer besser wird – und mittlerweile die intensive Bewirtschaftung stark überflügelt hat. Dass wir zum Beispiel mit der extensiven Bewirtschaftung mehr Pilze im Boden haben, und die sind dann viel besser in der Lage Kohlenstoff im Boden zu binden, aber auch resistenter zu sein, wenn Klima-Extremereignisse auftreten."
Flexibel und divers – die Landwirtschaft der Zukunft
Argumente also für eine stärkere Hinwendung zu nachhaltiger, ökologischer Bewirtschaftung, sagt auch Martin Schädler. Insgesamt, so die Prognose des Bodenökologen, werde die Landwirtschaft in 50 Jahren sicherlich eine andere sein als heute noch.
"Ich denke, sie wird weniger planbar sein, und das hat für den Landwirt, der ja heute oft in langfristige Lieferverträge eingebunden ist oder ein wirtschaftliches Konzept hat, das auf fester Fruchtfolge, einer Fokussierung auf bestimmte Feldfrüchte basiert - da wird er flexibler werden müssen, flexibler in der Auswahl der Feldfrüchte, die er anbaut und in der Diversität", sagt der Bodenökologe.
"Also er kann sich nicht mehr auf diese eine Feldfrucht verlassen, er kann ja auch das Klima für das kommende Jahr nicht vorhersagen, sondern er wird sich absichern müssen, dass, wenn mir jetzt die Sommergerste völlig ausfällt, habe ich vielleicht zum Glück noch den Winterweizen, dem die Sommertrockenheit weniger ausmacht.