Der "Öl-Sparstrumpf" der Norweger
Bis 1969 war Norwegen eines der ärmeren Länder Europas. Dann stieß man zufällig auf Öl und das beschert dem Land bis heute einen enormen Reichtum. Damit auch die nächsten Generationen etwas davon haben, wurde ein milliardenschwerer Staatsfond eingerichtet.
Frühling in Oslo. Norwegen ist wohlhabend, das wird in der Hauptstadt besonders deutlich. Eine neue Oper für umgerechnet 560 Millionen Euro haben sie hier vor wenigen Jahren gebaut, gerade entstehen eine neue Nationalbibliothek, ein National- und ein Munch-Museum. Wegen des Ölpreisverfalls verdient das Land zwar längst nicht mehr so viel Geld mit seinen Rohstoff-Schätzen wie früher. Den Staatshaushalt berührt das aber zunächst nicht, erklärt Hans-Olav Syversen, Vorsitzender im Finanzausschuss des norwegischen Parlaments:
"Denn wir haben einen Fonds, um gute und schlechte Öl-Jahre auszugleichen. In diesem Fonds liegen ungefähr 7.000 Milliarden Kronen und er wirkt als eine Art Puffer: In guten Zeiten verbrauchen wir weniger davon als in schlechten."
Der Christdemokrat spricht vom norwegischen Ölfonds, oder, wie er offiziell heißt: "Staatlicher Pensionsfonds Ausland". Eingerichtet 1990, ist der größte Staatsfonds der Welt inzwischen mehr als 750 Milliarden Euro wert. Seit Mitte der 90er-Jahre zahlt Norwegen hier alle Einnahmen aus der Öl- und Gas-Industrie ein, Steuergelder ebenso wie direkte Einkommen staatlicher Öl-Gesellschaften. Damit will das Land dafür sorgen, dass auch zukünftige Generationen noch etwas vom Rohstoff-Vermögen haben, sagt Finanzausschuss-Chef Syversen:
"Wenn irgendwann der Tag kommt, an dem wir den letzten Öl-Hahn zudrehen, dann haben wir immer noch den Fonds, der weiter Rendite und damit Geld abwirft. Es wird uns also hoffentlich gelingen, vom Ersparten zu leben, wenn wir keine neuen Öl- und Gas-Einnahmen mehr haben."
Um die Verwaltung des Fonds kümmert sich eine Abteilung der norwegischen Zentralbank namens "Norges Bank Investment Management". Deren Gebäude im Zentrum von Oslo ist gut gesichert. Besucher bekommen eine Karte und einen Code. Damit lassen sich die altmodischen Schleusen am Eingang öffnen.
Besuch beim milliardenschweren Staatsfonds
In einem hellen Großraum-Büro im Dachgeschoss angekommen, herrscht eine ruhige, konzentrierte Atmosphäre. Hier sitzt der milliardenschwere Staatsfonds des Landes. Im Auftrag des Finanzministeriums investiert er 60 Prozent des norwegischen Ölvermögens in Aktien, 35 Prozent in Zinspapiere, die übrigen fünf Prozent in Immobilien in großen Städten wie New York, London, Paris und Berlin. Der Fonds ist ein wichtiger Akteur am Finanzmarkt, besitzt Anteile an 9000 Unternehmen auf der ganzen Welt. Darunter sind auch alle Dax-Konzerne. Den Norwegern gehört zum Beispiel 1,6 Prozent von Volkswagen. Wichtig bei der Investment-Strategie sei ein möglichst breites Portfolio, sagt Trond Grande, der stellvertretende Vorsitzende des Fonds:
"Wir glauben fest an Diversifikation. Deshalb investieren wir nicht nur in große internationale Unternehmen. Auf diese Art können wir bestmöglich am weltweiten Wachstum teilhaben. Es gibt viele Firmen da draußen, und wir wollen an möglichst vielen beteiligt sein."
Allerdings nur dann, wenn die Unternehmen ihr Geld nicht unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen oder mit fragwürdigen Produkten verdienen, erklärt der Manager:
"Es gibt bestimmte Unternehmen und Sektoren, mit denen der Fonds nach dem Willen der norwegischen Gesellschaft nichts zu tun haben soll. Nach unseren ethischen Richtlinien dürfen wir nicht in Tabak investieren oder in bestimmte Waffensysteme, zum Beispiel Atomwaffen oder Streumunition. Und neuerdings auch nicht mehr in Energie-Firmen, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes mit Kohle machen. Die Norweger sind einfach der Meinung, dass wir mit so etwas kein Geld verdienen sollten für unsere zukünftigen Generationen."
Das bedeutet, dass sich der norwegische Staatsfonds im Frühjahr aus mehr als 50 Kohle-Unternehmen verabschiedet hat. Zusammen mit den Turbulenzen an den Aktienmärkten ergab sich so ein deutlicher Verlust von neun Milliarden Euro im ersten Quartal dieses Jahres. Gleichzeitig fließt derzeit immer weniger Kapital aus den Öl-Verkäufen in den Fonds, so dass die Regierung im Januar erstmals mehr entnommen als eingezahlt hat. In Pressekommentaren war deshalb von einem "Sündenfall" die Rede. Das weist der norwegische Finanzstaatssekretär Paal Bjørnestad zurück:
"Unsere 7000 Milliarden Kronen liegen ja nicht in einem Sparschwein. Wenn sie in einem Sparschwein lägen, dann hätten wir tatsächlich weniger hineingetan als herausgenommen. Aber glücklicherweise sind die 7000 Milliarden in 9000 Unternehmen investiert. Wir verdienen also Geld damit – und zwar mehr, als wir ausgeben."
Unterstützung für die Regierung
Wie viel Fonds-Geld die norwegische Regierung verwenden darf, dafür gibt es eine Regel, eingeführt 2001 von den Sozialdemokraten unter Jens Stoltenberg. Dafür bekam die Regierung Unterstützung von fast allen anderen Parteien, erzählt der damalige Finanzminister Karl-Eirik Schjøtt-Pedersen:
"Wir haben also diese Regel eingeführt die besagt: Es wird nur der Überschuss aus dem Fonds angetastet. Das ist ganz logisch, wie bei einem Bankkonto. Solange man nur die Zinsen verbraucht, bleibt dessen Grundwert bestehen. Die Frage war damals, wie hoch der Überschuss sein würde. Wir haben ihn auf vier Prozent geschätzt, das schien uns das richtige Niveau."
Auch die aktuelle Regierung aus Konservativen und populistischer Fortschrittspartei hält sich an die Vier-Prozent-Regel. Mehr darf sie nicht entnehmen. Im neuesten Haushaltsplan sind 2,8 Prozent vorgesehen. Aber das bedeutet auch: Wenn der Fonds weniger als diese 2,8 Prozent abwirft, schrumpft er, und damit auch die Altersvorsorge für künftige Generationen in Norwegen. Es hängt also wesentlich an den Management-Fähigkeiten der staatlichen Investoren, ob die Norweger auch noch in 200 Jahren von ihrem Öl-Reichtum profitieren. Finanzausschuss-Chef Hans-Olav Syversen ist guter Dinge, habe sich der Fonds doch besser entwickelt, als man es noch vor wenigen Jahren habe erwarten können:
"Ich hoffe und glaube also, dass unsere Generation und viele weitere gut von dem Fonds leben können. Er wird mal hoch- und mal runtergehen, wie bei einer Achterbahn. Da müssen wir uns lockermachen und einfach damit leben."