Groß orchestrierte Ehrenrettung

Von Carsten Probst |
Man hatte sich eigentlich daran gewöhnt, dass die chauvinistische Ambivalenz zu Willem de Kooning, Max Beckmann und Pablo Picasso gehört. Doch in München versucht die Kuratorin Carla Schulz-Hoffmann zu beweisen, dass Frauen bei diesen Malern "zum in sich vollkommen freien, unabhängigen Gegenbild" werden.
Wie ist es möglich, dass sich Künstler der Avantgarde in ihren Beziehungen zu Frauen als so rückständig machohaft gebärden? Gerade bei einem Maler wie Willem de Kooning stellt sich diese Frage exemplarisch, geht es seiner Malerei doch so explizit um die Vereinigung von Kunst und Leben. Das legt zumindest den Schluss nahe, gewisse chauvinistische Ansichten über Frauen, die den Privatmann de Kooning ausmachen, könnten auch in seinen Frauenbildnissen zum Ausdruck gekommen sein.

Action Painting als symbolisch-lustvolle Zerstörung des weiblichen Körpers – so hat es vor allem die feministische Forschung de Kooning gerne vorgehalten, der Abwehrreflex seiner männlichen Verehrer und Verteidiger folgte stets prompt, und man hatte sich eigentlich schon daran gewöhnt, dass die chauvinistische Ambivalenz zu diesem Künstler und seinen prominenten Kollegen Max Beckmann und Pablo Picasso gehört wie die exquisite Stellung ihrer Bilder auf dem Kunstmarkt.

"Die Rolle, die diese Künstler Frauen in ihrem Werk beimessen, geht weit über einseitige Festlegungen und Klischees von Weiblichkeit hinaus."

… beharrt dagegen Carla Schulz-Hoffmann, die die Ausstellung in der Pinakothek der Moderne kuratiert hat:

"Frauen treten in ihrer Kunst äußerst differenziert auf, werden immer wieder zum sensiblen Brennspiegel gesellschaftlicher und politischer Probleme und Umbrüche."

Ausgerechnet bei der verdienten Kunsthistorikerin Carla Schulz-Hoffmann scheint das Ungerechtigkeitsempfinden über feministische Vorwürfe gegen die moderne, männliche Künstleravantgarde tief und lange nachgewirkt zu haben. Als Schlusspunkt ihrer glänzenden Münchner Museumskarriere möchte sie es ihren feministischen Kolleginnen offenkundig noch einmal zeigen und holt zu einer groß orchestrierten Ehrenrettung der Malerfürsten aus, die in dieser Konsequenz zu formulieren heute wohl keiner ihrer männlichen Kollegen mehr gewagt hätte. Demnach zeigten die Frauen im Werk Picassos, Beckmanns und de Koonings, dass diese Herren in Geschlechterfragen eigentlich genauso avantgardistisch gewesen seien wie in Kunstdingen:

"Bei allen drei Künstlern gewinnen die Frauen eine Autonomie, eine selbstverständliche Stärke, die oft vielleicht gewaltsam erscheinen mag, die aber nie, und das ist wirklich meine volle Überzeugung, nie abwertend oder diskriminierend wirkt."

Eine Überzeugung, die man durchaus auch als Ansichtssache einordnen kann, je nachdem, wie man den Kontext einer Darstellung bewertet. Kontexte spielen allerdings in dieser Ausstellung keine große Rolle, die Kunst soll für sich selber sprechen, oder mehr noch, das Laienpublikum soll selbst entscheiden, ob es diese kanonischen Künstler wirklich dem Zugriff des Feminismus ausliefern will. Aber reicht das für die Formulierung einer wissenschaftlichen These, auf deren Erforschung die Pinakothek der Moderne mit dieser Ausstellung großen Wert legt? Die Frauen, so argumentiert Carla Schulz-Hoffmann...

"… sind im Werk dieser Künstler nicht lediglich Projektionsfläche männlicher Begierden und Sehnsüchte, sondern Katalysator für eine Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und der Zeitgeschichte, wie ganz besonders bei Picasso, sie werden zum in sich vollkommen freien, unabhängigen Gegenbild, wie ganz besonders bei Max Beckmann, oder zur eigenständigen Kraft, in der Malerei pur als sinnliche Potenz gefeiert wird, bei de Kooning."

Das war es dann aber auch schon. Die Mühe einer dezidierten Auseinandersetzung mit der kritischen Wissenschaft macht man sich in München erst gar nicht. Kontexte mit der Rolle des weiblichen Aktes und seiner Rollenbilder in der jüngeren Kunstgeschichte? Nicht nötig! Der Katalog? Ein Coffeetable-Bändchen mit sinnierenden Beiträgen beliebter männlicher Schriftsteller und einem weitgehend schmerzfreien Alibibeitrag der Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen. So lockt man denn mit der großen FRAUEN-Show scharenweise gerade jenes Publikum ins Haus, das gerne für mehr Sinnlichkeit in der Kunst plädiert und damit dralle Formen auf prominenten Leinwänden meint. In der Ausstellung selbst begegnen einem höchst vielfältige Formen von Frauenbildnissen, Akten und Szenen dieser drei Künstler, deren Werk formal und inhaltlich allenfalls bedingt etwas miteinander zu tun hat.

"Die Widerständigkeit gegen jede Vereinheitlichung ist eines ihrer größten Potenziale. Die Frauen sind in den Bildern dieser Künstler nicht schön im herkömmlichen Sinne, sondern sie sind schön, weil sie sich der immergleichen Oberfläche verweigern, weil sie greifbar und angreifbar sind."

… behauptet Carla Schulz-Hoffmann. Hätten diese Künstler freilich idyllische Schlüpfrigkeiten in Serie produziert, käme ihnen wohl kaum der kunsthistorische Rang zu, den sie haben. Am Ende bleibt ein Staunen, was heute als wissenschaftliche Ausstellung durchgeht. Doch wozu eigentlich diese schamhafte, pseudotheoretische Bemäntelung eines netten Events, das eigentlich nichts anderes sein will?

Informationen der Pinakothek der Moderne in München zur Ausstellung "Frauen"
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