Großbrand in Mecklenburg-Vorpommern

Altmunition als Brandbeschleuniger

04:35 Minuten
01.07.2019, Mecklenburg-Vorpommern: Feuerwehrleute löschen in der Nähe der evakuierten Ortschaft Alt Jabel einen großflächigen Waldbrand. Wegen des Brands auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Lübtheen in Mecklenburg-Vorpommern mussten Hunderte Menschen ihre Wohnungen verlassen.
Die Feuerwehr ist pausenlos im Einsatz - der Waldbrand bei Lübtheen hat sich rasend schnell ausgebreitet. © picture alliance/dpa ZB/Jens Büttner
Von Silke Hasselmann |
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Ein Waldbrand wütet auf dem früheren Militärübungsplatz in der Nähe der Kleinstadt Lübtheen - der größte Brand in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns. Altmunition im Boden wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Die Region erhofft sich Hilfe vom Bund.
Ein Wohnmobil mitten in Tewswoos, einem kleinen Dorf in der Lübtheener Heide. Doch das ältere Ehepaar, dem das Wohnmobil gehört und das übernächtigt daneben steht, macht nicht etwa Urlaub. Vielmehr kommen die beiden aus dem wenige Kilometer entfernten Alt Jabel und mussten vorige Nacht Haus und Hof verlassen, denn:
"Ich wohne über 60 Jahre in dem Haus. Es ist nicht der erste Brand, den ich erlebe. Aber so schlimm wie diesmal war es noch nicht."

Man muss wissen: Alt Jabel grenzt unmittelbar an das große Gebiet, das seit den 1930er-Jahren als Militärübungsplatz von Wehrmacht, NVA, sowjetischen Truppen und zuletzt von der Bundeswehr genutzt wurde. Zwar ist dieser Platz, auf dem auch scharfes Schießen geübt wurde, seit vier Jahren geschlossen. Doch weil sich dort viel Altmunition am Boden angesammelt hat und manches davon noch immer explosiv ist, bleibt dieses Gebiet für die Bevölkerung gesperrt.
01.07.2019, Niedersachsen, Drehtem: Ein Mann blickt von einem Aussichtsturm von Niedersachsen aus über die Elbe auf den Waldbrand auf den Waldbrand bei Lübtheen in Mecklenburg-Vorpommern. Wegen des Waldbrandes auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Lübtheen in Mecklenburg-Vorpommern mussten Hunderte Menschen ihre Wohnungen verlassen. 
Der Waldbrand bei Lübtheen ist bis nach Niedersachsen zu sehen - und auch in Berlin noch zu riechen.© picture alliance/dpa/Philipp Schulze

45 Tonnen Munition im Boden

Wie der Schweriner Umwelt- und Landwirtschaftsminister Till Backhaus heute Mittag am Rande des Brandgebietes erklärte, hätten Tests "eine Belastung mit 45 Tonnen Munition ergeben". Die wirkt bei Kontakt mit Feuer wie ein Brandbeschleuniger, und genau das erleben die Anwohner rund um den ehemaligen Truppenübungsplatz Lübtheen derzeit.
Zwei Dörfer wurden in der Nacht evakuiert, ein drittes im Laufe des heutigen Tages. Polizisten gingen von Tür zu Tür und erreichten so insgesamt 900 Einwohner, darunter diese Frauen:
"Ja, wir haben geschlafen und dann hat einer Sturm geklingelt. Und der meinte: Es wird evakuiert und wir möchten in zehn Minuten das Haus verlassen. Ich komme bei meiner Tochter unter."
"Ich bei meiner Mutter."
"Ist eine Aufregung, ne?"
"Ja, genau."
Das Ehepaar aus Alt Jabel, das mitten in der Nacht in seinem Wohnmobil vom Hof fuhr, sich sofort im Nachbardorf registrieren ließ und nun nur abwarten kann, bringt nicht einmal Galgenhumor auf. Ihr Haus stehe direkt am brennenden Kiefernwald, erzählt die Frau einem NDR-Reporter. Und:
"Wer da nicht selber wohnt und die Flammen sieht, kann das überhaupt nicht nachfühlen, wie das ist."
"Es hat ja ein paar Explosionen gegeben."
"Ja, etliche Male hat's geknallt. Aber irgendwo war man auch schon drauf vorbereitet, weil bei uns direkt der Einsatzort ist. Die Löschpanzer vorm Haus. Die Feuerwehrtanks laufen. Also man wusste, dass irgendwas kommt. Wenn der Wind sich dreht, ist alles zu spät."

Der Wind trieb das Feuer weiter

Und der starke Wind drehte in der Nacht wieder und trieb das Feuer in Richtung Norden/ Nordwest hin zu den Dörfern der Gemeinde Vielank, einen Steinwurf entfernt von der mecklenburgisch-niedersächsischen Landesgrenze gelegen.
Mittlerweile stehen 430 Hektar Heide- und Waldlandschaft in Flammen, was diesen Brand zum größten in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns macht. Sogar die 25 Kilometer entfernte Kreisstadt Ludwigslust wird seit gestern Abend in Rauchnebel gehüllt.

Bei entsprechendem Wind reichte der Brandgeruch zeitweise bis nach Berlin. Nicht nur die unmittelbaren Anwohner sollen Fenster und Türen geschlossen halten, sondern laut Berliner Feuerwehr auch die Bewohner der Hauptstadt.
Derzeit sind ein Löschpanzer am Boden und vier Löschhubschrauber aus der Luft im Einsatz. Letztere können allerdings wegen der Explosionsgefahr das Löschwasser nur aus ziemlich hoher Höhe auf das munitionsbelastete Brandgebiet abgeben. Vieles verdunste bereits in der Luft, ehe es auf die Flammen und die Glutnester am Boden treffe, so Umweltminister Backhaus.
Der Waldbrand bei Lübtheen breitet sich aus 
Hundert von Hektar Wald brennen in Mecklenburg-Vorpommern.© dpa
Derweil forderte der Landkreis weitere Löschpanzer an, während die über 400 Einsatzkräfte diverser Feuerwehren und des Technischen Hilfswerkes versuchen, bedrohte Ortschaften durch sogenannte Wasserwände vor den Flammen zu schützen. Gut so, meint Christel Drewes, die Bürgermeisterin der Gemeinde Vielank.
"Es ist so, dass alles Mögliche getan wird, damit die Bevölkerung geschützt wird. Denn unsere Orte liegen nun mal direkt am Wald. Und Sicherheit für die Bevölkerung geht immer vor."

Gefährliche Munitionsverseuchung aus vergangenen Zeiten

Während sich das Feuer mittlerweile auch bis auf 50 Meter an einen Betrieb des Munitionsbergungsdienstes auf dem ehemaligen Militärschießplatz Lübtheen vorgefressen hat, erklärte der Schweriner Innenminister Lorenz Caffier, warum weitere rasche Hilfe vom Bund erwartet wird.
"Es ist eine Liegenschaft des Bundes. Die Munitionsverseuchung und die Ursachen liegen in zurückliegenden Zeiten mit einer schrecklichen Nachwirkung. Und da kann man ein Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern nicht allein lassen damit."
Übrigens: Weil es gleich mehrere Brandherde zu geben scheint, ermittelt die Kriminalpolizei wegen Brandstiftung.
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