Großbritannien

Der ewige Thronfolger

Von Jochen Spengler |
Seit 61 Jahren ist der Prince of Wales Thronfolger, heute feiert er 65. Geburtstag. Doch in den Ruhestand verabschiedet er sich nicht, schließlich ist seine Lehrzeit noch nicht beendet. Einen Rekord aber nimmt ihm niemand mehr.
"Exterminate, exterminate…"
Prinz Charles hat sichtlich Spaß, als er das Set der Dr.-Who-Fernsehserie besucht und den Zerstörungsbefehl der aggressiven außerirdischen Daleks simulieren darf:
"You are our prisoners."
Offenbar eine der angenehmeren Pflichten des ewigen Thronfolgers. Die Begegnung mit syrischen Kindern in einem libanesischen Flüchtlingslager im März war da sehr viel ernster.
"Das Problem ist, dass so viele dieser Kinder traumatisiert wurden durch die schrecklichen Geschehnisse, deren Zeugen sie wurden, bevor sie hierher gelangt sind",
sagt ein bewegter Charles, während seine Frau Camilla ergänzt, es sei herzzerreißend, so viele Waisen zu sehen.
"I find it quite heartbreaking."
Während andere am 65. Geburtstag in den wohlverdienten Ruhestand gehen, spendet Charles Philip Arthur George seine Rente an eine Wohlfahrtsorganisation. Schließlich ist seine mittlerweile 61 Jahre währende Lehrzeit nicht beendet, die ihm eigentlich zugedachte Arbeitsstelle als König hat er noch gar nicht antreten können.
"Unser Prinz of Whales ist der am härtesten Arbeitende"
Immerhin tritt Mummy inzwischen etwas kürzer. So war es bislang immer Herzensanliegen der Queen, die Gipfeltreffen der Commonwealth-Staaten zu eröffnen:
"Ladies and Gentlemen, it gives me great pleasure to declare open this 21st meeting of the Commonwealth heads of government."
Morgen aber wird erstmals an ihrer Stelle der Prinz of Wales dem Treffen in Sri Lanka vorsitzen.
Die Queen ist jetzt 87. Sie hat zwar absolut keine Absicht abzudanken, aber sie nimmt nicht mehr so viele Aufgaben wahr wie früher. Und Charles schultert bereits einen Teil ihrer Pflichten, ohne dass die Menschen das wahrgenommen hätten, sagt die Journalistin Catherine Meyer, die für das Times Magazin eine lange Story unter dem Titel "the forgotten prince" - der vergessene Prinz - geschrieben hat.
Die Unterstellung, Charles fürchte sich vor dem König-Sein als einer Gefangenschaft, wurde von Patrick Harrison, dem Pressesekretär des 21. Prince of Wales umgehend dementiert:
"Unser augenblicklicher Prinz of Wales ist, das kann man mit Fug und Recht behaupten, einer der, wenn nicht der am härtesten Arbeitende. Entschlossen, seine Position zu nutzen, um Menschen zu helfen, hat er 15 Wohltätigkeitsorganisationen gegründet. Er hat Denkanstöße gegeben für eine ökologische Landwirtschaft und verantwortungsvolles Unternehmertum. Ein früherer Marineoffizier, ein ausgebildeter Pilot, begeisterter Gärtner, Kunstliebhaber – die Interessen des Prinzen sind umfassend und sein Wissen beträchtlich."
Auch wenn der Pressesekretär für solche Lobeshymnen bezahlt wird – falsch ist sie nicht. Vielen gilt Charles als die weltweit am besten vernetzte Persönlichkeit. Und der sensible Philantrop mit der ganzheitlichen Philosophie nutzt seine Kontakte, um für die Toleranz der Religionen oder für die Umwelt zu streiten. Kürzlich las er den Managern von Altersvorsorge-Fonds die Leviten:
"Bei einer immer älteren Bevölkerung ist die gegenwärtige Ausrichtung auf vierteljährlichen Kapitalismus immer ungeeigneter. Ich kann Sie nur bedrängen, bei Ihren Anlagen nachhaltiger die sozialen und umweltpolitischen Herausforderungen zu berücksichtigen. Sonst werden Ihre und meine Enkel einer außerordentlich elenden Zukunft entgegensehen."
Mummy Elizabeth hat ihm längst verziehen
Der Mann geht aus der Deckung, der hat eine Überzeugung. Der ist nicht nur so ein herumhängender Thronfolger, der hier und da mal ein paar Hospitäler eröffnet, sagt der Queen-Biograph Thomas Kielinger. Und Charles' Wirken werde inzwischen von immer mehr Briten geschätzt.
Das war vor zwei Jahrzehnten anders, als die Ehe mit Diana in die Brüche ging, als der Prinz of Wales einem BBC-Reporter öffentlich seinen Ehebruch gestand.
"Did you try to be faithfull?" - "Haben Sie versucht treu zu sein, nachdem sie das Ehegelöbnis abgegeben hatten?"
"Yes, until it became irretrievable broken down." - "Ja, ich war treu - bis die Ehe unheilbar zerbrochen war."
Da schien sogar die Monarchie selbst gefährdet. Charles, so forderten viele, solle sein Recht auf den Thron aufgeben. Die Queen war alles andere als amused.
Doch allmählich gewann der Thronfolger wieder an Ansehen. Als Vater ohnehin, aber auch, weil er trotzig seine große Liebe Camilla vor acht Jahren doch noch ehelichte. Heute werden beide bei ihren öffentlichen Auftritten bejubelt. Mummy Elizabeth hat ihm längst verziehen und er ließ sie beim diamond jubilee öffentlich hochleben: "Hip Hip Hurray!"
Heute wollen 42 Prozent Charles als nächsten König, womit er seinen Sohn William überholt hat. Unklar ist nur, wie lange der Prinz of Wales noch wird warten müssen.
Mehr zum Thema