Konservative stürmen die Hochburgen von Labour
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Der Wahlsieg von Premierminister Boris Johnson erinnert an konservative Erfolge von Margaret Thatcher. Bei Labour ist nach der dramatischen Niederlage der Machtkampf um den Parteivorsitz nun voll entbrannt.
Die Wahl war bereits entschieden, als um 22 Uhr Ortszeit die Wahllokale schlossen. Die Fernsehsender sagten sofort einen Erdrutschsieg für die Konservativen voraus. Das bedeutet: Die nächsten fünf Jahre wird das Vereinigte Königreich weiter von den Tories regiert – und der Brexit wird kommen, wie Wahlsieger Boris Johnson sagt: "Ich danke dafür, dass Sie im Dezember an die Wahlurnen gegangen sind zu einer historischen Wahl. Das gibt uns die Chance, jetzt den demokratischen Willen der Bevölkerung anzuerkennen und das ganze Potenzial des Landes freizusetzen."
Am nächsten Freitag wird das neue Unterhaus den Vertrag mit der EU billigen. Am 31. Januar wird Großbritannien dann die EU verlassen. Eine zweite Volksabstimmung wird es nicht mehr geben. Alle konservativen Abgeordneten haben sich dazu verpflichtet.
Der Durchmarsch der Tories
Der Wahlsieg Johnsons ist der höchste einer konservativen Partei seit Margaret Thatchers Tagen. Selbst der frühere Speaker, John Bercow, ein Gegner Boris Johnsons, erkannte als Experte im Fernsehsender "Sky News" diese Leistung an. "Mit einem Sieg in diesen Stratosphären haben selbst die Optimisten nicht gerechnet. Es ist zwar nicht ganz in der Domäne wie einst Thatcher, aber doch ein äußerst zufriedenstellendes Ergebnis."
Die Konservativen gewannen vor allem in den Wahlkreisen in Nordengland, den Midlands und in Wales, wo die Bevölkerung 2016 mit klarer Mehrheit für den Brexit gestimmt hatte. Die dort einst verhassten Tories, die unter Thatcher Minen schlossen und das Land deindustrialisierten, haben zu Dutzenden frühere Hochburgen von Labour gestürmt – beispielsweise Blyth Valley.
Die Konservativen konnten ihr Glück kaum fassen. Noch die letzten Tage hatte es den Anschein gehabt, als könnte Labour in den Wahlkreisen aufholen. Im Gegenteil: mit 203 Sitzen kassierte die Partei ihr schlechtestes Ergebnis seit dem Jahr 1935. "Das ist sehr enttäuschend für uns", erklärte Parteichef Jeremy Corbyn. "Ich stelle klar, dass ich die Partei in keine neue Wahl mehr führen werde. Es gibt jetzt eine Phase des Nachdenkens bei uns. In dieser Zeit werde ich die Partei im Übergang moderieren."
Der Machtkampf um die Nachfolge bei Labour ist voll entbrannt. Eine zweite Partei darf sich derweil als Sieger fühlen: Die schottische Nationalpartei (SNP) holt 48 von 59 Sitzen in Schottland. Parteichefin Nicola Sturgeon warf augenblicklich dem britischen Premierminister Johnson den Fehdehandschuh hin.
Die SNP fordert ein zweites Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands. "Ich besitze ein Mandat dafür. Es liegt dann an den Menschen, wie sie sich entscheiden. Boris Johnson hat kein Recht, Schottland gegen seinen Willen aus der EU zu führen und dann gleichzeitig ein Referendum zu verweigern." Johnson hat anders als Corbyn im Wahlkampf ein zweites Referendum ausgeschlossen.
Desaster für Liberaldemokraten
Lange Gesichter gab es neben Labour bei zwei weiteren Parteien: die Liberaldemokraten erlebten ihr eigenes Desaster und sackten sogar noch um einen Sitz auf elf Mandate ab – Parteichefin Jo Swinson hatte ganz auf die Anti-Brexit-Karte gesetzt und verloren.
Genauso wie der Mann, der den Brexit überhaupt erst ins Rollen gebracht hat: Nigel Farages Brexit-Party steht mit leeren Händen da. Im Mai noch der große Triumph bei den Europawahlen mit 30 Prozent – jetzt hat die Brexit-Party kein einziges Mandat gewinnen können.
Politisches Erdbeben
Mehr als 500 Wahlkreise von 650 sind ausgezählt. Die Konservativen liegen uneinholbar vorne, Premierminister Johnson gewinnt auch seinen Wahlkreis im Nordwesten Londons, in einer Unterhauswahl, die er als historisch bezeichnet. Corbyn räumte derweil seine Niederlage ein und kündigte seinen Rücktritt als Parteichef an, wenn auch nicht sofort. "Ich werde die Partei nicht in eine nächste Wahl führen", sagte er. Es gebe jetzt einen Prozess des Nachdenkens.
Fazit: Die Wahl verändert die politische Landkarte des Vereinigten Königreichs dramatisch. Die schottische Nationalpartei gewinnt 55 von 56 Wahlkreisen und wird auf ein zweites Referendum pochen. Im Unterhaus in London wird es anders als in den letzten zwei Jahren stabile, politische Verhältnisse geben mit einer klaren absoluten Mehrheit für die Konservativen.