Torys streiten um neue Führung - Krise bei Labour
Wer wird David Cameron ablösen? Es dürften noch gut zwei Monate vergehen, bis Großbritannien einen neuen Premierminister hat. Bis dahin versucht Cameron, Politik zu machen. Nach seiner Rückkehr vom EU-Gipfel stand er heute im Unterhaus Rede und Antwort.
Womöglich hat David Cameron einfach nicht lange genug geschlafen oder er wollte es einfach mal sagen. Als der politisch schwer angeschlagene Labour-Chef Jeremy Corbyn im Unterhaus eine Frage nach der anderen an den scheidenden Premier stellte, platze Cameron der Kragen:
"Sie reden hier über unsichere Arbeitsplätze und die zwei Monate, die mir noch bleiben: Es mag gut für meine Partei sein, dass sie bleiben, aber nicht im Interesse des Landes. In Gottes Namen, gehen sie!, YEAAHHH".
Die allermeisten Labour-Abgeordneten sehen das genauso. Corbyn soll zurücktreten. Das hat eine Abstimmung der Labour-Fraktion gestern ergeben. Allerdings beruft sich der Parteichef darauf, dass er vor nicht einmal einem Jahr von einer großen Mehrheit der Mitglieder gewählt worden ist.
Corbyn versuchte er heute im Unterhaus so zu tun, als ob nichts gewesen wäre, als ob es keinen Machtkampf in seiner Partei gebe. Der Labour-Chef hielt Cameron vor, dass erst die Regierungspolitik viele Menschen im Vereinigten Königreich dazu getrieben habe für den Brexit zu stimmen:
"Gestern veröffentlichte Daten, besagen, dass die Zahl der Kinder, die in Armut leben im letzten Jahr um 200.000 gestiegen ist. 3,9 Millionen Kinder leben in diesem Land nun in Armut. Wollen sie sich dafür bei diesen Kindern und ihren Eltern nicht entschuldigen und endlich etwas gegen die Kinderarmut tun?"
Cameron entschuldigte sich nicht, aber er räumte ein, dass die Regierung verarmten Familien besser helfen müsse. Ganz im Vordergrund stand im Unterhaus aber der Brexit. Der scheidende Premier kündigte an, dass sich seine Minister mit Vertretern wichtiger Unternehmen treffen werden, die in Großbritannien produzieren, um mehr über ihre Wünsche und Pläne zu erfahren. Cameron und Corbyn nannten in der Debatte auch einen deutschen Namen, "Siemens".
Für die Verhandlungen mit den EU-Partner erwartet der Premier, dass sein Nachfolger informelle Gespräche mit ihnen vor Auslösung des Austrittsmechanismus führen kann. Das wollen die anderen 27 allerdings nicht.
Die beiden großen Parteien haben zu kämpfen
Wie das ganze Vereinigte Königreich, haben die beiden großen britischen Parteien mit den Folgen des Referendums zu kämpfen. Im Gegensatz zu Labour, verfügen die Torys aber immerhin über einen klaren Zeitplan und klare Regeln. Melden sich drei oder mehr Kandidaten für den Parteivorsitz, werden die Abgeordneten zwei davon auswählen. Dann müssen die Mitglieder entscheiden.
Stephen Crabb hat als erster den Finger gehoben. Der Arbeitsminister ist 43 Jahre alt. Er gehört nicht zum Establishement, stammt aus einfachen Verhältnissen. Crabb werden nur Außenseiterchancen eingeräumt:
"Ich will Vorsitzender der Konservativen Partei werden und auch Premierminister. Ich liebe mein Land und meine Partei. Und ich glaube wirklich: Alles, wofür ich stehe und meine Energie, die ich einbringe, sind genau das, was jetzt gebraucht wird, um diese Herausforderungen zu bewältigen."
Crabb sagte, dass er kein zweites Referendum wolle. Vorgezogenen Wahlen steht er skeptisch gegenüber.
Weitaus besser Chancen dürften Innenministerin Theresa May und der frühere Bürgermeister von London, Boris Johnson haben. May hatte sich in den Kampagnen vor dem Referendum zurückgehalten, wenngleich die Ministerin aus Solidarität mit der Regierung für den Verbleib in der EU eintrat. Eine gute Position, um auf die europafreundlichen und europaskeptischen Flügel ihrer Partei zuzugehen. May gilt als akribisch und fleißig, eine Politikerin, die sich auch mit Details befasst und nicht nur die großen Linien im Auge hat.
Boris Johnson, der das Zugpferd der Brexit-Kampagne war, kann damit nicht punkten. Er gibt sich unkonventionell und ist sehr populär, das dürfte ihm beim Mitgliederentscheid helfen. Allerdings hatten einige Tory-Abgeordnete schon vor längerer Zeit eine Gruppe gebildet, die nur ein Ziel hat: Johnson zu verhindern.