Wie der Handel unter dem Brexit leidet
Noch gibt es keine Zölle und Handelsbeschränkungen zwischen Großbritannien und Deutschland. Doch Unternehmer in beiden Ländern rechnen damit und suchen schon jetzt nach neuen Abnehmern und Zulieferern. Die Volkswirtschaften entflechten sich.
Behutsam steuert Lothar Severyns seinen Sattelzug vom Hof der Spedition Stromps in Krefeld-Oppum. Es ist 19 Uhr und seit Stunden stockduster. Doch der gefürchtete Feierabendverkehr in Nordrhein-Westfalen ebbt jetzt langsam ab.
"Wir haben hier Stückgut geladen. Sämtliche Rohre, Paletten. Und da brauch ich jetzt auch nicht reinzugucken. Die Papiere, die sind jetzt hier alles in einem Umschlag. Ich weiß, dass das alles gesichert ist. Und das ist für mich wichtig."
Fast zwei Meter groß, thront Lothar Severyns förmlich über dem großen Lenkrad seines LKW. In Wochen mit Spätschicht fährt der 62-Jährige jeden Abend die 235 Kilometer bis zum Rotterdamer Hafen. Von dort aus wird sein Anhänger allein die Überfahrt nach England machen. Severyns kehrt mit britischer Ladung nach Krefeld zurück. Routine im EU-Binnenmarkt. Die Strecke ist eine der wichtigsten Handelsrouten Europas. Nicht nur wegen des Hafens in Rotterdam. Schon die Spediteure der Antike transportierten hier über Rhein und Maas Waren von und nach England. Heute ist die Achse von Mailand über die Rheinschiene bis in die Industriegebiete Nordenglands einer der zentralen Wirtschaftskorridore Europas.
Für Lothar Severyns geht es zunächst langsam über Land zur A40. Dann gibt er Gas. Kurz darauf markiert ein Schild mit den EU-Sternen auf blauem Grund die Grenze zu den Niederlanden. Dahinter ein Rastplatz. Mehr nicht. Keine Stopps, keine Kontrollen.
"Damals hätte ich schon hier stehen müssen. Dann hast du wohl mit England eine grenzüberschreitende Fracht. Dann hast du eine TIR. T-I-R-Zolldokumente. Dann brauchst du durch Holland nicht zu verzollen. Die Hauptverzollung wäre dann ja England gewesen."
Von Krefeld nach Rotterdam und zurück in einer Schicht wäre damals unmöglich gewesen. 1993 schufen die Länder der Europäischen Union dann den Binnenmarkt. Seitdem gehören Zollkontrollen für Severyns der Vergangenheit an.
Rotterdams Hafen wird zur EU-Außengrenze
Es ist ein gigantisches Warenlager auf der Straße, in dem Lothar Severyns allabendlich mitrollt. Es stellt sicher, dass Unternehmen auf beiden Seiten der Nordsee tags darauf weiterproduzieren können. Der Brexit könnte gerade diese Produktionsketten empfindlich treffen. Denn der Hafen in Rotterdam würde für Transporte nach England zur EU-Außengrenze. Fahrer wie Severyns sind nur eines der Glieder der Kette, die die britische Wirtschaft mit der deutschen verzahnt. Speditionen, Häfen, Unternehmen: für all sie wird der Brexit – und vor allem der angestrebte Austritt Großbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt – die Spielregeln verändern. Dabei ist die Insel Deutschlands drittwichtigster Exportmarkt. Und der Wirtschaft bleibt nicht mehr viel Zeit, sich darauf vorzubereiten. Sollten sich London und Brüssel nicht auf eine Übergangsperiode verständigen, wäre Großbritannien schon Ende März 2019 draußen. Doch noch weiß niemand, was danach kommt.
In Duisburg, nur ein Stück die A40 zurück, surren in einer weitläufigen Werkshalle emsig die Maschinen. Die Firma Krohne produziert hier etwa 100.000 Mess-Verstärker pro Jahr. Jedes siebte Gerät, das die Roboter zusammenlöten, geht nach England. Im Werk dort stellt Krohne Messgeräte her, die die Masse über Schwingungen innerhalb der Flüssigkeit bestimmen. Die Elektronik dazu kommt hier aus Duisburg: Ohne lange Lagerung, Just-in-Time im grenzenlosen innereuropäischen Warenverkehr.
An der Laderampe wartet gerade der Fahrer eines Logistikunternehmens darauf, seinen LKW beladen zu können. Jeder der Kartons und Holzkisten bedeutet für das Team der Versandabteilung Arbeit. Für Sendungen an Kunden in Großbritannien ist es bislang meist mit einer Mail an den Spediteur getan. Zumindest bis zum Brexit.
"Das würde bedeuten, wir müssten für jeden Kunden ein Zollpapier erstellen, wenn wir Pech haben. Selbst maschinell ist das gar nicht mehr zu realisieren. Da würden Sie nächtelang hier Papiere drucken."
Mehr Bürokratie nach dem Brexit. Umfragen zufolge, denkt deshalb knapp die Hälfte der europäischen Unternehmen darüber nach, die Produktion auf ihre Seite des Ärmelkanals zurück zu verlagern. Das plant Krohne nicht. Zu wichtig ist das Know-How der englischen Fachkräfte für das Technologie-Unternehmen. Auch wenn sich die Folgen des Brexit nur schwer abschätzen lassen. Eine neue Zollgrenze bedeutet Mehrkosten. Auf der anderen Seite hat das britische Pfund seit dem EU-Referendum massiv an Wert verloren. Geräte, die Krohne in Großbritannien herstellt, kann die Firma deshalb billiger in andere EU-Länder verkaufen. Krohne wird lernen müssen, mit dem Brexit zu leben.
Importe von der Insel brechen ein
Kurz vor Feierabend in der Zentrale der Spedition Stromps in Krefeld-Oppum. Während die LkW in Richtung Rotterdam rollen, planen Rainer Goosens und sein Kollege Udo Vorwerk bereits die Routen für die kommenden Tage. Die Spedition ist auf das Geschäft mit den Britischen Inseln spezialisiert. Großbritannien erleben Goosens und Vorwerk vor allem über das Telefon. Der Statistik nach haben deutsche Spediteure 2017 mehr Tonnen Fracht nach Großbritannien gebracht als im Jahr zuvor. Doch die Importe von der Insel sind um etwa 8 Prozent eingebrochen. Ist das schon ein Effekt des Brexit?
Bei Stromps ist das Geschäft bislang konstant. 10 bis 15 LKW-Abfahrten disponiert die Spedition täglich. Nicht weniger und nicht mehr als vor dem britischen EU-Referendum. Ihre Anhänger transportieren weiterhin Stahl, Chemikalien oder Maschinenteile auf die Insel. Und zurück kommt deutlich weniger: Altpapier oder Aluminium-Schrott etwa – wenn es gut läuft.
"Man kann nicht garantieren, dass jeder Trailer, dass wenn, sagen wir mal, 20 jetzt am Tag nach England gehen, dass die auch alle 20 eine Rückladung bekommen. Es kann sein, dass 10 leer zurückkommen. Aber der Rundlauf muss ja gewährleistet sein."
Seit Jahren schleppt Großbritannien ein gewaltiges Außenhandelsdefizit mit sich herum. Mit keinem anderen Land macht Deutschland im Handel so viel Gewinn. In Euro gerechnet exportiert es etwa zweimal mehr Waren auf die Insel, als von dort zurückkommen. Deutschlands Exportboom – Rainer Goosens und Udo Vorwerk sehen ihn täglich an ihren leeren Anhängern.
Wolfgang Stromps ist der Geschäftsführer des Familienunternehmens. Schon seine Vorfahren haben die Güter mit Pferd und Wagen an die Ufer des Rheins gebracht, um sie dann Richtung England zu verschiffen. Er selbst organisiert seit einem halben Jahrhundert den Handel mit der Insel. Mit seinem Tweed-Jackett erinnert der 70-Jährige ein wenig an einem englischen Lord auf seinem Landsitz. Er sei anglophil, sagt Stromps. Ein Europa ohne England könne er sich nicht vorstellen. Politisch nicht, aber erst recht nicht wirtschaftlich. Stromps hat miterlebt, wie Großbritannien seine Industrie abwickelte und sich der Handel immer mehr zum Einwegverkehr entwickelte. Wenn er derzeit mit seinen Kunden spricht, hört er viel Verunsicherung. Nur so viel ist klar. Einfacher wird das Geschäft mit Großbritannien durch den Brexit nicht.
"Dann machen wir halt wieder Verzollung. Davon haben wir früher gelebt. Mein Großvater hat immer gesagt: ‚Da, wo ein deutscher Adler drauf ist oder eben der Zollstempel des englischen Zolls, da kannst du mehr dran verdienen als am Transport."
Just-in-Time Produktion gefährdet
Rainer Goosens trifft derweil per E-Mail letzte Absprachen mit Kunden.
"Inzwischen leben wir von der Hand in den Mund. Die Sendung wird angemeldet, die ist noch gar nicht produziert. Und dann stehen die LKW teilweise an der Laderampe und die Ware ist nicht fertig, oder es wird nur die Hälfte fertig oder gar nichts oder wie auch immer und das macht uns hier natürlich die Planung kaputt."
Gerade diese Art der "Just-in-Time"-Produktion könnte durch Wartezeiten an den Grenzen nach dem Brexit gefährdet sein, fürchtet Goosens.
"Wenn ich jetzt durchfahren kann, kann ich innerhalb von zehn bis zwölf Stunden in England sein und das kann ich dann nicht mehr gewährleisten. Also wird die ganze Überlegung hingehen, Pufferlager wieder einzurichten, so wie wir es früher hatten. Also das Lager auf der Straße, wie es jetzt so gerne gemacht wird."
Der Brexit wird es komplizierter machen, das feinmaschige Netz aus Produktionsketten quer über die Nordsee hinweg am Leben zu erhalten. Ein Teil der Mehrarbeit landet auf den Schreibtischen von Rainer Goosens und Udo Vorwerk.
Lothar Severyns trennen nur noch wenige Kilometer von seinem Ziel. Die Autobahn führt durch ein scheinbar endloses Industriegebiet. Rechts und links der Strecke haben Logistik-Unternehmen ihre Umschlagzentren. Als Severyns ein weiteres Mal die Autobahn wechselt, kommen große Mineralöl-Tanks in den Blick. Rotterdam ist der größte Container-Hafen Europas. Von hier aus werden die Waren auf dem ganzen Kontinent verteilt. Täglich setzen Fähren über mit Kurs auf die Häfen an der englischen Ostküste: Felixstowe, Hull und Immingham, dorthin wird die Fracht von Severyns verschifft.
Wenig später steuert er seinen LKW in den Benelux-Tunnel unter dem Hafen-Becken durch. Wir sind an der Neuen Maas. Hafen 619. Bis zur Nordsee sind es noch 25 Kilometer.
"So da stehen schon unsere Trailer. Da muss ich hin. Und das ist ein Schiff, da werden die jetzt aufgeladen."
An einem Terminal scannt Severyns seinen Personalausweis. Die Maschine spuckt zwei Tickets aus. Es sind die letzten Meter, die Severyns Fracht auf dem europäischen Festland zurücklegen wird. Wenig später legt er zum zweiten Mal kurz hintereinander den Rückwärtsgang ein. Ein lauter Klick ist zu hören, als sich die Anhängerkupplung der Zugmaschine um den neuen Trailer schließt. In dieser Nacht wird Lothar Severyns eine Ladung englischer Dolomit-Steine nach Krefeld bringen. Doch vorher: die gesetzlich vorgeschriebene Pause. Butterbrot mit Energy-Drink. Es ist eine einsame Pause. Um uns herum warten zahllose Anhänger auf ihre Einschiffung oder den Weitertransport über niederländische Autobahnen. Dahinter wird irgendwo die nächste Fähre nach England beladen. Kein Mensch ist zu sehen. Früher – vor dem EU-Binnenmarkt - wäre es jetzt erst richtig stressig geworden.
"Dann ging das wirklich nur hin und her und Stempel da, und Stempel da. Und dann wenn du die Papiere hattest, dann gingst du erst wirklich nach die Douane, zum Zöllner. Und der hat das dann nachgeschaut. Waren alle Stempel vorhanden, hat der auch noch seinen Stempel gegeben. Und dann durftest du fahren. Das waren so Minimum zwei, drei Stunden."
Nordengland Docks boomen
An der Hafenausfahrt von Immingham nimmt ein LKW nach dem anderen den kleinen Kreisverkehr. Hier am Humber, wo sich die Nordsee bei Kingston-upon-Hull wie ein gewaltiger Wurmfortsatz ins Land hineinfrisst, könnte bald noch mehr Verkehr sein. Zwar ist bislang Dover der wichtigste britische Hafen für den Handel mit Europa. Doch wegen der berühmten Kreidefelsen ist dort kaum Platz, wenn nach dem Brexit wieder Zollkontrollen notwendig werden. In Immingham schon.
Die Docks boomen, sagt Dave. Der Fernfahrer macht gerade Pause. Sein LKW ist einer der wenigen mit britischen Nummernschildern auf dem kargen Parkplatz. Die meisten der zwei Dutzend Fahrzeuge kommen aus Polen. Ohne polnische Fahrer würde hier am Hafen nichts mehr funktionieren, meint Dave. Es gebe einfach nicht genug britische Fernfahrer. Sollten die Polen nach dem Brexit das Land verlassen, bekäme England richtig Probleme, glaubt er.
Anruf beim Hafenbetreiber Associated British Ports. Auch David Leighton rätselt noch, was der Brexit wirklich bedeutet: Wird er hart oder weich? Einigen sich London und Brüssel auf ein Handelsabkommen oder fällt das Land auf die Bedingungen der Welthandelsorganisation WTO zurück? Der Hafen bereite sich auf alle Szenarien vor. Nur lange Schlangen an der Grenze erwartet Leighton nicht.
"Wir müssen uns von der Vorstellung trennen, dass jeder LKW seine Papiere vorzeigen muss. Das wird nicht passieren. Wir sind in Sachen Technologie und Abläufe deutlich weiter als in den 80er Jahren."
Waren aus Übersee gebe der Zoll heute schon frei, während sie noch auf dem Schiff in Richtung Großbritannien schippern, sagt Leighton. Nur ein Prozent werde bei der Ankunft auf der Insel kontrolliert. Das klingt nach wenig. Trotzdem dürfte in Zukunft wohl jede Lieferung aus der EU Zollpapiere brauchen.
125 Kilometer weiter westlich in Bradford steht Oliver Gwynne in der Mitte einer kleinen Werkshalle: Blond, schlaksig und um die 30. Neben ihm fräst sich unter einer Glasscheibe eine Maschine durch einen dicken Klotz aus Metall. Gwynne ist zufrieden. Die Geschäfte laufen gut. Großbritanniens verarbeitende Industrie hat gerade das beste Quartal seit dreieinhalb Jahren erlebt. Brontes Kunden sitzen im Vereinigten Königreich, aber auch in Deutschland.
Die Geschichte der Firma Bronte deckt sich mit der langsamen Erholung der alten Industrieregionen im Norden Englands. Anfang der 2000er Jahre gegründet, ist Bronte seitdem auf Wachstumskurs. Heute beschäftigt die Firma 25 Mitarbeiter. In diesem Jahr will sie weiter expandieren. Trotz Brexit – oder gerade deshalb.
Jedes dritte britische Unternehmen sucht Zulieferer zuhause
Viele große Unternehmen richteten derzeit ihre Produktionsketten neu aus. Das bringe Bronte neue Aufträge. Tatsächlich denkt etwa jedes dritte britische Unternehmen Umfragen zufolge gerade darüber nach, sich wegen des Brexit neue Zulieferer in Großbritannien zu suchen. Gleichzeitig überlegen viele europäische Firmen, sich auf den Kontinent zurückzuziehen. Die Volkswirtschaften entflechten sich. Allerdings hat längst nicht jeder diese Pläne schon in die Tat umgesetzt. Bronte jedenfalls profitiere bislang vom Brexit, sagt Gwynne.
Tatsächlich ist der Effekt des Brexit bislang schwer zu beziffern. Die britische Wirtschaft wächst derzeit mit etwa zwei Prozent pro Jahr. Kein schlechter Wert. Doch er ist schwächer, als die meisten Experten vor dem EU-Referendum vorausgesagt haben. Nur wenn Gwynne mit Kunden in Deutschland und anderen EU-Ländern über Preise verhandelt, spürt er die Folgen des Brexit schon jetzt.
"Der Brexit wird schon jetzt als Vorwand genutzt, bessere Preise auszuhandeln. Das ist doch absurd. In den kommenden Jahren wird der Brexit als Entschuldigung für alles herhalten müssen."
Mike Naylor spürt die Folgen des Brexit schon. Der Manager ist Mitte 50, trägt ein weißes Hemd. Die Produktionshalle der Durham Foundry, einer Gießerei in Sheffield, ist zum Hof offen. Trotzdem sorgen die beiden Öfen für eine wohlige Wärme. Ab und zu rührt einer der Arbeiter mit einer großen Stange, bis das Roheisen die 1350 Grad erreicht hat, die es braucht, um gegossen zu werden. Auch Naylors Auftragsbücher sind voll. Die Gießerei arbeitet vor allem für britische Firmen. Deren Export boomt, seitdem der Brexit den Kurs des Pfunds auf Talfahrt geschickt und damit Produkte "Made in Britain" billiger gemacht hat. Und doch ist sein Geschäft seit dem Brexit-Referendum schwieriger geworden.
Gewinn war für die Durham Foundry lange Zeit vor allem eine Frage des Volumens. Je mehr Schmelzen pro Tag, desto besser lief Naylors Unternehmen. Bei vier Schmelzen machte er Profit. Derzeit schafft die Durham Foundry regelmäßig vier Schmelzen. Nur die alte Rechnung passt plötzlich nicht mehr.
"Roheisen und Stahl sind seit dem Brexit um 30 bis 50 Prozent teurer geworden. Und das liegt vor allem am Brexit."
Und wenn die Kosten stiegen, würde es bei hoher Auslastung eben besonders teuer. Ein Alptraum.
Mehr als drei Prozent Inflation
Der Bottich mit dem flüssigen Eisen schwebt derweil quer durch die Gießerei. Ein Arbeiter steuert den Kran unter dem Hallendach über eine Reihe von Gußformen aus Sand hinweg. Dann kommt die Schmelze über einer der größeren Formen zum Stehen. Ein Bauteil für eine Straßenfräse entsteht. Sie wird später einmal alten Asphalt von der Straße kratzen. Mike Naylor wird das Bauteil zehn Prozent teurer verkaufen müssen, als noch vor einem Jahr. Es ist das erste Mal seit fünf Jahren, dass Naylor seine Preise anhebt. Auf über drei Prozent ist die Inflation aufgrund des schwachen Pfunds in Großbritannien geklettert. Naylor passt die Löhne seiner Arbeiter daran an. Viele Briten haben heute jedoch real weniger in Tasche als vor dem EU-Referendum.
Die Durham Foundry werde auch den Brexit überleben. Die Firma habe schließlich schon ganz andere Umbrüche mitgemacht, sagt Naylor, während er vor der Gießerei auf einige moderne Fabrikhallen in Leichtbauweise deutet. Bis in die 70er Jahre stand hier Hochofen hinter Hochofen. Heute zeugt nur noch ein verfallenes Eingangstor von der einstigen Größe. Naylor hat die Hochzeit der Sheffielder Stahlindustrie noch als Junge erlebt. Schon damals war die Gießerei in Familienbesitz.
"Zum Schichtwechsel, um zwei Uhr nachmittags, standen da Busse über Busse über Busse und warteten auf die Arbeiter. Das ist leider schon lange Geschichte."
Schleichender Abstieg durch den Brexit
Denn dann kam das große Sterben. Um seine Gießerei herum mussten immer mehr Fabriken schließen. Auch andere Gießereien hat es getroffen. Die Durham Foundry überlebte – als einzige ihrer Art in der Region – dank moderner Technologie.
Auch vor dem Referendum hätten EU-Befürworter vor dem wirtschaftlichen Untergang Großbritanniens gewarnt. Naylor erwartet dagegen einen schleichenden Abstieg. Ein paar Zehntel Prozentpunkte weniger Wirtschaftswachstum hier, eine höhere Inflation dort - erst in ein paar Jahren wird klar sein, was der Brexit wirklich für Großbritannien bedeutet. Es dürften die wirtschaftlich schwachen Regionen hier im Norden Englands sein, die die Folgen besonders spüren werden.