Großbritannien vor dem Brexit

Dinner for One

Die britische Premierministerin Theresa May
Die britische Premierministerin Theresa May © dpa / picture alliance / Benoit Doppagne
Von Benjamin Dierks |
Fast zwei Monate sind seit der Grundsatzrede von Großbritanniens Premierministerin Theresa May vergangen: Eigentlich sollte das Brexit-Gesetz bis zum 7. März von Unter- und Oberhaus verabschiedet werden. Doch im Moment hängt der Brexit.
Das liegt am Oberhaus, dem House of Lords, das Garantien für die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien fordert und das Recht der Abgeordneten nach Ende der Verhandlungen mit der EU das Ergebnis abzulehnen. Das wäre praktisch ein Veto-Recht des britischen Parlaments, das Premierministerin May als Schwächung ihrer Verhandlungsposition sieht.
52 Prozent der britischen Wähler haben für den Brexit gestimmt, aber wie der aussehen soll, wurde damit nicht festgelegt. Und nun herrscht vor allem Unsicherheit. Das zeigt sich nicht nur an der Regierung, die den EU-Austritt eigentlich bis Ende März offiziell machen will, aber nur zögerlich erkennen lässt, wie sie sich diesen vorstellt. Ähnlich sieht es auch bei den Bürgern aus.

Britisches Curry

Aftab Siddique schwenkt eine große Stahlpfanne über dem Industriegasherd. Die Flammen schlagen bis über den Rand. Er wirft etwas Blumenkohl in die Pfanne, wendet ihn blitzschnell, dann eine Handvoll Gewürzpulver, er gibt etwas Sauce hinzu. Pfanne, Schöpfkelle und Bratenwender tanzen von einer Hand zur anderen. Aftab Siddique ist der Küchenchef des Restaurants "Ghandi Tandoori" in West Malling in der britischen Grafschaft Kent. Weiße Kochjacke und auf den dunklen Haaren eine weiße Mütze.
"Chicken Balti, Chicken Tikka Massala, Tandoori Chicken, Kebabs..."
Siddique zählt einige Klassiker der indischen Küche auf. Die äßen die Gäste am liebsten. Er nimmt die Pfanne vom Feuer und gibt den Inhalt in eine kleine weiße Porzellanschale. Der Blumenkohl ist nun currygelb. Genau genommen stammen viele Gerichte aus Bangladesch. Aber woher genau sie kommen, das spiele heute eigentlich keine Rolle mehr, sagt Pasha Khandaker.
"Curry ist kein fremdes Essen mehr, es gehört längst zum britischen Erbe. Die Leute wollen britisches Curry essen, kein indisches oder bangladeschisches."
Khandaker trägt ein rot-weiß gemustertes Hemd mit gelber Krawatte zum blauen Jackett und wirkt etwas deplatziert in der Küche. Er ist der Inhaber des "Ghandi Tandoori" und Chef der Bangladeshi Caterers Association. Der Verband vertritt Tausende Restaurant- und Imbissbetreiber in Großbritannien, die Gerichte aus der Küche Bangladeschs anbieten. Vielen geht es nicht gut, einige mussten schließen. Pasha Khandaker will sie retten.
"Die Regierung muss etwas tun, um dieses Erbe zu erhalten."
Pasha Khandaker ist froh, dass er einen Küchenchef wie Aftab Siddique hat. Aber wie viele seiner Kollegen hat er Probleme, gute Nachwuchsköche zu finden. Viele Kinder südasiatischer Einwanderer wählen lieber eine Karriere als Anwalt oder Banker statt einen Knochenjob in einer Curryküche. Und die britischen Einwanderungsgesetze machen es äußerst schwierig, Köche aus Bangladesch anzuwerben. Als das EU-Referendum anstand, sah Khandaker seine Chance gekommen. Die Fürsprecher des Brexit versprachen, dass wieder mehr Einwanderer aus dem Commonwealth kommen könnten, wenn man nur die süd- und osteuropäischen Immigranten loswerde. Aber davon ist heute nicht mehr viel zu hören.
"I’m surprised, I’m frustrated, very disappointed."

Keine Visaerleichterungen für Einwanderer aus Südasien

Überrascht, frustriert und enttäuscht sei er, sagt Khandaker, weil die Brexit-Vorkämpfer ihn unterstützt hatten: Michael Gove, der Brexit-Frontmann und Ex-Justizminister, habe seiner Industrie den Rücken gestärkt. Auch Boris Johnson, heute Außenminister. Und die damalige Arbeits- und heutige Entwicklungsministerin Priti Patel habe sogar zusammen mit ihm auf der Bühne gestanden und vor Vertretern der Curry-Industrie für den Brexit getrommelt. Aber als die Schlacht geschlagen war, redete kaum noch jemand von Visaerleichterungen für Südasien. Stattdessen sprach Innenministerin Amber Rudd nach dem Brexit-Votum von noch strengeren Obergrenzen für Einwanderer. Und sie forderte, britische Firmen sollten öffentlich machen, wie viele Ausländer sie beschäftigten.
"Ich bin wütend, weil sie ihr Versprechen nicht gehalten haben."
Laut der britischen Premierministerin Theresa May soll es ein harter Brexit werden. Großbritannien wird dem Willen der Regierung nach mit der EU auch deren Binnenmarkt verlassen. Viele Brexit-Befürworter merken erst langsam, was der EU-Austritt bedeuten könnte und dass er mit ihren Wünschen, die sie darauf projiziert haben, sowie mit den Versprechungen der Leave-Kampagne womöglich nicht viel zu tun haben wird.
"Es ist schon klar, dass die Leute nicht so viele Einwanderer wollen. Deswegen haben sie ja für den Brexit gestimmt."
Und das Votum sei deshalb auch nicht falsch, sagt Khandaker. Seine Hoffnungen, die seien nur ein kleiner Teil des Ganzen. Er feiert den Brexit nach wie vor als gewaltigen Erfolg.
"It's a huge victory!"
Aber Khandaker hatte gedacht, dass die Briten unterscheiden würden zwischen den Einwanderern, die wie er das Land schon lange prägten, und den Neuankömmlingen. Denen aus den osteuropäischen EU-Staaten zum Beispiel, die bisher einfach so ins Land kommen könnten.
"Ich dagegen zahle seit 30 Jahren Steuern. Mein Vater hat im Zweiten Weltkrieg für die Krone gekämpft. Aber Anerkennung habe ich dafür nie erfahren. Ich darf ohne ein Visum nicht einmal Besuch aus der Heimat empfangen."
Dass Teile der britisch-asiatischen Community für den Brexit stimmten, war auch Folge einer Kränkung - darüber, dass die weißen Briten das Curry zwar zum Nationalgericht erkoren haben wie Fish and Chips, dass die aber, die das Curry aus ihrer einstigen Heimat mitgebracht haben, trotzdem nie richtig dazugehören durften. Aber daran hat der Brexit nichts geändert – im Gegenteil. Die Polizei in Großbritannien meldete im Februar, dass die Zahl sogenannter Hate Crimes, also Verbrechen, die rassistisch motiviert sind oder sich gegen eine Religion richten, sich in den Monaten nach dem EU-Referendum verdoppelt habe. Und sie bereitet sich darauf vor, dass es noch schlimmer wird, wenn Premierministerin May den britischen EU-Austritt offiziell verkündet. Die Polizei will den Schutz betroffener Gemeinden und Bevölkerungsgruppen deswegen erhöhen. Dass das Klima rauher geworden ist, merken auch die Bewohner von Hackney, einem lange heruntergekommenen Arbeiterbezirk in Ost-London, der heute immer schicker und teurer wird.
"Actually, with the whole Brexit thing, it almost felt like we’re going back in time."
Ihm sei, als werde die Zeit zurückgedreht, sagt Deji Adeoshun. Der Endzwanziger trägt eine schwarze Steppjacke, Jeans und Turnschuhe. Die dunklen Haare kurzgeschoren, schwarz umrandete Brille, direkter Blick. Adeoshun leitet ein Jugendprojekt im Hackney Council for Voluntary Service, kurz CVS. Das ist ein Stadtteilzentrum, in dem sich Anwohner ehrenamtlich für ein besseres Zusammenleben engagieren. Adeoshun und seine Schützlinge haben ohnehin viel mit Rassismus zu tun. Sie bemühen sich um ein besseres Verhältnis zwischen jungen Schwarzen und der Polizei oder sprechen über die Benachteiligung von Einwandererkindern am Arbeitsmarkt. Auch sie spüren eine Veränderung.
"Ich kann mich nicht erinnern, dass vor dem Referendum so viel über Rasse gesprochen wurde. Jetzt geht es in jedem zweiten Satz darum."
Alle redeten über die angeblichen Eigenschaften von Schwarzen, Weißen, Asiaten oder Osteuropäern, sagt Deji Adeoshun. Ophelia, eine junge Frau aus seiner Gruppe, pflichtet ihm bei.
"Ich glaube, dass der Brexit nur den Rassisten Aufwind gibt. Die zollen den Einwanderern keinerlei Anerkennung, egal, wieviel die für die Gesellschaft tun."
Sie wisse, wovon sie rede, sagt die schmale, 21 Jahre alte Telefonistin. Als Tochter türkisch-zyprischer Eltern habe sie nie richtig dazu gehört – weder als Britin, noch als Europäerin. Aber sie und ihre Altersgenossen seien nun einmal in der EU aufgewachsen, sagt sie. Schon deshalb sei der Austritt beängstigend.
"I would have voted for Brexit."

Brexit macht das Leben teurer

Aber die Einstellung zum Brexit war vor dem Referendum gemischt im Hackney CVS. Er habe für den Brexit gestimmt, räumt Deji Adeoshun ein. Mit der EU habe er nicht viel anfangen können. Er fühle sich zwar britisch, aber nicht europäisch. Jetzt ist es nicht nur der erstarkte Rassismus, der ihm zu schaffen macht.
"Die Leute haben versprochen, dass durch den Brexit für alle mehr Geld übrig bleibt, das sie für andere Dinge ausgegeben könnten. Aber davon ist nichts zu spüren."
Dass das Pfund im Kurs gefallen sei, das merke er hingegen ganz deutlich, sagt Adeoshun.
"Das hat mich wirklich hart getroffen. Das Babymilchpulver für meine Tochter hat früher zehn Pfund gekostet, das kostet jetzt schon elf Pfund. Das ist ganz real."
Der Sozialarbeiter hat ein sicheres, einnehmendes Auftreten. Er ist es gewohnt, der Wortführer zu sein. Aber jetzt wirkt er ein wenig ratlos.
"And I think we’re kind of starting to see the reality of Brexit."
Was der Brexit bedeutet, glaubt Deji Adeoshun, das bekämen sie langsam zu spüren. Shadé, eine junge Frau aus der Runde, glaubt ohnehin nicht, dass die Politiker vor dem Referendum an Menschen wie sie gedacht hätten.
"Die haben sich nur an die älteren Weißen aus der Mittelschicht und aus der Oberschicht gerichtet, nicht an uns, die jungen Schwarzen aus dem Ghetto."
Kaum jemand habe sich die Mühe gemacht, ihnen zu erklären, worum es beim Brexit tatsächlich gehe, sagt sie.

Junge Briten für Politik interessieren

Wenn Michael Sani so etwas hört, fühlt er sich bestätigt. Er leitet die Organisation "Bite the Ballot". Das ist ein Wortspiel: "Bite the bullet" ist eine englische Redewendung und heißt so viel wie in den sauren Apfel zu beißen. Nur dass man auf Englisch in die Gewehrkugel beißt - Bullet. Und aus Bullet hat Michael Sani Ballot gemacht, die Abstimmung. Er und sein Team haben sich zur Aufgabe gemacht, junge Menschen dazu zu bewegen, in Politik und Gesellschaft aktiv zu sein, vor allem an Wahlen teilzunehmen. Vor dem EU-Referendum hatten sie händeringend versucht, junge Wähler zu mobilisieren. Sie haben in sozialen Online-Netzwerken geworben, mit lokalen Initiativen kooperiert und Workshops in Coffeeshops veranstaltet, bei denen über den Brexit diskutiert wurde. Auch im Hackney CVS war ein Mitarbeiter von "Bite the Ballot", um mit Deji, Ophelia, Shadé und anderen jungen Wählern des Bezirks zu diskutieren.
"Das war alles nicht so einfach, selbst wenn wir junge Leute dazu bringen konnten, sich für die Wahl zu registrieren. Die meisten konnten die beiden gegnerischen Lager gar nicht auseinander halten."
Jungenhaftes Gesicht, kurze dunkelblonde Haare, Hornbrille, Pulli, Jeans und Turnschuhe. Doch so jugendlich Michael Sani aussieht, so hart ist sein Job. Er ist sauer, dass die Regierung "Bite the Ballot" zwar über den grünen Klee lobe, bei der finanziellen Unterstützung aber äußerst knauserig sei. Der damalige Premierminister David Cameron hatte Michael Sani wenige Wochen vor dem Referendum in die Downing Street 10 geladen. Ihm wurde wohl klar, dass das Referendum verloren gehen könnte, wenn nicht ein großer Teil der Jungen sich aufrafft und für die EU stimmt. Die Jungen galten als mehrheitlich europafreundlich.
"Die sind auch nicht schwer zu erreichen. Wir wissen ja, wo sie sind. Aber der Wille ist nicht da."
Nach dem Referendum wurden viele Stimmen laut, die behaupteten, die älteren Briten, mehrheitlich Brexit-Befürworter, hätten die Jungen um ihre Zukunft gebracht. Nur wie viele Junge am Ende überhaupt gewählt haben, ist auch Sani nicht ganz klar. Zunächst hieß es, dass nur ein Drittel der 18- bis 24-Jährigen zur Abstimmung gegangen sei. Eine spätere Erhebung ergab, es seien zwei Drittel gewesen.
"Manchmal geht es mir schon an die Nieren, wenn ich sehe, wie dringend nötig es ist, die Dinge zu verbessern."
Im Vergleich dazu werde einfach zu wenig erreicht, klagt Sani. Er sackt erschöpft in seinen Schreibtischstuhl. Sani hatte immer wieder dazu aufgerufen, stets nur die Meinung der anderen zu hinterfragen, nicht aber die Person, die sie äußert. Was er nun beobachtet, ist das Gegenteil dessen. Das Miteinander sei vergiftet.
"Durch die Gesellschaft geht ein Riss. Menschen werden beschimpft, nur weil sie eine fremde Sprache sprechen oder eine andere Herkunft haben."
Mittlerweile bereitet es offenbar auch einigen Vorkämpfern des Brexit Sorgen, dass die Abkehr von der EU vor allem als Abschottung gegen alles Fremde gesehen wird. Schließlich hatten viele doch behauptet, Großbritannien könne erst wieder liberal und weltoffen werden, wenn es sich vom Joch der EU befreit habe.

Einziger UKIP-Abgeordneter im Unterhaus

Douglas Carswell war einer von ihnen. Er ist der einzige Abgeordnete der UK Independence Party, kurz UKIP, im britischen Unterhaus. Die Partei ist stramm anti-europäisch, das ist im Grunde ihr Lebenszweck. Daneben wollen viele ihrer Vertreter nicht nur gegen die EU die Schotten dicht machen, sondern auch gegen jede Form von Einwanderung. Aber wenn Carswell diesen Vorwurf gegen das Brexit-Lager hört, geht er zum Gegenangriff über.
"Jene, die den Brexit jetzt als wütende, gegen Zuwanderung gerichtete Reaktion beschreiben, dichten ihn um."
Selbst wenn der Wind gegen Einwanderer nach dem Referendum schärfer werde, daran sei nicht das Brexit-Lager schuld, sondern die Regierung – und die bestehe zum Großteil aus Leuten, die für den Verbleib in der EU gestimmt hätten.
"Die Minister, die vor ein paar Monaten noch gegen den Brexit waren und überhaupt nicht verstehen, worum es dabei ging, die versuchten jetzt, dem gerecht zu werden, was sie für die Position der Brexit-Befürworter halten.”
Insofern seien es in erster Linie sie, die gegen Einwanderer zu Felde zögen. Douglas Carswell sitzt in einem für Abgeordnete reservierten Raum im Foyer des britischen Parlaments in Westminster. Er trägt sein rosa Hemd ohne Krawatte. Sein Mund sitzt etwas windschief im Gesicht. Und wenn er seine Verwunderung ausdrücken will, zieht er die Brauen in die hohe Stirn und macht große Augen. Carswell war einst Abgeordneter der Konservativen, bevor er zu UKIP wechselte. Anders als die meisten seiner UKIP-Parteifreunde hatte er die offizielle Brexit-Kampagne unterstützt.
"I supported Vote Leave."
Jene hatte sich nicht so aggressiv gegen Einwanderer positioniert wie die von der UKIP-Mehrheit unterstützte Kampagne. Ganz so unschuldig, wie er tut, war allerdings auch Carswell nicht. Während der Kampagne wetterte er gerne einmal gegen das angebliche Einwanderungschaos. Und unter den Wählern war Einwanderung einer der meist genannten Gründe für den Brexit. Auch dafür hat Douglas Carswell eine Erklärung parat.
"Wenn sie von Zuwanderung sprechen, schwingt da immer noch ein Unterton mit. Was sie damit auch meinen, ist, dass sie eine Regierung wollen, die sie zur Rechenschaft ziehen können.”
Die Wut der Menschen richte sich nämlich eigentlich gegen die angeblich unnahbaren Eliten in der Wirtschaft, in den Medien und in der Politik, in London wie in Brüssel. Oligarchen nennt Carswell sie gern.

Die Küstenstadt Clacton-on-Sea

Wenn man mal nachfragt bei den Menschen, hört es sich allerdings so an, als wüssten sie ziemlich genau, was sie meinen, wenn sie gegen Einwanderung wettern – zum Beipiel in Clacton-on-Sea. Die Küstenstadt in Essex ist Carswells Wahlkreis. Dort haben die Wähler zu 70 Prozent für den Brexit gestimmt. Der einst beliebte Badeort hat die besten Tage hinter sich. Vom alten hölzernen Pier am Strand ziehen sich Spielhallen bis in die Fußgängerzone im Stadtkern. Hier hat Mary Newton im vergangenen Jahr jeden Samstag gestanden, mit einem Büchertisch, mit Aufklebern, Flugblättern und einem großen Plakat. "We want our Country back", stand darauf – "wir wollen unser Land zurück".
"I think that pride in one’s own country, one’s own origin, one’s own culture is a good thing."
Durch den Brexit hätten die Menschen wiederentdeckt, dass sie Briten sind. Stolz aufs eigene Land zu sein, auf Herkunft und Kultur, das sei eine gute Sache.
"Was jetzt passiert, ist aber gar nicht gut. Die Leute, die herkommen, sind der Bodensatz, denen mangelt es an Bildung und sozialem Zusammenhalt.”
Es ärgert die UKIP-Gemeinderätin, dass die Politik den Brexit nicht schneller vorantreibt. Denn damit, so Newtons Hoffnung, würde sie auch der Einwanderung einen Riegel vorschieben.
"Es hat nämlich nicht abgenommen, im Gegenteil, es werden immer mehr, die herkommen - weil die jetzt alle noch versuchen hineinzukommen, bevor es nicht mehr geht.”

Was denkt die City of London?

Frühes, entschiedenes Handeln, mehr Klarheit, das hätte sich auch Mark Boleat erhofft – allerdings nicht, weil er etwas gegen Zuwanderung hätte. Im Gegenteil, er hat Angst vor Abwanderung.
"Es herrscht große Unsicherheit. Vielleicht hatten wir erwartet, dass die Regierung ihre Entscheidungen ein wenig schneller treffen würde."
Denn so muss Boleat nun zusehen, wie die großen Investmentbanken sich darauf vorbereiten, Jobs ins Europäische Ausland zu verlagern. Mark Boleat ist Cheflobbyist der City, des Finanzdistrikts Londons. Der zittert nun um einen großen Teil seines Geschäfts. Boleat und seine Kollegen versuchen es mit Zweckoptimismus. Bisher ist nicht klar, wie viele Jobs und wie viel Geld der City verloren gehen. Das Brüsseler Institut Bruegel schätzte kürzlich, es könnten 30.000 Jobs und Geschäfte im Wert von knapp zwei Billionen Euro sein.
"Die Aktienmärkte haben sich von ihrem heftigen Brexit-Schock zwar schnell erholt, aber das Pfund ist auf lange Sicht gefallen und das ist entscheidend."
Die City of London Corporation ist eine eigentümliche Mischung aus Bezirksverwaltung und Interessenvertretung des Londoner Finanzdistrikts. Boleat ist gut vernetzt. Wenn morgens in Westminster der britische Wirtschaftsminister ein paar Schritte zum Büro geht, kann es gut passieren, dass Boleat neben ihm auftaucht, um ihn daran zu erinnern, was die Unternehmen der City von der Regierung erwarten.
"Es ist wichtig, dass die Regierung weiß, was sie tut und welche Folgen ihr Handeln haben kann."
Was es etwa für einen Schaden anrichten könne, wenn Großbritannien wie geplant mit der EU auch den Binnenmarkt verlässt. Immer häufiger bekommt Boleat von Brexit-Befürwortern die Frage zu hören, was er denn jetzt noch vom Binnenmarkt rede. Die Entscheidung sei doch gefallen. Der Wind ist auch für die Finanzlobbyisten rau-her geworden. Aber Boleat will sich noch nicht geschlagen geben.
"Die EU bleibt langfristig der wichtigste Handelspartner der City."
Und was die angeblich Weltoffenheit nach dem Brexit angeht, bleibt Boleat skeptisch. Der Handel mit Ländern wie China sei wichtig, aber der werde durch den Brexit ja nicht automatisch leichter - vor allem nicht, wenn die Regierung von Premierminis-terin Theresa May auch die Visavergabe erschwere.
"Our government is talking about being the leader in global free trade. So we’ll see how that plays out."
Die Regierung rede davon, dass sie die führende Kraft im internationalen Freihandel werden wolle, sagt Boleat. Er sei gespannt, was daraus wird.
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